Protocol of the Session on August 30, 2017

Vielen Dank, Kollege Siebel. – Es antwortet Frau Abg. Goldbach. Bitte.

Verehrter Herr Kollege Siebel, ich habe vorhin versucht, klarzumachen – vielleicht habe ich mich undeutlich ausgedrückt, deswegen erkläre ich es noch einmal –: Die Kommunen brauchen Kapazitäten, um die Investitionen umzusetzen. Wir haben in dieser Legislaturperiode schon 1,5 Milliarden € für Investitionen in Schulen und andere kommunale Gebäude an die Kommunen gegeben. Die Maßnahmen müssen aber geplant werden. Wir brauchen Architektenleistungen, wir brauchen Bauingenieure, und dann müssen in einer Hochkonjunkturphase – das habe ich vorhin schon gesagt – die Baufirmen beauftragt werden. Das ist im Moment ein Problem.

Deswegen sage ich: Wir müssen den Investitionsstau, den wir in der Vergangenheit hatten, weiterhin Stück für Stück auflösen.

Wir werden den Kommunen weiter Geld geben, und die Kommunen werden Stück für Stück nach ihren Investitionsplänen ihre Investitionen umsetzen, ihre Bauten errichten, ihre Schulen sanieren, und was immer sonst zu tun ist. Aber das kann man nicht auf einen Schlag, sondern jeder, der schon einmal irgendwo in einer Verwaltung geschaut hat, weiß, dass das nur Stück für Stück geht. Wir machen das im richtigen Tempo, zusammen mit den Kommunen und so, wie es überhaupt möglich ist – auch aufgrund der aktuellen konjunkturellen Lage auf dem Baumarkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach. – Das Wort hat der Abg. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt das zweite Mal hintereinander, dass die CDU-Fraktion in diesem Hause die Kommunalfinanzen zum Setzpunkt gemacht hat. Kollege Reul hat darauf hingewiesen, dass wir allein schon in diesem Jahr mindestens dreimal – wenn nicht sogar viermal, nämlich bei jedem Plenum – über die Kommunalfinanzen diskutiert haben.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Ganz offensichtlich ist aber der Union daran gelegen, dass das Stimmungsbild wieder relativiert werden soll, das, durch die Bertelsmann Stiftung nun eindeutig und objektiv legitimiert, erst einmal vorgelegt worden ist. Ja, wir Freie Demokraten übernehmen nicht das Wort von der „Krisenregion“, aber so steht es bei der Bertelsmann Stiftung drin. Ein uns begleitender Journalist, Herr Stang, hat vor einigen Tagen im „Wiesbadener Kurier“ darauf hingewiesen, dass allein mit den neuen Programmen KIP II und der Hessenkasse angelegt worden ist, dass es – wenn man es jetzt bei der Bertelsmann Stiftung hineinschreiben bzw. hineinrechnen würde – jedenfalls diese Schlussfolgerung nicht mehr geben kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns mit Kommunalfinanzen auseinandersetzen, dann können wir es auch einmal ein bisschen vertiefter tun.

Wir finden, dass die Bertelsmann Stiftung eine Reihe von Fakten, Zahlen, Daten und auch Schlussfolgerungen vorgelegt hat, die uns schon ein bisschen mehr nachdenklich stimmen sollten, statt allein zu bedingungslosem Jubel wegen der Hessenkasse zu führen.

Ergebnis der Bertelsmann Stiftung: Hessens Kommunen haben die höchsten Einnahmen – Steuern 1.485 € pro Einwohner und Zuweisungen 1.340 € pro Einwohner – aller Kommunen, doppelt so viel wie z. B. die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.

Bei den Zuweisungen hat Hessen durch den neuen KFA zwar am meisten zugelegt, bleibt aber immer noch am Ende der Skala. Bei Gebühren und Beiträgen hingegen liegt Hessen – 442 € pro Einwohner – hinter Nordrhein-Westfalen an der Spitze. Rheinland-Pfalz, unser ach, so geliebtes Nachbarland, erhebt nicht einmal die Hälfte bei seinen Bürgerinnen und Bürgern, nämlich 214 € pro Einwohner.

Vierter Punkt. Hessen ist eines von vier Ländern, die zusammen mehr als 80 % der Kassenkredite angehäuft haben. Woran liegt denn das?

Fünfter Punkt. Bedingt durch die hohe Verschuldung sind natürlich auch die Zinsausgaben in Hessen – und da ist es vollkommen wurst, ob wir eine Niedrig- oder Hochzinsphase haben – am zweithöchsten. Gott sei Dank haben wir eine Niedrigzinsphase, sonst würden die Kommunen natürlich noch viel mehr belastet.

Hessen hat einen Zuwachs der Grundsteuer B von fast 60 % zwischen 2005 und 2015 erzielt. Hessen hat außerdem gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg die höchsten Gesamtausgaben pro Einwohner.

Was mich bestimmt schon seit zehn oder 15 Jahren beschäftigt und worauf man einfach keine qualifizierte Antwort erhält, ist die Frage, wieso eigentlich die Sozialleistungen auf kommunaler Ebene im Vergleich zu den ande

ren Bundesländern so hoch sind. Woran liegt das eigentlich?

(Beifall bei der FDP)

Es kann ja nicht an der sozialökonomischen Struktur unseres Landes liegen. Ich hatte vorhin Mecklenburg-Vorpommern erwähnt: Dort geht es wohl ein bisschen härter zur Sache, sowohl bei fehlenden Einnahmen wie auch bei erhöhten Ausgaben. Trotzdem sind die sozialen Leistungen, die in Hessen von den Kommunen zu erbringen sind – auf alle Fälle effektiv erbracht werden –, sehr hoch.

Ich kann mich daran erinnern, dass unter Verantwortung des ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch und auch auf Drängen des Koalitionspartners FDP im Jahr 2009 eine Gruppe eingerichtet worden ist, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen sollte. Ich musste mit Bedauern zur Kenntnis nehmen und konnte es als Koalitionspartner auch nicht mehr beeinflussen, dass sich diese Gruppe letztlich selbst blockiert hat, weil auf der einen Seite die Professores, die das Land Hessen vertreten haben, sich mit den Professores gestritten haben, die auf der anderen Seite die Kommunen gestellt haben. Ich hatte das Gefühl, dass wir dort letztlich auch nicht mehr zu einer Einigung kommen wollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt an der Zeit, herauszufinden, wieso in Hessen die sozialen Leistungen im Vergleich zu anderen Bundesländern so extrem hoch sind.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht liegt es ja daran, dass wir als Landtag so hohe Standards in unseren Gesetzen beschlossen haben. Vielleicht liegt es auch an den Strukturen der Entscheidungsabläufe, die wir in unserem Land haben. Aber ich wollte mich einmal ganz bewusst mit Themen beschäftigen, die morgen sicherlich nicht alle so in der Presse stehen werden, die aber letztlich die Belastungen für unsere Kommunen so deutlich machen und an die wir endlich herangehen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Nur so ist erklärbar, dass die Investitionen im Vergleich zu den anderen Bundesländern im unteren Mittelfeld liegen – das kann doch alles nicht richtig sein. Ich schaue da auch bewusst den Kollegen von der LINKEN an – Sie haben ja die Philosophie, irgendwie müsse alles gemacht und bezahlt werden –: Vielleicht muss da gar nicht alles gemacht und bezahlt werden. Vielleicht können schon Veränderungen der Organisationsstruktur dazu führen, dass wir weniger Geld in den Sozialtopf – kommt das eigentlich bei den Bedürftigen an? – hineingeben können und mehr in Investitionen.

(Zuruf des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Ich möchte ganz kurz an die eben geführte Debatte anknüpfen. Natürlich ist jetzt eine neue Flanke geschaffen worden, indem die von der Regierungskoalition propagierte Abschaffung der Kindergartengebühren zu einem Großteil über den KFA finanziert werden soll.

Herr Minister Dr. Schäfer, ich werde Ihnen diese Frage mit Blick auf unser gemeinsames Treffen heute Abend schon einmal mit auf den Weg geben: Ich verstehe nicht, dass man bei dem „KFA neu“ noch irgendetwas über den KFA finanzieren kann; denn der „KFA neu“ ist ausschließlich – so hat es uns das Gericht vorgeschrieben – eine Bedarfsbe

zahlung. Das, was früher beim „KFA alt“ mit den kleinen Töpfen, den großen Töpfen, den Sondertöpfen, den Nebentöpfen, den Obertöpfen und den Untertöpfen noch strukturelle oder auch nur parteipolitisch gewollte Landespolitik war, ist nach dem neuen KFA so nicht mehr zulässig.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb bin ich sehr gespannt, wie Sie den Kommunen Geld wegnehmen wollen, das den Kommunen eigentlich zusteht, obwohl Sie eine bedarfsgerechte Ausstattung der Kommunen vornehmen sollen bzw. müssen – dies hat ja der Staatsgerichtshof so beschlossen. Diese Frage – oder besser noch die Antwort – können wir nachher sicherlich noch einmal in aller Ruhe erörtern.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie merken, dass wir Freie Demokraten – –

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihre Überheblichkeit spricht einfach nur gegen Sie, Herr Kollege Kaufmann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich hatte ja gehofft, dass sich auch bei Ihnen irgendwann einmal ein bisschen Altersweisheit zeigen würde; aber diese Hoffnung gebe ich hiermit auf.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich ist die Hessenkasse ein vernünftiges Instrument. Wir werden sie auch nicht mit einem negativen Duktus begleiten, sondern Fragen stellen und sie somit hoffentlich auch dahin bringen, dass sie gerechter wird. Ich halte es nicht für gerecht, dass nach den jetzigen Berechnungen – und nicht, weil René Rock und der amtierende Präsident im Stuhle da herkommen – Seligenstadt, wo ordentlich gewirtschaftet wurde, Rodgau mitfinanzieren muss, wo nicht so ordentlich gewirtschaftet wurde. Das hat mit Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen uns die Frage stellen: Was passiert mit den Kommunen, die überhaupt keine Kassenkredite haben? Was passiert mit den Kommunen, die in einem Kreis leben, der erhebliche Kassenkredite hat? Wie wird denn da abgefedert? Da kommt man mit der überheblichen Argumentation des Kollegen Kaufmann nicht weiter; denn dann muss man schon etwas tiefer in die Sache hineingehen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen wir deshalb tiefenentspannt, aber schon mit einer sehr klaren Vorstellung in die Beratungen: Es kann nicht sein, dass diejenigen, die ordentlich gewirtschaftet haben, gegenüber denjenigen benachteiligt werden, die hätten ordentlich wirtschaften können, es aber nicht getan haben und sich nunmehr bei dieser Veranstaltung einen schlanken Fuß machen. Darauf werden wir achten.

(Beifall bei der FDP)

Eine letzte Bemerkung – das ist wirklich nur ein Satz, Herr Präsident –: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rate den Kolleginnen und Kollegen der CDU und der GRÜNEN und auch dem Herrn Finanzminister dazu, nicht

immer wieder neue Fake-News in die Welt zu setzen. Das ist zu einem Großteil kein Landesgeld, wie schon beim KIP II nicht, obwohl es in fast jeder Presseerklärung steht, dass das Land helfe usw.,

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

sondern dort ist es Bundesgeld, hier ist es kommunales Geld. Fake-News sollten ab jetzt einfach einmal aufhören. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollege Hahn. – Das Wort hat der Finanzminister, Herr Staatsminister Dr. Schäfer.