Protocol of the Session on May 20, 2014

Deshalb finde ich das unmöglich, was Sie hier machen. Wenn DIE LINKE Fehlentwicklungen in Europa kritisiert, wenn wir völlig zu Recht kritisieren, dass Europa ein Demokratiedefizit hat, dass Europa soziale Ungleichgewichte hat, über die Sie gerade lang und breit gesprochen haben, Herr Schäfer-Gümbel, beispielsweise über die Situation in Griechenland, dann muss man natürlich auch darüber reden: Hat die Politik der EU-Kommission, hat die Politik der Troika, hat die herrschende Politik in Europa vielleicht etwas mit diesen Missständen zu tun?

Deshalb: Wenn man die Politik in Europa kritisiert, ist man noch lange nicht europafeindlich. Ich verwehre mich gegen diesen Vorwurf, den Sie hier äußern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir über Gefahren in Europa reden, nennen Sie als Erstes DIE LINKE. Ich sage, wir müssen über den Front National, über Marine Le Pen reden, über Geert Wilders. Aber als Allererste wurde in Ihrer Rede Sahra Wagenknecht genannt. Wir müssen reden über die Faschisten in Ungarn, in Österreich, in Griechenland und auch über die Faschisten in Deutschland.

Was wir als LINKE wollen, das ist nicht, Grenzen wieder hochzuziehen. Das wissen Sie auch ganz genau. Wir wollen ein solidarisches, ein gerechtes, ein friedliches Europa. Wir stehen als Partei dafür, dass es in Europa offene Grenzen gibt, und zwar nicht nur innerhalb Europas, sondern auch für die Menschen in Not, die Europa im Mittelmeer ertrinken lässt. Wir würden uns sehr freuen, wenn die SPD in dieser Frage auf unserer Seite wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben Gelegenheit, zwei Minuten zu antworten.

Herr Präsident, meine seine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Wissler, netter Versuch. Der Missbrauch eines Zitats aus einem in der Tat renommierten Beitrag von drei angesehenen Persönlichkeiten ist trotzdem in diesem Kontext schäbig. Ich will das in aller Klarheit sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass es das Geschäftsmodell von Teilen der Linkspartei ist, wieder als Strategie für die SPD die Parole aufzurufen: Der Hauptfeind steht links. – Das ist überhaupt nicht unser Thema.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich habe nur darauf hingewiesen, Frau Wissler, dass Teile Ihrer Partei – namentlich Frau Wagenknecht und auch Oskar Lafontaine – in einer Art und Weise für Renationalisierung eintreten, dass ich finde, dass dies ein bemerkenswerter Vorgang ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Absurd!)

Ich werde es nicht durchlaufen lassen, sondern auch in Zukunft immer zum Thema machen. Frau Wissler, die Frage, wen ich in welcher Reihenfolge anspreche, das überlassen Sie bitte der deutschen und der hessischen Sozialdemokratie. Das geht Sie nichts an. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Das Wort hat nun Frau Kollegin Hammann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind alle überzeugte Europäer. Deshalb liegt es an uns, wie wir über Europa reden und wie wir überzeugen, damit Menschen auf Europa zugehen und sich für Europa begeistern können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Gerade vor der Europawahl am kommenden Sonntag ist es wichtig, die Erfolge der Europäischen Union uns allen bewusst zu machen und mit dazu beizutragen, dass die Menschen wissen, was in der EU an Positivem verabschiedet wurde, was Auswirkungen natürlich auch auf Deutschland und auf Hessen hat.

Meine Damen und Herren, wo die Menschen die EU positiv erleben können, und zwar hautnah erleben können, ist dann, wenn sie die Grenzen innerhalb Europas überschreiten. Sie erinnern sich bestimmt auch noch an lange Staus an Grenzübergängen, wo kontrolliert wurde, an Transitvisen. Sie erinnern sich an Zölle. – Das alles gehört schon seit vielen Jahren der Vergangenheit an, und das verdanken wir der Europäischen Union.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Grenzen innerhalb der EU sind offen, und sie sind freizügig. Diese Freizügigkeit garantiert allen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern das Recht, sich frei in der EU zu bewegen. Sie können sich in jedem anderen Mitgliedsland Arbeit suchen und haben die Möglichkeit, sich ohne Bedingungen dort bis zu drei Monate aufzuhalten.

Man muss positiv feststellen: In immerhin 18 von 28 Mitgliedstaaten kann man alles mit dem Euro bezahlen. Es bestehen keinerlei Umtauschprobleme mehr. Die Preise lassen sich ganz einfach vergleichen. Das ist etwas, was sehr viele Bürgerinnen und Bürger als positiv ansehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn man mit jungen Menschen spricht – so habe ich oftmals festgestellt –, können sie sich ein Europa in den Grenzen des vergangenen Jahrhunderts kaum mehr vorstellen. Es ist wichtig, in allen Gesprächen immer wieder daran zu erinnern, dass die Europäische Union eine uns allen bisher nie gekannte Phase des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands gebracht hat.

Ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass wir mit dazu beitragen müssen, dass den jungen Europäern das Weiterbestehen der Europäischen Union am Herzen liegt, dass sie sich ebenfalls dafür einsetzen. Denn für uns alle ist die Europäische Union eine Wertegesellschaft. Sie hat geholfen, jahrhundertealte Gegensätze und Konflikte zu überwinden und einen geschichtlich einmaligen Frieden zu erhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die EU ist für uns eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Idealen und Zielen, und die müssen wir weiter pflegen. Sie steht für Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt und die Wahrung von Menschenrechten und für soziale Verantwortung.

Die Europäische Union kann zu Recht darauf stolz sein, dass ihr im Jahr 2012 – das wissen Sie alle – in Oslo der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde. Dies ist eine besondere Würdigung, und dies erfuhr die Europäische Union, weil sie entscheidend zur friedlichen Entwicklung in Europa beigetragen hat. Das ist eine Auszeichnung, die man zur Kenntnis nehmen muss. Das ist ein unglaublicher Erfolg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wie bewerten denn die Menschen Europa? – Es gibt eine Umfrage. Es gibt das Eurobarometer zu Europäerinnen und Europäern 2014. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, sieht man eine positive Entwicklung. In 22 EU-Ländern sehen die Bürgerinnen und Bürger die Zukunft der Europäischen Union positiv. Auch in Deutschland sind ca. 60 % der Befragten zur Zukunft der Europäischen Union optimistisch eingestellt. Das bedeutet aber auch, dass 40 % der Menschen in Deutschland der Europäischen Union skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Problem. Es ist leider festzustellen, dass es in Deutschland immer noch viele Menschen gibt, die wenig über die Europäische Union wissen. Es geht Ihnen bestimmt so wie mir: Wenn Sie in Diskussionsgruppen sind, wenn Sie Podiumsdiskussionen haben, merken Sie oftmals an den Fragen, wie wenig das Wissen über die Europäische Union und deren Erfolg bei den Menschen vorhanden ist.

Stattdessen haben sich aber – die Frau Ministerin hat es schon genannt – die wenig rühmlichen Vorschläge der EU eingeprägt, wie die Vorgabe des Gurkenkrümmungsgrades. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, das ist bedauerlich. Gerade die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren deutlich von der Union – sei es durch die Stärkung der Fluggastrechte, die Ihnen bekannt ist, den Schutz der Onlinekäufe, die Kennzeichnung der Lebensmittel, damit man weiß, was man kauft und was darin ist.

Dazu gehört auch die Verlängerung der Gewährleistungsfrist. Immerhin hatten wir einmal eine Gewährleistungsfrist von sechs Monaten. Mittlerweile sind es zwei Jahre. Das heißt, es gibt eine Garantie für die Menschen, etwas zurückgeben zu können. Zu nennen sind auch Verbrauchsangaben auf Elektrogeräten oder das günstigere Telefonieren mit dem Handy im Ausland und ganz aktuell kostengünstigeres Simsen und Surfen im Internet im sogenannten Datenroaming.

Meine Damen und Herren, deshalb muss es unser Anliegen sein, die Demokratie in Europa zu stärken. Es ist notwendig, immer wieder auf die Erfolge zu verweisen, sich gleichzeitig aber auch das Denken nicht zu verbieten und konstruktiv manche Entscheidung zu begleiten.

Deshalb ist es wichtig, konstruktiv Kritik zu üben. Uns allen muss eines klar sein: Akzeptanz können wir nur erreichen, wenn es zu keinen Verschlechterungen bei den Verordnungen oder durch Abkommen kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte Sie an die letzte Debatte erinnern, die wir im Hessischen Landtag geführt haben. Es geht um das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA, abgekürzt TTIP. Wir haben dieses Abkommen kritisch bewertet. Gleichwohl haben wir gesagt, es kann eine Chance sein,

aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass es möglicherweise Probleme geben könnte.

Das hat dazu geführt, dass es zu einem gemeinsamen Antrag zwischen den Koalitionären von CDU und GRÜNEN gekommen ist. Wir haben in diesem gemeinsamen Antrag festgestellt, dass die erreichten Standards dauerhaft gesichert werden müssen. Das betrifft das europäische Niveau gerade im Umwelt-, Tier- und Klimaschutz, im Daten-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, bei Arbeitnehmerrechten und auch bei den Sozialstandards.

Wir sind der Auffassung – das haben wir ebenfalls in diesem Antrag festgehalten –, dass Investorenklagen nicht in geheimen Verfahren vor Schiedsgerichten, sondern vor ordentlichen Gerichten durchzuführen sind. Das gehört zu einer Transparenz, von der ich glaube, dass wir alle Wert darauf legen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kommen wir zu wirtschaftlichen Aspekten. Bei aller bestehenden Skepsis, was die Vorgehensweise angeht, ist festzustellen, dass uns die Europäische Union viele Vorteile bringt. Einige habe ich eben schon aufgeführt, gerade was den Verbraucherschutz angeht. Die Freizügigkeit von Personen und Waren innerhalb der Europäischen Union bietet den Menschen persönliche, berufliche und auch wirtschaftliche Chancen. Die gilt es zu nutzen.

Durch den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen hat sich der europäische Markt zum größten einheitlichen Absatzmarkt der Welt entwickelt. Ein Großteil der deutschen Waren geht in den Export, und zahlreiche Arbeitsplätze werden dadurch natürlich in Deutschland gesichert. Es ist festzustellen, dass gerade Hessen als wirtschaftsstarkes und exportorientiertes Land dabei in besonderem Maße vom Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung profitiert.

Die Erfahrung mit der Wirtschafts- und Finanzkrise hat uns aber auch gezeigt, dass wir mehr Europa brauchen und dass nationale Eigensucht und Alleingänge keinen Platz in einer sich weiterentwickelnden modernen Welt haben dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist auch wichtig, etwas zum Euro zu sagen, unserer gemeinsamen Währung, die wir in der Europäischen Union haben. Allen Skeptikern zum Trotz bringt uns der Euro mehr Vor- als Nachteile. Er zeigt sich als eine stabile und starke Währung. Als Exportland ist Hessen auf einen stabilen Euro angewiesen. Für Frankfurt als zweitgrößten europäischen Finanzplatz ist die Stabilität der gemeinsamen Währung von besonderer Bedeutung.

Es kann daher nur in unser aller Interesse sein, dass alle Eurostaaten Teil der Währungsunion und der EU bleiben. Ein Ausschluss oder ein Austritt eines Mitgliedslandes würde dagegen zu Problemen führen, die viele überhaupt noch nicht überschauen können, die aller Voraussicht nach zu Kosten führen würden, die die bis jetzt geplanten und geleisteten Hilfspakete um ein Vielfaches überschreiten würden. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Es ist aber auf allen staatlichen Ebenen auch notwendig, dass es solide Staatshaushalte gibt, zu denen sich Deutschland und Hessen mit der Aufnahme der Schuldenbremse in das Grundgesetz und in die Verfassung verpflichtet haben.

Wichtige Beiträge bilden auch die EU-Förderprogramme wie die Strukturfonds oder das EU-Forschungsrahmenprogramm. Die Beträge wurden genannt. Es sind unglaublich große Summen, die in diesen Bereich fließen.

Gerade junge Menschen profitieren von den europäischen Programmen. So unterstützt – das will ich beispielhaft herausstellen – die Europäische Union den europäischen Jugendaustausch durch das Programm ERASMUS in den nächsten Jahren mit immerhin fast 15 Milliarden €. Ebenso bemüht sich die EU, weil es eine Problematik ist, wenn es in so vielen Mitgliedstaaten der EU hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt, Maßnahmen zu unterstützen, um die Jugendarbeitslosigkeit deutlich zu senken. Das ist richtig so. Die jungen Menschen brauchen in der EU eine Perspektive. Die EU kann dazu beitragen.