Meine Damen und Herren, im Rahmen des RelocationProgramms sind in diesem Jahr bisher mehr als 3.500 Menschen aus Griechenland und Italien nach Deutschland umverteilt worden. Wir haben in Hessen 234 Personen aufgenommen. Hinzu kommen die 15 Personen, die gerade heute in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen aufgenommen worden sind und von dort aus verteilt werden. Wir leisten innerhalb der Europäischen Union – innerhalb
Europas – unseren Beitrag zur humanitären Hilfe. Ich finde, wir sollten eher stolz darauf sein, als uns das von den LINKEN im Hessischen Landtag kleinreden zu lassen.
Ich habe mich hier für die Landesregierung hinreichend zu den Fragen im Zusammenhang mit der Rückführung geäußert. Deswegen will ich nur eine ganz kurze Bemerkung machen: Wir werden denjenigen, die ein Bleiberecht in unserem Land haben, die Hand reichen. Herr Kollege Bocklet war so freundlich, all die Programme, die wir zu diesem Zweck aufgelegt haben, zu nennen. Deswegen kann ich mich darauf beziehen.
Wir werden denjenigen, die ein Bleiberecht in unserem Land haben, die Hand reichen, und wir werden uns um ihre Integration bemühen. Wir werden eine Menge Geld in die Hand nehmen, um denjenigen, die geflohen sind, eine Zukunft in unserem Land zu ermöglichen. Aber genauso konsequent, wie wir den Integrationsprozess durchführen, müssen wir auch diejenigen zurückführen, die kein Bleiberecht in unserem Land haben. Auch das werden wir für die Zukunft organisieren müssen.
Frau Kollegin Faulhaber, dabei haben die Abschiebungen eben keine Priorität. Wir treiben einen unheimlich großen Aufwand bei der Beratung zur freiwilligen Rückkehr. Wir wollen diesen Abschiebevorgang im Grunde genommen nicht. Niemand will ihn, weder der Abzuschiebende – das ist klar – noch diejenigen, die in der Verwaltung daran beteiligt sind. Vielmehr wollen wir, dass die Menschen, die kein Bleiberecht haben, einsehen, dass es besser ist, freiwillig zurückzukehren. Wir leisten bei dieser Rückkehr sogar Hilfe. Wir stellen Geld zur Verfügung, damit dieser Rückweg erleichtert wird. Das ist unser Auftrag; das wollen wir erreichen.
Aber das müssen wir auch erreichen; denn sonst werden wir die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen, also von denen, die wirklich einen Fluchtgrund und ein Bleiberecht haben, nicht aufrechterhalten können. Deswegen werden wir an dieser Stelle konsequent weiterarbeiten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Nunmehr hat sich Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE erneut gemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, niemand flieht freiwillig. Deshalb ist die Antwort auf die zunehmenden Fluchtbewegungen weltweit doch nicht: höhere Zäune, Abschottung, Deals mit fragwürdigen Ländern wie Libyen. Die Antwort muss doch sein, dass Fluchtursachen bekämpft werden und Flüchtlinge nicht möglichst hinter die Grenzen Europas zurückgedrängt werden.
3.800 Flüchtlinge sind im letzten Jahr im Mittelmeer ums Leben gekommen. Das ist keine Naturkatastrophe, sondern
das ist die Folge davon, dass es keinen legalen Weg nach Europa gibt. Das wiederum ist die Folge von politischen Entscheidungen – auch der Aushöhlung des deutschen Asylrechts. Wir erinnern uns alle an das Bild des leblosen Körpers des dreijährigen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi. Meine Damen und Herren, das Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum, das Hunderttausenden Menschen aus dem Mittelmeer das Leben gerettet hat, wurde eingestellt. Herr Minister, das sind Dinge, die mich an den viel gepriesenen humanitären Werten Europas zweifeln lassen, wenn man ein solches Seenotrettungsprogramm einstellt.
Die Begründung war nicht nur finanzieller Art; es hat 9 Millionen € pro Jahr gekostet. Die Begründung des Bundesinnenministers de Maizière war:
Wie zynisch ist das, wenn die Alternative zur Brücke bedeutet, dass mehr Menschen ertrinken. Wenn man ein Seenotrettungsprogramm, das Hunderttausenden Menschen das Leben gerettet hat, einstellt, dann kann doch keiner sagen, dass man nicht weiß, was die Konsequenz ist. Die Konsequenz ist, dass viele Menschen nicht mehr aus dem Mittelmeer gerettet werden.
(Alexander Bauer (CDU): Sie müssen auch etwas über die Ursachen sagen! Das Ziel muss doch sein, dass niemand mehr in die Boote steigt!)
Ich habe in Tunesien mit Müttern gesprochen, deren Söhne im Mittelmeer ertrunken sind. Ich glaube, solche Äußerungen sind sehr zynisch.
Herr Bauer, ja, zu den Schleppern. Warum wenden die sich denn an Schlepper? Der Linienflug wäre günstiger; die Fähre wäre auch günstiger. Aber leider haben Flüchtlinge genau diese Möglichkeit nicht. Sie haben ja gar keine andere Möglichkeit.
In Italien wurden Fischer angeklagt, weil sie Ertrinkende aus dem Wasser gerettet haben. Das mag die Rechtslage sein, aber das kann nicht richtig sein.
Wenn das Recht der Menschlichkeit entgegenläuft – denn Recht und Gesetz werden von Menschen gemacht, und es wird von Menschen verändert –, dann kann das nicht sein. Ich will nur daran erinnern, dass in diesem Land noch vor ein paar Jahrzehnten, das ist noch nicht lange her, homosexuelle Handlungen untersagt waren und strafrechtlich verfolgt wurden.
Ich kann jeden verstehen, der sich an dieses Recht nicht gehalten hat, und würde jeden verteidigen. Damit will ich sagen: Das, was heute Unrecht ist, war früher Recht und umgekehrt. Recht und Gesetz sind veränderbar.
Meine Damen und Herren, deshalb fragen wir uns doch einmal, da Sie den „zivilen Ungehorsam“ ansprechen, was wir, jeder Einzelne von uns, bereit wären zu tun, um die Menschen, die wir lieben, mit welchen wir befreundet sind, mit welchen wir zur Schule oder zur Arbeit gehen, davor zu schützen, dass sie in ein Kriegsland abgeschoben werden, in dem es keine medizinische Versorgung gibt. Der Fall eines jungen Afghanen, der Ende Januar aus Deutschland abgeschoben wurde und hier in Sicherheit war, und nur drei Wochen später durch einen Selbstmordanschlag in Kabul so schwer verletzt wurde, dass er Glück hatte, dass er überlebt hat, war zuvor in Sicherheit. Wenn man Menschen in ein Kriegsgebiet abschiebt, dann gefährdet man natürlich das Leben und die Unversehrtheit von Menschen. Das gilt für die freiwilligen Ausreisen ganz genauso. Diese sind nicht freiwillig; da werden Menschen unter Druck gesetzt. Diese sind in diesen Ländern genauso gefährdet wie in Afghanistan.
Wenn der Bundesinnenminister de Maizière sagt: „In Afghanistan sind Zivilisten zwar Opfer, aber nicht Ziel von Anschlägen“, dann frage ich mich, ob er das den Leuten erzählen sollte, die in Afghanistan drohen durch Anschläge ums Leben zu kommen. Das ist doch wirklich eine unmenschliche Politik.
(Alexander Bauer (CDU): Warum gibt es denn die Anschläge? Haben Sie sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?)
Ich habe heute gelesen, dass in Duisburg eine Schülerin, die in Deutschland geboren ist, aus dem Unterricht geholt wurde, um am Nachmittag zusammen mit ihren Eltern abgeschoben zu werden. Am Ende kamen ein Seelsorger und ein Notarzt zum Einsatz, weil die Schülerinnen und Schüler so schockiert waren. Ähnliche Fälle haben wir in Hessen auch schon gehabt.
Ich kann das verstehen und finde es gut, wenn sich Schülerinnen und Schüler solchen Abschiebungen entgegensetzen, wenn sie mit solchen Blockaden wie gestern in Nürnberg versuchen, solche Abschiebungen zu verhindern.
Noch ein Letztes. Wenn es wie in Darmstadt oder Marburg Initiativen von Oberbürgermeistern gibt, wenn es Kommunen gibt, die sagen: „Wir haben leer stehende Einrichtungen, und wir wollen Menschen aus dieser katastrophalen Lage herausholen“,
Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Beratung dieser beiden Tagesordnungspunkte angelangt.
Mir ist mitgeteilt worden, dass beide Anträge an den Innenausschuss überwiesen werden sollen. – Das erfolgt dann so.
Damit sind wir am Ende der für den Vormittag vereinbarten Tagesordnung angekommen. Wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14:40 Uhr.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit der Sitzung fortfahren.