(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe im Innenministerium nachgefragt!)
Ich glaube nämlich, das würde Aufschluss darüber geben, worum es Ihnen bei diesem Sachverhalt eigentlich geht.
Noch ein letzter Satz: Klären Sie einmal mit Frau Wagenknecht, was sie sagen würde, wenn Sie jetzt behaupten, jeder müsse hierbleiben.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn gar nichts mehr funktioniert!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bocklet, Frau Kollegin Wallmann, erstens ist es schon sehr schäbig und unterste Schublade, wenn Methoden verwendet werden, wie aus einer geschlossenen vertraulichen Sitzung des Petitionsausschusses Nummern zu zitieren, ohne dass andere wissen, was dort genau passiert ist.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer sich damit beschäftigt hat, weiß, worum es geht! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Frau Wallmann, zweitens argumentieren Sie damit, dass er aus der Klinik abgeschoben wurde, weil er dorthin laufen konnte. Deswegen habe der Fall nicht so schlimm gewesen sein können. – Es tut mir leid, das ist unterste Schublade und zeigt, wie eng bei Ihnen der Schuh drückt und wie viel schiefgelaufen ist.
Wenn Petitionen nach Sach- und Rechtslage entschieden werden, dann hatten wir in den Petitionsausschusssitzungen immer die Situation, dass wir mit der Rechtslage nicht zufrieden waren,
dass wir am liebsten eine andere Entscheidung getroffen hätten und dass wir sie nie durchsetzen konnten, weil die Rechtslage auf Bundesebene so war, wie sie war, was ja auch von einem Parlament gemacht wird. Deswegen haben wir auch immer argumentiert: Die rechtliche Grundlage muss sich ändern. Es muss ein liberales Migrationsrecht her.
Deswegen haben auch viele versucht, nachher in der Härtefallkommission die Personen und die Einzelfälle einigermaßen positiv zu retten. Sich jetzt darauf zu berufen und zu sagen, dass die Rechts- und Sachlage quasi ein Zeichen dafür war, dass man das akzeptiert habe, finde ich schäbig und nicht akzeptabel. Ich für mich weise das zurück.
(Lachen des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Es gehört sich nicht, dass, wenn Menschen sich in posttraumatischer Belastungsstörung befinden und in Behandlung sind und wenn sich die Situation verschlechtert hat, man diese Leute aus der Klinik heraus abschiebt.
Es können nachher Situationen entstehen, in denen eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst wird. Es kann ja sein, dass, wenn man diesem Menschen jetzt mit der Ausreise gedroht hat, aufgrund dessen die Erkrankung verstärkt worden ist. Das wird gar nicht zur Kenntnis genommen, sondern es wird so getan, als ob von vornherein eine Krankheit suggeriert worden sei.
Von daher möchte ich noch ganz klar sagen: Es soll weder aus Schulen noch sollen Menschen abgeschoben werden, die in psychotherapeutischer Behandlung wegen traumatischer Störungen sind.
Das ist nämlich ein Resultat der Asyl-I- und -II-Pakete. Weil man die Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt hat, möchte man jetzt alles aus diesen Ländern, was nicht niet- und nagelfest ist, abschieben. Das ist eine inhumane Abschiebepraxis. In diesem Einzelfall haben wir gesehen, dass einiges schieflaufen kann.
Von daher bitte ich darum, nicht so zu tun, als ob die Opfer bzw. die abgeschobenen Menschen Krankheiten vorgaukeln würden und als ob das richtig gewesen wäre, dass man sie abgeschoben hat. Es ist inhuman, und es bleibt inhuman. – Einzelne Details wird der Innenminister im Ausschuss besprechen.
(Anhaltende Zurufe der Abg. Angela Dorn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) und Janine Wissler (DIE LINKE) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, den Sachverhalt, soweit er bekannt ist, hier einmal bewerten und aufzuarbeiten. Wir werden das ja im Einzelnen noch im Innenausschuss tun. Ich bin einmal gespannt, ob es da neue Erkenntnisse gibt. Eigentlich ist das, was bis jetzt veröffentlicht ist, schon ausreichend, um zumindest zu einer vorläufigen Beurteilung zu kommen.
Frau Kollegin Wissler und Frau Kollegin Öztürk, das muss ich doch einmal deutlich sagen: Mit Ihrer Argumentation, wie Sie mit diesem Fall hier umgehen, stellen Sie letztlich wieder einmal den Rechtsstaat infrage, und das will ich Ihnen auch im Einzelnen begründen.
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, Sie beziehen sich insbesondere auf die Expertise des Prof. Gallhofer, ein renommierter Wissenschaftler und ein renommierter Psychiater. Das alles ist überhaupt nicht infrage zu stellen. Herr Prof. Gallhofer ist der Auffassung, man könne seinen Patienten im Kosovo nicht ausreichend behandeln. Dort gäbe es keine traumatherapeutischen Zentren, und deswegen könnte eine Abschiebung problematisch sein.
Aber – und das sollten Sie dazusagen, wenn Sie schon den Sachverhalt hier auf den Tisch bringen – alles das, was Herr Prof. Gallhofer dort erklärt und als seine Auffassung wiedergibt, hat die Gerichte, die dafür in einem Rechtsstaat zuständig sind, in keiner Weise überzeugen können. Die Richter haben festgestellt, bei Eilanträgen und Verfassungsbeschwerden per 1. März – das ist noch nicht lange her –, dass all dies nicht greift. Herr Prof. Gallhofer hat dann gemeint, er müsse die Abschiebung in letzter Minute trotzdem verhindern. Aber da muss er dann wie alle anderen zur Kenntnis nehmen: Im Rechtsstaat entscheiden Gerichte. Hier entscheiden Gerichte und nicht selbst ernannte Entscheider. Das gilt letztlich auch für Mediziner, auch wenn sie noch so renommiert sind.
Ich war schon etwas irritiert, als ich zum ersten Mal davon in der Zeitung gelesen habe, dass dieser Klinikleiter meint, seine Klinik sei eine Institution mit Kirchenasylcharakter. Über das Thema Kirchenasyl kann man ja auch schon trefflich streiten; aber wenn jetzt noch die Idee aufkommt, eine Art Klinikasyl damit gleichzustellen, muss ich sehr deutlich sagen, dass das schlicht eine Anmaßung ist.
Die Fakten sollte man nicht außer Acht lassen. Die Fakten sind, dass der Abgeschobene sechs Jahre lang in Deutschland war, dass sein Asylverfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht geprüft und abschlägig beschieden worden ist. Im Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 1. März – das ist also gerade drei Wochen alt – wird noch einmal deutlich gemacht, dass er zur Ausreise verpflichtet war. Das haben alle vorangegangenen Gerichtsverfahren – Frau Kollegin Wallmann hat schon darauf hingewiesen – ebenso ergeben. Der letzte Folgeantrag vom 1. März 2017 führte auch nicht zu einer anderen rechtlichen Würdigung. Denn dieser Folgeantrag ist laut Beschluss des Verwaltungsgerichtes, das für die Prüfung zuständig ist, rechtsmissbräuchlich und offensichtlich unzulässig, weil die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorliegen.
Auch ein Krankheitsbild muss nicht unbedingt davor schützen, abgeschoben zu werden. Es ist darauf hinzuwei
sen, dass im Übrigen diese posttraumatische Belastungsstörung nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes auch im Kosovo behandelbar ist. Das ist in Deutschland dafür zuständig, und das müssen wir in jeder Plenarrunde den LINKEN wieder erklären. Dieser Lagebericht vom 7. Dezember 2016 ist sozusagen brandneu. Das ist so.
Warum der Antragsteller im Jahr 2017 aufgrund von Ereignissen vor 2011 bzw. bis zum Jahr 2000 nunmehr behandlungsbedürftig traumatisiert sein sollte, erscheint mehr als unwahrscheinlich und eher eine Schutzbehauptung, um aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgehen zu können.