Protocol of the Session on February 1, 2012

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Als Nächster spricht Herr Kollege Schaus für die LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich immer wieder darüber, mit welcher Ignoranz die Koalitionsfraktionen Jubelanträge zu Sachverhalten einbringen, bei denen eigentlich mehr Nachdenklichkeit angesagt wäre. So auch heute wieder – zum sogenannten kommunalen Rettungsschirm, mit dem Sie sich selbst wieder einmal abfeiern.

Der Hessische Landkreistag, der Rheingau-Taunus-Kreis, die Bürgermeister der Gemeinden Ebsdorfergrund, Walluf oder Cölbe sowie der Landrat des Main-Kinzig-Kreises – da hat wohl Herr Noll jüngere Informationen –, um nur einige wenige zu nennen, lehnen Ihren bejubelten sogenannten kommunalen Schutzschirm aus den unterschiedlichsten Gründen ab.

Selbst der Steinbacher Bürgermeister Naas, einer mit FDP-Parteibuch, sieht Ihren sogenannten Schutzschirm sehr kritisch und stellt völlig zu Recht fest – Zitat aus der „FAZ“ vom 18. Januar –:

Für den politischen Satz, die Schulden drastisch abzubauen, machen wir eine kommunale Welt kaputt.

Naas kritisiert also offen die Schuldenbremsenpolitik, weil er jetzt als Bürgermeister weiß, was dies für seine Einwohnerinnen und Einwohner an Einschnitten bringt und letztendlich an Konsequenzen hat.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wie Sie bei der zum Teil vernichtenden Kritik an diesem Schutzschirm noch solche Anträge als Koalitionsfraktionen stellen können, Herr Schork, Herr Noll, das bleibt Ihr Geheimnis.

Wenn ich etwas Positives aus Ihrem Antrag herausziehen möchte, dann reduziert sich dies auf die schlichte Feststellung, dass Hessen handlungsfähige Kommunen braucht. Das ist in der Tat so. Die brauchen wir, um die Infrastruktur in Hessen weiterhin erhalten und ausbauen zu können.

Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, dass im November 2010 vor dem Landtag die erste Demonstration von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Landräten stattfand, bei der es um die Beschneidung des Kommunalen Finanzausgleichs von jährlich 344 Millionen € ging. Das sind 12 % des gesamten Kommunalen Finanzausgleichs, die Sie den Kommunen seit 2011 im Haushalt vorenthalten. Dort wurden Schilder gezeigt mit der Aufschrift: „Erst Bürgermeister, dann Insolvenzverwalter“ oder – wie ich noch treffender finde – „Kommunen sind systemrelevant“.

(Beifall bei der LINKEN)

An der Situation hat sich nichts geändert. Es ist aber nach wie vor unser Verfassungsauftrag, für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen durch das Land und auch durch den Bund zu sorgen. Diesem Verfassungsauftrag kommt die Landesregierung mit ihren Haushaltsentwürfen in keinster Weise nach. Die Kommunen saufen nach wie vor finanziell ab, können sich nicht mehr drehen und wenden und schon gar keine Investitionen in die Zukunft mehr vornehmen.

Die Landkreise klagen mittlerweile gegen diese Mittelkürzungen vor dem Staatsgerichtshof. Das ist auch ein Vorgang, der seinesgleichen sucht. Das sollte Ihnen mehr zu denken geben, als solche Jubelanträge einzubringen.

Der kommunale Schutzschirm ist deswegen kein Schutzschirm, sondern eine Rettungsweste ohne Luft. Die jüngs ten Vereinbarungen zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung sind – meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen – unter dem Eindruck, dass ihnen das Wasser bis zum Halse steht und sie keine Alternative haben, überhaupt zustande gekommen. Jeder kommunale Spitzenvertreter, mit dem ich gesprochen habe, hat gesagt: Für die Kommunen wird es fürchterlich, diese Vereinbarung zu treffen und sich letztendlich in eine weitere Abhängigkeit gegenüber dem Land zu begeben, auch wenn es sich um eine sogenannte freiwillige vertragliche Regelung handelt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Mit wem haben Sie denn geredet? Nennen Sie Beispiele!)

Sie wollen in diesen sogenannten Schutzschirm 3,2 Milliarden € investieren, 2,8 Milliarden € für Tilgungslasten und 400 Millionen € für Zinsentlastungen der Kommunen. Angesichts der Tatsache, dass hessische Kommunen über 15 Milliarden € Schulden haben – bei dieser Schuldenzahl sind die kommunalen Eigenbetriebe noch nicht

einmal einbezogen –, ist dieser Betrag nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Horst Klee (CDU): Das ist alles zu wenig!)

Ja, Herr Klee, es ist in der Tat zu wenig, weil nur 89 Städte, drei kreisfreie Städte und 14 Landkreise einbezogen werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Alle Kommunen in Hessen haben Finanzprobleme, außer Eschborn. Es wäre es wert, sich der Situation aller hessischen Kommunen anzunehmen, als einen Großteil auszugrenzen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie beziehen diese Kommunen überhaupt nicht in die Debatte über eine Entlastung Ihrer Altschulden ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen mit dem Sonderfonds die Städte von bis zu 46 % ihrer Altschulden entlasten, die Landkreise nur bis zu 34 %. Wie gesagt, das ist nur ein Teil.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Herr Noll hat davon gesprochen, das sei kein Nasenprinzip, und nur bedürftige Kommunen würden in den Rettungsschirm einbezogen. Ich glaube nicht, dass es über 300 unbedürftige Kommunen in Hessen gibt, die keine Altschuldenlasten haben. Deshalb ist Ihre Aussage völlig verfehlt. Aber das war sie schon auf der Kundgebung der Bürgermeister und Landräte hier, wo Sie, Herr Noll, mit Vehemenz dafür geworben haben, dass die Kommunen endlich sparen und ihre Leistungen einstellen.

Wenn Kommunen ihre Leistungen einstellen bzw. weiter einschränken, dann heißt das doch zuvörderst, dass im sozialen Bereich, wo es um freiwillige Leistungen geht, wo es um Beiträge für Kindertagesstätten geht, wo es um die soziale Versorgung geht, um Schwimmbäder, Spielhallen und sonstige öffentliche Einrichtungen geht, die es zu unterhalten gilt – –

(Zurufe)

Danke für den Hinweis: keine Spiel-, sondern Sporthallen. Zu Spielhallen kommen wir noch im Laufe des Tages.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie halten Sporthallen und Spielplätze vor, so ist es korrekt. Es würde bedeuten, dass da Einschränkungen stattfinden, und das wollen wir nicht.

Herr Schmitt hat schon darauf hingewiesen. Ich habe auch einmal die Rechnung aufgemacht, und die Rechnung sieht wie folgt aus: Wenn ich davon ausgehe, dass ein Sondervermögen für die 2,8 Milliarden € geschaffen wird, die ausgelagert werden, und das mit nur 1 % auf 30 Jahre getilgt und mit 3 % verzinst wird, was zugegebenermaßen eine niedrige Verzinsung ist, dann komme ich auf 112 Millionen € pro Jahr – Sie haben von 107 Millionen € gesprochen –, die die Landesregierung aufwendet. Wenn es darum geht, Zinsentlastungen bei den Kommunen vorzunehmen, dann kommt man bei 1 % auf zusätzliche 28 Millionen € pro Jahr.

Summa summarum sind es 140 Millionen €, mit denen das Land die Lasten der Kommunen übernimmt. Ich betone aber noch einmal: Sie haben seit 2011 im Kommunalen Fi

nanzausgleich 344 Millionen € eingespart. Das macht nach Adam Riese einen Gewinn auf der Landesseite zulasten der Kommunen in der Größenordnung von 204 Millionen € pro Jahr. Das ist die Wahrheit, die hinter dem kommunalen Schutzschirm steckt.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Es ist nichts anderes als eine kommunale Schuldenbremse, und das ist von Ihnen so gewollt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir brauchen zuallererst eine grundlegende, solide Finanzausstattung der Kommunen, bevor wir an die Altschulden herangehen. Das ist aber leider bundesweit erneut gescheitert.

(Alexander Bauer (CDU): Steuererhöhungen?)

Die Kommunen brauchen einen angemessenen Anteil an der Erhöhung der Staatseinnahmen durch eine gerechte Besteuerung – danke schön –, z. B. durch eine Vermögensbesteuerung. Wir brauchen einen gerechten Kommunalen Finanzausgleich, Herr Bauer. Sie haben in einem Interview in der „Lampertheimer Zeitung“ gesagt, dann müsste man an die Kindergartenbeiträge in Bürstadt herangehen; denn die machten nur 15 % aus. – Das ist Ihre Ansage, Herr Bauer. Da wäre ich an dieser Stelle ganz ruhig.

(Alexander Bauer (CDU): Ist das falsch?)

Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in allen Bereichen der Daseinsvorsorge. Das ist angesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Um eine Altschuldenregelung aller Kommunen müssen wir uns auf Bundesebene kümmern. Da erwarte ich in der Tat Initiativen von dieser Landesregierung, die bisher ausgeblieben sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Finanzminister Schäfer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte nicht geglaubt, dass es aus Sicht der die Regierung nicht tragenden Fraktionen erforderlich ist, so tief ins Kleingedruckte einsteigen zu müssen, um kritische Anmerkungen zu diesem Rettungsschirm machen zu können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Ursache dafür kann zweierlei sein: Eine extrem detaillierte Vorbefassung mit dem Thema oder möglicherweise die Alternative, in dem Kleingedruckten suchen zu müssen, weil man an der Generallinie nichts zu kritisieren hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))