Protocol of the Session on November 17, 2011

Es wurde völlig zu Recht gesagt: Das LOEWE-Programm fördert eine immer stärkere Konzentration. Der Großteil dieser Förderung geht an die Universität Frankfurt und die TU Darmstadt. Viele andere Hochschulstandorte bleiben weit dahinter zurück. Besonders benachteiligt sind selbstverständlich die Fachhochschulen. Aber wir müssen auch einmal über die Kunsthochschulen reden, denn die sind da völlig raus. Die haben von diesem Programm überhaupt nichts, das Sie da auflegen.

Ich will es klar sagen: Wir halten die Förderung von unabhängiger Forschung für dringend notwendig. Das LOEWE-Programm aber ist ein weiterer Beitrag zur Verdrittmittelung der Hochschulen. Meine Damen und Herren, das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Verdrittmittelung führt zu negativen Folgen – beispielsweise dazu, dass Forschung und Lehre immer weiter auseinanderdriften und nicht mehr als Einheit begriffen werden. Sie führt dazu, dass es eine wachsende Abhängigkeit der Hochschulen von externen Geldgebern gibt.

Ich möchte Herrn Müller nochmals ansprechen, angesichts der „guten Arbeitsbedingungen“, die Sie an den Hochschulen sehen, der „guten Arbeitsplätze“: Ja, vor allem sind es doch die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsplätze, die qualitativ immer schlechter werden, gerade durch die Drittmittelprojekte. Ich will Ihnen nur zwei Zahlen nennen. Mittlerweile sind an den Hochschulen im Mittelbau nur 10 % der Stellen unbefristet. Bei den Drittmittelprojekten sind es sogar nur 3 %.

Das heißt, die ohnehin schon schlechte Situation wird in den Drittmittelprojekten noch schlechter. Herr Büger, warum reden Sie davon, dass es hier „dauerhafte Strukturen“ gebe? Genau das ist doch das Problem: dass das keine dauerhaften Strukturen sind.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Doch!)

Es sind immer kurzfristige Projekte.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Problem ist doch, dass viele junge Akademiker jetzt in die Situation geraten, dass sie Mitte oder Ende 30 sind, eine lange Ausbildung hinter sich und einen Job im Mittelbau haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Herr Müller, wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist, dass Sie nicht wissen, wovon Sie reden.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Es gab eine gute Tagung der GEW, genau zu diesem Thema. Die GEW Hessen hat zu diesem Thema Mittelbau an den Hochschulen/Arbeitsbedingungen eingeladen. Herr Müller, dort waren die hochschulpolitischen Sprecher aller fünf Fraktionen im Hessischen Landtag eingeladen. Es waren auch alle anwesend – bis auf Sie, Herr Müller. Sie sind nicht gekommen und haben auch keine Vertretung geschickt. Das heißt, die CDU Hessen war nicht einmal anwesend, als die Menschen aus dem Mittelbau über ihre Sorgen gesprochen haben.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Deshalb glaube ich wirklich, Sie wissen nicht genau, worüber Sie hier reden, Herr Müller.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Die Welt hat fünf Milliarden Menschen – und ausgerechnet Sie sprechen hier! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber nicht persönlich werden! – Weitere Zurufe)

Herr Müller, ich würde es ein Glück für Sie nennen, aber – –

(Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, bleiben Sie doch bitte etwas charmanter. – Frau Kollegin Wissler, Sie haben das Wort.

(Clemens Reif (CDU): Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihrem Abiturkleid! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Jetzt ist es aber gut!)

Ich soll charmanter bleiben? – Ach so, ich dachte schon. Okay. Ich verhalte mich schon ziemlich charmant, aber – –

Lassen Sie mich noch etwas zu dieser GEW-Tagung sagen. Dort wurde klar, dass wir jetzt die Situation haben: Wir haben hoch qualifizierte Menschen, die aber nach einer langen Ausbildungszeit mit Mitte, Ende 30 immer noch nicht wissen, wie sie in fünf Jahren leben werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Matthias Büger (FDP))

Wir haben das Problem, dass diese Menschen überhaupt keine Planungsmöglichkeiten haben. Sie können keine Familien gründen. Sie können nicht einmal einen Kredit aufnehmen. Sie können kein Wohneigentum oder sonst etwas erwerben. Ihre gesamte Lebenssituation ist völlig unplanbar. Deshalb ist meine Befürchtung: Wenn das so weitergeht und die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen nicht besser werden, nicht langfristiger, dann wird es dazu kommen, dass eine ganze Generation junger Wissenschaftler den Hochschulen verloren gehen wird. Die werden dann zwangsläufig irgendwo anders hingehen – vorausgesetzt, es gibt eine Möglichkeit, wohin sie gehen können. Die werden nicht an den Hochschulen bleiben.

Wer also schlechte Arbeitsbedingungen an den Hochschulen fördert, der nimmt es in Kauf, dass viele gute Wissenschaftler nicht an den Hochschulen bleiben, sondern irgendwo anders hingehen. Das würde ich für völlig verantwortungslos halten, gerade auch angesichts dessen, dass diese Menschen in Hessen studiert haben, in Hessen ihre Abschlüsse gemacht haben und eigentlich an der Hochschule bleiben wollen, um dort weiter Forschung und Lehre zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, wenn LOEWE wirklich so erfolgreich ist, dann frage ich mich schon, warum Sie im nächsten Jahr 500.000 € – immerhin eine halbe Million – für eine Kampagne für LOEWE ausgeben wollen. Ich habe es gestern schon gesagt: Die Hochschulen brauchen in dieser Situation sicher keine Werbetafeln, keine Hochglanzbroschüren – in denen sich am Ende nur die Landesregierung darstellt und den Wahlkampf für das Jahr 2013 vorbereitet. Dieses Geld wäre woanders viel besser eingesetzt. Was Sie da machen, ist so nicht gedacht. Sie müssten dieses Geld einsetzen, um wirkliche Probleme zu lösen, und nicht, um hier vorzutäuschen, an den hessischen Hochschulen sähe alles ganz super aus – obwohl es in der Realität ganz anders ist.

Da kann ich mich nur dem Tipp der Kollegin Sorge anschließen: Frau Ministerin, gehen Sie an eine hessische Hochschule. Besuchen Sie ein Studierendenwohnheim. Schauen Sie sich das einmal an. Und wenn Sie schon da sind, dann dürfen Sie natürlich auch nicht wegrennen, sobald es an den Hochschulen ein bisschen brenzlig, ein bisschen unangenehm wird. Diese Debatte müssen Sie auch einmal aushalten und dürfen nicht sofort die Flucht ergreifen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, Forschung und Lehre gehören zusammen. Das eine darf nicht auf Kosten des anderen gehen. Wir wollen das gerade nicht gegeneinander ausspielen. Deswegen muss es auch ausfinanziert sein.

Für meine Fraktion will ich aber auch anmerken, dass wir im Hochschulbereich Wettbewerb nicht für zielführend halten.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Ach!)

Wir halten es nicht für zielführend, wenn Hochschulen in Hessen miteinander um Drittmittel konkurrieren – in Hessen konkurrieren sie auch um staatliche Mittel miteinander. So kommen wir nicht zu einer regional ausgewogenen Hochschulfinanzierung. Am Ende verlieren die Fachhochschulen, aber auch die Hochschulen in den strukturschwachen Gebieten. Deshalb wollen wir eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung, die nach politischen Zielsetzungen funktioniert und nicht der Drittmitteleinwerbung bei der Wirtschaft und bei anderen Drittmittelgebern unterworfen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, heute ist der Protesttag für gute Bildung, unter dem Motto „Occupy University“. Wir brauchen gute Bildung für alle. Deshalb unterstützen wir diese Proteste. Sie weisen völlig zu Recht auf Probleme hin, die wir derzeit nicht nur an den hessischen Hochschulen, sondern auch an den Schulen in Hessen haben. Wir wollen gute Bildung für alle und nicht immer neue Sondertöpfchen für die vermeintliche Elite. Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessen zählt zu den wirtschaftlich und wissenschaftlich stärksten Regionen Deutschlands. Das wollen wir auch bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das geht aber nur, wenn man Investitionen in die richtigen Dinge tätigt, nämlich in die Forschung, in den Wissens- und Technologietransfer. Nach der gestrigen Haushaltsdebatte kann man sagen: Das ist gelungen. Dafür habe ich auch die Koalitionsfraktionen sehr gelobt: dass der Wissenschaftshaushalt um mindestens 72 Millionen € angestiegen ist; mit den Änderungsanträgen sind es sogar mehr. Damit wurde mit Zahlen der Beweis angetreten, dass das Land durch Wissenschaft und Innovation vorangebracht wird. Meine Damen und Herren, das ist der hessische Weg, den wir gehen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Investitionen in die Forschung bieten verlässliche Rahmenbedingungen. Es war eine gute Entscheidung, im Jahr 2008 ein solches Programm LOEWE aufzulegen. Selbst Frau Kollegin Sorge hat nicht bestritten, dass diese Entscheidung gut war. Daran zeigt sich: An LOEWE ist so gut wie nichts zu kritisieren.

Wenn wir schon darüber reden, wie erfolgreich dieses Programm ist, dann muss man auch beschreiben, welche Effekte außerhalb der Wissenschaft erzielt worden sind, die nicht so offensichtlich waren, als dieses Programm eingerichtet wurde, die aber jetzt immer deutlicher zutage treten.

Da wir immer von „LOEWE“ reden, will ich doch einmal den ausführlichen Namen nennen: Das ist die Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz. Darum geht es.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau: Exzellenz!)

LOEWE war und ist in allen Bundesländern bis heute einzigartig. Das Finanzvolumen kann sich sehen lassen: Bis zum Jahr 2013 werden 410 Millionen € in herausragende wissenschaftliche Verbundvorhaben investiert.

Jetzt ist die Frage: Was kann LOEWE eigentlich? Was soll LOEWE sein?

Stichwort: Vernetzung und Wettbewerb. Das sind die großen Ziele, die durch LOEWE erreicht werden sollen. Es geht um die größeren extern finanzierten Verbundprojekte, an denen kleinere Einheiten gar nicht teilnehmen können. LOEWE sollte auch dafür den Boden bereiten, um diese Antragstellungen zu gewährleisten.

Wir haben in den LOEWE-Programmen mehrere Förderlinien. Da gibt es zunächst einmal die LOEWE-Zentren. Dabei handelt es sich um thematisch fokussierte Forschungsverbünde zwischen den Universitäten, den Fachhochschulen, den außeruniversitären Forschungseinrich

tungen in Hessen und anderen Partnern. Wer Ihnen gesagt hat, es würden davon nur einige profitieren, der liegt falsch. Auch die Fachhochschulen haben am LOEWEProgramm massiv partizipiert, aber nicht nur sie. Darauf komme ich gleich. Frau Kollegin Wissler, die regionale Zuständigkeit ist so, dass an über 80 Standorten in Hessen LOEWE-Projekte sind. Bei 80 Projekten kann man wirklich nicht davon reden, dass dieses Programm nur an Universtitätsstandorten stattgefunden hat.