Meine Damen und Herren, mit dem Unterbringungsgesetz wird eine Tätergruppe über den Begriff der „psychischen Störung“ eingesperrt, die nach den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes in Freiheit zu belassen ist. Es handelt sich um eine neue, zusätzliche Form der Freiheitsentziehung, und wir müssen uns fragen, wieso in die Freiheit zu entlassende und auch schon in Freiheit befindliche Menschen nachträglich psychiatrisiert werden.
In der Anhörung ist noch einmal sehr deutlich geworden, mit welcher Problematik diese Instrumentalisierung des Begriffs der psychischen Störung einhergeht. Meine Damen und Herren, so wird kein Problem gelöst, sondern auf Richter und Sachverständige abgewälzt. Statt eines effektiven Opferschutzes, den wir brauchen – das sagen auch wir LINKE, aber der sieht ganz anders aus –, wird weggesperrt, und das auch noch auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage. Mit den Gesetzen zur Therapieunterbringung gefährden Bundes- und Landesgesetzgeber leichtfertig ein weiteres Stück Rechtsstaat. Wir werden auch das Hessische Ausführungsgesetz ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wilken, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie haben mit diesem Wortbeitrag wieder einmal deutlich gemacht, dass Sie keine Verantwortung in diesem Land übernehmen können.
Sie propagieren auf der einen Seite einen effektiven Opferschutz, sagen aber auf der anderen Seite nicht, wie wir mit Anträgen nach dem ThUG umgehen, die vielleicht kommen werden. Wir waren in Kassel und haben uns berichten lassen, dass in unmittelbarer Zukunft dort von dem Anstaltsleiter ein Antrag gestellt wird. Auch die SPD-Landtagsfraktion hat es sich mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf beileibe nicht leicht gemacht. Es
bleibt abzuwarten, ob das ThUG letztendlich einer Verfassungskontrolle standhält, da dieses ausdrücklich nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 war. Aber ich darf hier Winfried Hassemer aus dem Buch „Freiheitliches Strafrecht“ zitieren. Ich kann mich diesen Ausführungen von ihm nicht anschließen.
Das Strafrecht wandelt sich von einem Reservoir angemessener Antworten auf das Verbrechen zur Quelle präventiver Risikobeherrschung.
Das mag sein. Aber diese Zustandsbeschreibung hilft uns an dieser Stelle auch nicht weiter. Ich denke, dass das ThUG selbst unter sehr engen Tatbestandsvoraussetzungen – nämlich psychische Störung im Zusammenhang mit einer vorliegenden Straftat, erhebliche Gefährlichkeit und Gefahr für die Bevölkerung – versucht, ein Problem einzugrenzen, dem wir uns eben stellen müssen. In einer Gesamtschau gebietet es die Schutzpflicht des Staates, Bürger vor besonders gefährlichen Mitmenschen zu schützen. Dieser Verantwortung werden wir, letztendlich auch – das will ich frei einräumen – mit großen Bauchschmerzen, mit diesem Gesetz gerecht.
Ich bin froh, dass nach der Frage der Zuständigkeiten, die sich das Justiz- und das Sozialministerium wie ein Ball zugespielt haben, die Vitos GmbH unter der Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes unter bestimmten restriktiven Voraussetzungen sich dieser Aufgabe auch annehmen wird. Es ist eine schwierige Aufgabe, auf der einen Seite das Abstandsgebot, aber auch die schwierigen inhaltlichen therapeutischen Angebote dort zu realisieren.
Ein Aspekt, der zu Recht etwa vom Städte- und Gemeindebund und vom Städtetag in der Anhörung herausgearbeitet worden ist, ist die Frage der Konnexität, ist die Frage, ob der Gemeindevorstand wirklich die richtige Zuständigkeit ist. Meine Damen und Herren, aber das haben wir nicht mehr zu entscheiden. Das ist bundesgesetzlich geregelt. Im Zweifel ist es so, dass der Anstaltsleiter der JVA antragsberechtigt ist, in der sich der Sicherungsverwahrte befindet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf werden viele schwierige verfassungsrechtliche, rechtliche und sozialwissenschaftliche Fragen aufgeworfen. Als Landesgesetzgeber begeben wir uns auf neues, unsicheres Terrain. Aber wir alle hier im Hause hoffen, dass wir mit diesem Gesetz im Falle einer notwendigen Unterbringung die Bevölkerung so schützen können, wie sie zu schützen ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute erneut mit einer Fragestellung, mit der sich wahrscheinlich die meisten der Kollegen lieber nicht beschäftigen würden, vielleicht mit Ausnahme von dem Kollegen Rentsch, dem neuen selbst ernannten Fachmann für dissoziale Persönlichkeitsstörungen.
Aber wir müssen uns damit beschäftigen. Wir können dem nicht aus dem Wege gehen. Das Therapieunterbringungsgesetz des Bundes ist – das kann man durchaus sagen, und da stimme ich vielem zu, was Herr Dr. Wilken gesagt hat – durchaus missglückt. Das haben uns übrigens auch die Sachverständigen bestätigt, die wir in der Anhörung hatten. Und sie waren gleichzeitig nahezu voll des Mitleids, dass wir als hessische Landtagsabgeordnete gezwungen sind, ein solches Gesetz umzusetzen. Aber das sind wir nun mal.
Wir haben nicht zu beurteilen, ob dieses Gesetz gut, richtig oder sonst irgendetwas ist. Es hat den Weg in das Bundesgesetzblatt gefunden und ist damit geltendes Recht. Ob wir es wollen oder nicht, wir müssen es umsetzen. Für meine Fraktion war ein Aspekt von entscheidender Bedeutung – das räume ich ein –, dem sich eine Opposition, die anstrebt, in die Regierung zu kommen, immer stellen muss. Herr Wilken, das ist eine Fragestellung, die Sie wahrscheinlich nicht interessiert, seit Sie im Laufe des letzten Jahres aus der letzten Regierung, an der Sie noch beteiligt waren, abgewählt wurden.
Aber wir müssen uns dem stellen, weil wir schon in die Regierung streben. Deswegen haben wir uns natürlich gefragt, wie wir uns eigentlich entschieden hätten, wenn wir jetzt aktuell an Regierung und Landtagsmehrheit beteiligt wären. Das Ergebnis ist relativ eindeutig. Auch wir hätten es nicht wesentlich anders machen können. Auch wir wären nicht aus Begeisterung, sondern weil wir gezwungen sind, das Bundesrecht umzusetzen, gezwungen gewesen, ein solches Gesetz zu erlassen. Deswegen werden wir heute auch zustimmen.
Es ist nicht in unserer Hand, zu entscheiden, ob das ThUG tatsächlich gegen die Verfassung verstößt. Wir haben nicht zu entscheiden, ob es gegen die Menschenrechtskonvention verstößt; das hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof zu entscheiden. Wir haben auch nicht zu entscheiden, ob es mangels Genauigkeit nicht angewandt werden kann. Und wir haben schon gar nicht zu entscheiden, ob in einem Einzelfall seine Voraussetzungen vorliegen und deswegen ein Gericht eine Einweisung eines Insassen beschließt.
Aber wenn ein Gericht zu diesem Ergebnis kommen sollte, es ist alles in Ordnung mit dem ThUG, und ein betreffender Täter eingewiesen wird, dann müssen wir eine Einrichtung vorhalten. Wir müssen die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, sonst sind wir dafür verantwortlich, dass ein Beschluss eines unabhängigen Gerichts nicht umgesetzt werden kann, und das kann nicht sein. Deswegen müssen wir – nicht aus Begeisterung, sondern weil wir, der Not gehorchend, die Notwendigkeit sehen – dem zustimmen.
Wir vermeiden mit der geplanten Einrichtung in Gießen – das „feste Haus“ auf dem weitläufigen Gelände der psychiatrischen Kliniken, es soll ja in eine entsprechende Einrichtung umgestaltet werden – auch das Problem, das andere Bundesländer haben. Wir werden nicht Personal neu einstellen müssen, sondern der benachbarte Maßregelvollzug wird festlegen, welche Ärzte, welche Therapeuten, welches Pflegepersonal im Falle eines Falles zur Verfügung stehen, um dort einspringen zu können, wenn tatsächlich ein Insasse kommt. Wir haben also zunächst kei
nen weiteren Personalaufwand, sind aber gewappnet, falls der Fall eintritt, den niemand von uns gern haben möchte, dass nämlich tatsächlich ein solcher Insasse kommt. Ich hoffe, wie wahrscheinlich die meisten von uns, dass dieser Fall niemals eintreten wird. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das diesem Gesetz zugrunde liegt – das ist schon in den Vorreden angeklungen –, ist ein sehr breites und eines, das man sicherlich stundenlang aus sozialwissenschaftlicher, verfassungsrechtlicher und wahrscheinlich auch philosophischer Sicht diskutieren könnte. Aber ich bin meinen Vorrednern sehr dankbar, dass sie sich auf das Wesentliche konzentriert haben. Alle diese auch schwierigen Fragen haben wir – Sie haben es ausgeführt – nicht zu entscheiden.
Denn wir beraten hier lediglich über das Ausführungsgesetz zu einem Gesetz, zu dem die wesentlichen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden. Wir besprechen hier sozusagen lediglich die technische Umsetzung dessen, was auf Bundesebene ausgearbeitet wurde und zu dessen Umsetzung wir verpflichtet sind. Deswegen möchte ich es auch ganz kurz halten.
Die Anzuhörenden haben sich dankenswerterweise, auch dank der kundigen Führung der beiden Ausschussvorsitzenden, darauf beschränkt, zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, und haben nicht das – ich sage es salopp – große Fass aufgemacht, das man als Psychologe hätte aufmachen können, was die Grenzen der Strafbarkeit und der Therapierbarkeit sind. Denn darum geht es hier nicht.
Ich ziehe einen Strich darunter. Wir haben hier ein Problem: Es könnte passieren, dass wir keine Rechtsgrundlage haben, falls ein Antrag von einer Gemeinde kommt, dass ein Täter aus diesem Personenkreis auftaucht und man ihn irgendwie unterbringen muss, um die Bevölkerung vor diesem Täter zu schützen. Das regelt jetzt dieser Gesetzentwurf. Er schafft eine gesetzliche Grundlage dafür.
Der Änderungsantrag, der von den beiden Regierungsfraktionen eingebracht wurde, beseitigt ein redaktionelles Versehen in diesem Gesetzentwurf. Insofern wird das Gesetz dafür sorgen, dass wir Rechtssicherheit, dass wir eine gesetzliche Grundlage haben, um mit dem Fall der Fälle, der hoffentlich nicht eintreten möge, umgehen zu können. Ich denke, das ist das, was wir als Botschaft, als Signal aussenden sollten: Wir haben Rechtssicherheit. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf selbstverständlich zustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte in drei Minuten drei Gedanken vortragen. Erstens. Die Entstehung und die Zielsetzung des Gesetzentwurfs wurden hier bereits in der ersten Lesung vorgetragen. Es geht darum, die Bevölkerung vor Straftätern zu schützen, die ihre Strafe zwar verbüßt haben, die aber nach den Prognosen und Gutachten dazu neigen, Wiederholungen vorzunehmen. Hier geht es meist um Tötungs- oder Missbrauchsdelikte.
Zweitens. Wir müssen verhindern, dass die örtliche Polizei entlassene Straftäter dieser Art rund um die Uhr bewachen müsste und damit die Polizei lahmgelegt würde.
Drittens. Wir müssen natürlich beachten, was uns vorgegeben worden ist durch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts sowie durch die Bundesgesetzgebung.
Im Rahmen des bisherigen Verfahrens und der Anhörung möchte ich in dreifacher Hinsicht einen Dank aussprechen, erstens der Landesregierung, dass sie dieses Hessische Ausführungsgesetz hier sehr schnell vorgelegt hat. Denn es kann jeden Tag passieren, dass eine Person freigelassen wird und dann eine Unterbringung bereitgestellt werden muss.
Zweitens möchte ich den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen danken, dass sie dafür gesorgt haben, dass ein sehr zügiges Verfahren im Landtag stattfinden kann.
Drittens möchte ich nicht zuletzt dem Landeswohlfahrtsverband, der Vitos-Klinik, danken, dass sie sich bereit erklärt haben, diese nicht ganz einfache und nicht gerade sehr attraktive Aufgabe umzusetzen.
Letzter Gedanke. Dies verpflichtet uns, die Befristung dieses Gesetzes so vorzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass eine Nachfolgeeinrichtung zur Therapieunterbringung, in Schwalmstadt geplant, auch so rechtzeitig umgesetzt werden kann, dass dort die Therapieunterbringung ab 2014 stattfinden kann. – Recht herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke ausdrücklich den Regierungsfraktionen, dass sie auf der Grundlage von Formulierungshilfen der Landesregierung den Gesetzentwurf eingebracht haben. Ich danke ausdrücklich den Fraktionen des Hessischen Landtags, dass es eine sehr schnelle, aber trotzdem intensive Beratung gegeben hat.
Die Anhörung, die unter einem entsprechenden Zeitdruck durchgeführt worden ist, hat noch einmal auf der einen Seite die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen
Dieser Problematik waren wir uns bewusst. Deswegen hat es auch sehr lange – das haben Kollege Hahn und ich auch nie bestritten – und intensive Gespräche innerhalb der Landesregierung gegeben, wie mit der Fragestellung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum ThUG umgegangen werden kann. Ich glaube, wir haben eine gute Lösung gefunden, die mit diesem Gesetzentwurf nun auch vorliegt. Dass die Fraktionen an dieser Stelle ihre Verantwortung erkannt und sehr schnell, aber trotzdem gründlich die Beratungen durchgeführt haben, freut mich. Deshalb ein herzliches Dankeschön. Die Landesregierung begrüßt, wenn dieser Gesetzentwurf heute die Zustimmung des Landtags erfährt.