Protocol of the Session on November 17, 2011

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich kann spitzer wissen, das wissen Sie doch. – Wir werden diesen Antrag nachher auch durchaus nicht ablehnen, sondern wir werden uns enthalten, weil da viel Gutes gelaufen ist.

Die zweite Frage, über die Sie nachdenken müssen: Ist Ihr Konzept wirklich so klug? Ich finde es schon ganz faszi

nierend, Herr Kollege Müller, wenn Sie sagen, das sei das Gegenteil von Humboldt.

(Beifall bei der SPD)

Das ist im Kern der Abschied von einer Wissenschaft, die Theorie und Praxis, die Forschung und Lehre, die eine allgemein breite Aufstellung bietet. Humboldt ist eben nicht der Elfenbeinturm. Da würde ich Ihnen empfehlen, ein bisschen über Humboldt nachzulesen. Humboldt ist etwas ganz anderes.

(Beifall bei der SPD)

Wer heute Abschied von Humboldt nimmt, der sagt: Wir orientieren Wissenschafts- und Forschungspolitik sehr viel stärker an den Interessen der Menschen, die hinterher damit Geld verdienen wollen, als an den Interessen der Menschen, die neugierig sind, Wissen sammeln wollen und dieses Wissen nachher in ökonomische Zusammenhänge umsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Unterschied, über den Sie vielleicht noch einmal nachdenken wollen. Das ist etwas Neues. Ich höre das zum ersten Mal von einem CDU-Politiker. Die Debatte darüber sollten Sie vielleicht noch einmal führen; denn ich glaube nicht, dass Sie das auf Dauer durchhalten können.

(Zuruf von der SPD)

Der dritte Punkt ist die Frage, ob Ihre Wettbewerbsstruktur eigentlich nur Gutes bringt. Die Frage ist doch: Was für ein Ziel haben Sie damit? Haben Sie das Ziel, den Durchschnitt stärker zu machen? Haben Sie das Ziel, nur die Starken stärker zu machen? Oder haben Sie das Ziel, den Durchschnitt insgesamt dadurch zu heben, dass Sie diejenigen, die in dem Bereich schwächer sind, stärken? – Was Sie erreichen, kann ich Ihnen sagen: Es ist im Prinzip eine Variante von „Der Teufel scheißt das Geld auf den größten Haufen“. Wenn Sie sich die Konstellation und die Verteilung der LOEWE-Projekte ansehen, werden Sie feststellen, dass diejenigen, die gut waren, jetzt zusätzliches Geld haben, um das, was sie haben, auszubauen. Das ist eine mögliche Strategie.

Ob diese Strategie aber in einem Bundesland, das über eine solch vielfältige Forschungslandschaft verfügt und das bestimmte Bereiche an mehreren Universitäten mit ganz unterschiedlichen Akzenten betreibt, eine zielführende ist oder ob wir nicht die Stärke, die wir in Hessen haben – dass wir z. B. bei der Nanotechnologie an drei Hochschulen im Prinzip Forschungsschwerpunkte haben –, gemeinsam stärken können – dass wir an dieser Stelle auf dem richtigen Pfad sind, daran haben ich meine Zweifel. Auch hier würde ich vorschlagen, noch einmal nachzudenken.

(Beifall bei der SPD)

Der vierte Punkt. Der berühmte Politiker Talleyrand ist berüchtigt für sein Zitat – dieses führt seine Zitatensammlung an –: „Hochverrat ist eine Frage des Datums.“ Dass Sie LOEWE die ganze Zeit loben, haben wir gut verstanden. Dass Sie heute aber, in der Situation, in der wir leben, LOEWE zum Mittelpunkt Ihrer hochschulpolitischen Debatte machen, finde ich hochinteressant.

Wir haben eine Situation in Deutschland – das ist nicht hessenspezifisch –, dass wir in der Tat eine Steigerung von Ausgaben an den Hochschulen haben, wir uns aber plötzlich einem Ungleichgewicht gegenüber sehen, weswegen in der Zeit, in der die Studierendenzahlen deutschland

weit gigantisch steigen, sich die Ausgabensteigerung nicht etwa darauf konzentriert, die Zahl der Studierenden abzufedern – das ist kein allein hessisches Problem, das haben andere Bundesländer auch –, sondern sich die Ausgabensteigerung im Wesentlichen auf Forschung konzentriert. An dieser Stelle haben Sie für Ihre Debatte das falsche Datum gewählt. LOEWE war gut, aber was wir heute brauchen, ist etwas anderes: Heute brauchen wir eine Chance für die hoch gebildeten, gut ausgebildeten Abiturienten und andere, auch an den Hochschulen studieren zu können, damit der wissenschaftliche Nachwuchs gestärkt wird. In dieser Frage treffen Sie die falschen Entscheidungen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was ich übrigens auch ausdrücklich positiv bewerten will, ist Ihr Punkt 5. Sie korrigieren endlich das, was wir als Sozialdemokraten seit vier Jahren beklagen – ich war Sprecher für diesen Bereich –, nämlich die Frage, wie hierbei eigentlich die Fachhochschulen eingebunden werden. Sie haben endlich verstanden, dass wir in Hessen eben nicht nur an den großen Universitäten Forschung haben, die in solche Bereiche fällt. Sie haben auch verstanden, dass Sie das LOEWE-Programm für die Fachhochschulen öffnen müssen, weil Sie dort eine ganze Menge qualifizierter, praxisnaher Forschung haben. Das finde ich ausdrücklich gut.

Ich komme zum letzten Punkt. Die Kollegen – Sarah Sorge und andere – haben es in der Haushaltsdebatte schon gesagt. Das ist die Frage: Was machen Sie denn mit diesem Werbeprogramm? Dieser Antrag ist sozusagen ein Teil. Sie haben im Haushalt noch relativ viel Geld für Werbung eingestellt. Der spannende Punkt ist für mich nicht, dass Sie das in Ihrem Ministeriumshaushalt einstellen. Der spannende Punkt war das Gespräch mit vielen Menschen von Hochschulen und Fachhochschulen, die mir sagen: Nein, das ist nicht das ganze Geld, sondern die Idee ist, dass alle, die LOEWE-Projekte haben, sich auch finanziell an einer großen Kampagne für die Propagierung von LOEWE beteiligen.

(Zuruf von der SPD: Das ist ein unglaublicher Vor- gang!)

Meine Damen und Herren, an der Stelle sage ich: Wenn Sie das wirklich durchziehen, ist das Wahlkampf aus Forschungsmitteln. Das halte ich allerdings nicht für akzeptabel.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Das ist doch lächerlich!)

Sie haben gut angefangen. Sie sind mit Ihren Lobeshymnen nicht mehr in der richtigen Zeit. Und wenn diese letzte Information richtig ist, sind Sie auf einem schiefen Pfad, von dem Sie schleunigst Abstand nehmen sollten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Man kann auch alles kaputt reden!)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. Herr Kollege, Sie hatten da eine Formulierung mit dem Teufel usw. – das erschien uns nicht ganz parlamentarisch. Wenn Sie das als Zitat belegen und hier nachweisen können, können wir das anders sehen. Aber ansonsten streichen wir es erst einmal.

(Zuruf von der SPD: Die Quelle ist der Volks- mund!)

Ja, ja. Wir streichen es also erst einmal, und dann sehen wir weiter. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Sorge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Guten Morgen, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fange auch einmal mit einem Lob an. Es ist durchaus so, dass es in Zeiten der Hochphase der Exzellenzinitiative auf Bundesebene eine gute Entscheidung für Hessen war, ein solches Forschungsprogramm aufzulegen, weil wir gemerkt haben, dass Hessen in diesem Bereich nicht ganz mit den Bundesländern mithalten kann, mit denen wir eigentlich immer den Schulterschluss gesucht haben, vor allem Bayern und Baden-Württemberg. Deswegen war das LOEWE-Programm erst einmal ein gutes Programm. Dieses Lob möchte ich hier auch durchaus sehr deutlich aussprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings müssen wir einmal schauen, wie sich die Wissenschaftslandschaft seit der Exzellenzinitiative weiterentwickelt hat und was für Probleme wir haben. Dazu will ich sagen, dass LOEWE das eine ist. Was ich mir aber wünschen würde, wäre eine Löwin, eine Wissenschaftsministerin, die für die Wissenschaft kämpft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die erste Anmerkung ist, dass sich die Wissenschaftsministerin mit einem Setzpunkt ihrer Fraktion für ein Programm feiern lassen muss, das von ihrem Vorvorgänger stammt. Das zeigt schon, dass sie selbst nicht findet, dass sie in ihrer Regierungsperiode bis jetzt irgendetwas in diesem Bereich vorzuweisen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist – Herr Kollege Grumbach hat es angesprochen –, dass wir heute einen bundesweiten Protesttag für bessere Bildung haben. Sich ausgerechnet an einem solchen Protesttag hierhin zu stellen und für das Forschungsprogramm zu werben, anstatt sich über die Situation an den Hochschulen, die Studienbedingungen und die vollen Hörsäle Gedanken zu machen – auch das ist leider bezeichnend für diese Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünschte mir eine Ministerin, die sich die Situation an den Hochschulen anschaut, genau analysiert, in welche Richtung sich die Hochschulen entwickeln, und die Antworten darauf findet, wie sie falsche Entwicklungen wieder in die richtige Richtung leiten kann und demzufolge die Hochschulen nach vorne bringt.

Schauen wir uns einmal an, was die Exzellenzinitiative auf Bundesebene gebracht hat – aus meiner Sicht viel Positives. Wir können gern daran erinnern, dass es eine Initiative war, die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung in Gang gekommen ist und gegen die sich der damalige Ministerpräsident Roland Koch sehr laut mit Händen und Füßen gewehrt hat.

Meine Damen und Herren, aber die Exzellenzinitiative führt zum einen im Positiven dazu, dass der Fokus auf dem Wissenschaftsbereich liegt, dass der Fokus der Gesellschaft und auch der politische Fokus auf die Situation an den Hochschulen gerichtet sind und dass der Fokus end

lich darauf liegt, dass wir es uns nicht leisten können, diesen Bereich weiterhin unterzufinanzieren. Das ist das Positive an dieser Exzellenzinitiative.

Das Negative ist, dass sich die Wissenschaftspolitik auf Bundesebene und zunehmend auch in den Ländern auf Exzellenz- und auf Projektförderung konzentriert. Das hat negative Auswirkungen auf die Hochschulen, die ich Ihnen kurz skizzieren möchte.

Das LOEWE-Programm führt dazu, dass begrenzt Forschungsschwerpunkte finanziert werden. Diese Forschungsschwerpunkte sind zum Teil Verbünde mehrerer Hochschulen oder auch außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Herr Dr. Müller hat die ganze Zeit von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen gesprochen. Das ist nicht der Fall.

Es führt im Gegenteil dazu, dass das meist befristete Projekte sind, dass wir über die Projektförderung von LOEWE, der Exzellenzinitiative, von anderen Drittmittelgebern wie der DFG an den Hochschulen so weit sind, dass der gesamte wissenschaftliche Mittelbau nur noch zeitlich befristet, und zwar in immer kürzeren Befristungsphasen, arbeiten kann, da er absolut unterfinanziert ist. Ich glaube, das ist etwas, was wir uns als Gesellschaft, die auf dieses Know-how angewiesen ist, wirklich nicht leisten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meiner Ansicht nach ist es im Gegenteil wichtig, hier genau hinzuschauen. Ich will mich jetzt nicht auf Prozentzahlen festlegen. Aber alle, die sich in diesem Bereich auskennen, sagen, die Forschungsleistungen unseres Landes kommen zu einem sehr hohen Prozentsatz aus dem Mittelbau. Was ist denn das für eine Welt, was ist denn das für eine Wissenschaftslandschaft, in der diejenigen, die die neuen Ideen bringen, die genau diese LOEWE-Projekte nach vorne bringen, in kurzzeitig befristeten, unterfinanzierten Beschäftigungsverhältnissen stehen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur so, dass LOEWE ein Instrument ist, das zusätzlich zu den anderen Instrumenten in diese Richtung lenkt, sondern sich auch der Rest der Wissenschaftspolitik der Ministerin in diese Richtung entwickelt hat, obwohl sie sich meiner Meinung nach eher wie eine Löwin auf und nicht gegen die Hochschulen richten sollte. Wir schauen uns einmal an, wie sich die Hochschulfinanzierung entwickelt hat.

Wir haben nicht nur die Kürzung der 30 Millionen € im Hochschulpakt, sondern weitere 20 Millionen € gehabt, die von der Grundfinanzierung in Erfolgsbudgets gezogen wurden. Das bedeutet weitere 20 Millionen €, die im Wesentlichen für Projektförderung, für Exzellenz, für Forschungsleistung ausgegeben werden. Das ist die große Kritik an LOEWE. Wir haben nichts gegen LOEWE. Aber wenn LOEWE dazu führt, dass die Gelder, die eigentlich für die Grundausbildung an den Hochschulen, für die Grundforschung an den Hochschulen nötig wären, alle aus den Hochschulen herausgezogen werden, dann ist dies wissenschaftlich absolut der falsche Weg, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, es ist so, dass zurzeit an den Hochschulen genau diese Wirkungen sehr breit diskutiert

werden, da sich die Hochschulen selbst, die Hochschulleitungen, aber auch der Mittelbau und die Studierenden überlegen, welche Entwicklungen wir an den Hochschulen brauchen und in welche Richtung wir gehen müssen. Jetzt kommt die Wissenschaftsministerin und hat endlich eingesehen, dass wir eine landesweit abgestimmte Wissenschaftsplanung brauchen.