Deswegen wollen wir Aufklärung, Herr Ministerpräsident: Welche Rolle haben Sie damals gespielt? Was waren die Informationen? – Wir werden, es bleibt dabei, alle Möglichkeiten finden, dass Sie zu diesem Thema Aussagen machen können. Ein Wegtauchen wird es bei dem Thema nicht geben. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache zum Einzelplan 02 fort. Das Wort hat Herr Abg. Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich in die Haushaltsdebatte einsteige, will ich noch ein Wort zu dem sagen, was seit letztem Freitag ans Licht gekommen ist; denn was seit letztem Freitag ans Licht gekommen ist, ist ungeheuerlich.
Wir haben es bei dieser Mordserie mit der schlimmsten rassistischen Mordserie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu tun.
Ich will vielleicht noch einmal sagen, dass ich glaube, dass wir darauf nicht parteipolitisch reagieren sollten. Zuallererst einmal sollten wir uns auch in diesem Landtag darüber klar sein, dass es momentan bei vielen zugewanderten Menschen in dieser Republik eine Verunsicherung gibt. Es stellt sich nicht nur die Frage, wieso so etwas geschehen konnte und nicht früher aufgedeckt wurde. Es geht jetzt auch um die Frage, wie der Staat darauf reagiert, dass Neonazis kaltblütig mordend durch die Gegend ziehen und insgesamt zehn Menschen erschießen.
Ich glaube, dass wir auch den Opfern im wahrsten Sinne des Wortes Namen geben müssen. Diese Opferserie fing mit Enver Simsek an, der übrigens aus Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis stammte und dessen Familie dort noch lebt, und sie endete mit Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Das vorletzte Opfer war Halit Yozgat aus Kassel.
Jenseits der Frage der Aufklärung, die mich ganz persönlich interessiert, so wie sie hier alle interessiert, muss ich Ihnen diesen Satz aber schon sagen, Herr Ministerpräsident: Wenn mir 2006 einer gesagt hätte, dass bei irgendjemandem zu Hause Auszüge aus „Mein Kampf“ gefunden wurden und er in seinem Dorf als „kleiner Adolf“ bezeichnet wurde, dann können Sie sicher sein, dass ich die Frage gestellt hätte, was der Mann eigentlich beim Verfassungsschutz macht.
Aber ich sage ausdrücklich, wir werden noch einmal auf alle Fraktionen zugehen und einen Textvorschlag machen, damit völlig klar ist, dass dieses Parlament – hoffentlich sehr einmütig und klar – sagt, dass ein Angriff auf jedes Mitglied dieser Gesellschaft ein Angriff auf die Gesellschaft insgesamt und auf die Grundwerte dieser Gesellschaft ist.
Was in der Frage der Aufklärung folgt, das interessiert uns sicherlich alle, hoffe ich. Dann können wir uns im Zweifel auch wieder streiten. Aber zumindest bei dem Davor sollten wir uns nicht streiten.
So schwer es zur diesjährigen Generaldebatte, zur Haushaltsdebatte fällt: Herr Ministerpräsident, Sie sind nun fast 15 Monate im Amt. Das ist Ihr erster Haushalt, den Sie in kompletter Eigenverantwortung mit von Ihnen ausgesuchtem Finanzminister und ganzem Kabinett zu verantworten haben. Wir können jetzt nicht nur vorausschauen aufs nächste Jahr, sondern wir können auch auf ein Jahr Ihrer Amtszeit seit der letzten Generaldebatte zurückschauen. Sprichwörtlich wohnt ja jedem Anfang ein Zauber inne.
Herr Bouffier, aber ich glaube, Sie selbst würden kaum sagen, dass diesem Anfang im letzten Jahr ein Zauber innegewohnt hätte.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Volker Bouffier: So weit würde ich nicht gehen!)
Die Erklärung dafür ist relativ einfach. Es war ja auch kein Neuanfang, sondern es ist ein schlichtes „Weiter so“.
Dass Sie wesentliche Teile Ihrer Haushaltsrede darauf verwenden, Geschichten vom Amtsübergang von Evelies Mayer auf Christine Hohmann-Dennhardt zu erzählen, ist ein Beweis dafür, dass Sie selbst überhaupt nicht wissen, was Sie in der Zukunft machen wollen, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Ah! – Ministerpräsident Vol- ker Bouffier: Och!)
Sie sind mutlos. Sie haben keine Perspektive für das Land. Das gilt für die Landesregierung, und das gilt für Schwarz und Gelb.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist sehr pauschal!)
Herr Wagner, schauen Sie nicht so überrascht. Man merkt Ihrer Fraktion und Ihnen ganz persönlich an,
weil Sie in diesen drei Jahren weiterhin keinerlei Perspektive und Ideen entwickelt haben, warum Sie eigentlich regieren. Das ist auf die Dauer ein Problem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die pure Not der Opposition!)
und sich so verhält, wie sich Ertrinkende eben verhalten. Das ist aus persönlicher Perspektive nachvollziehbar, aber eben nicht rational. Beides tut der Landespolitik nicht gut. Beides ist schlecht für Hessen.
Herr Ministerpräsident, ich muss Ihnen sagen, ich habe gerade 2008 angesprochen. Damals ging hier die Ausschließeritis um, Herr Wagner.
Ich bin immer dagegen, dass die Ausschließeritis – Herr Wagner, selbst wenn ich Sie anschaue, bin ich immer noch dagegen – fröhliche Urständ feiert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das Unwort des Jahres!)
Das war nicht das Unwort des Jahres. Wenn Sie das noch einmal nachlesen und sich überlegen, was denn eigentlich die Perspektive des Hessischen Ministerpräsidenten für das nächste Jahr und die Zukunft des Landes Hessen ist, dann schreiben Sie das bitte aus dem heraus, was der Ministerpräsident hier gesagt hat.