Es wäre aber nicht nötig gewesen, das stand nämlich alles schon in der Zeitung, und in den Arbeitsmarktberichten der Agentur für Arbeit hätte man es auch nachlesen können. Meine Damen und Herren, ich spreche mit Bodo Bach: Vielen Dank für die Mühe, die ich Ihnen gemacht habe.
Die Wirtschaft hat sich bisher positiv entwickelt. Damit hat sich auch der Arbeitsmarkt in etlichen Bereichen durchaus positiv entwickelt und entspannt, darüber sind wir alle froh. Aber auch das ist bekannt, dass wir alle gemeinsam froh darüber sind, meine Damen und Herren.
Eine kleine Anmerkung: Sie haben bei Ihrer Aufstellung allerdings vergessen, dass wir leider Gottes immer noch, gerade in einigen Großstädten, Arbeitslosenzahlen haben, die an die 10 % reichen – trotz enormer Anstrengungen der örtlichen Arbeitsförderung. Das hat seine strukturellen Gründe, was in Ihrem Antrag leider untergeht. Jetzt stellt sich für uns nur noch die Frage: Warum bastelt man daraus extra noch einmal einen Antrag, meine Damen und Herren? – Die Antwort ist einfach: Man will sich selbst loben. Deshalb sehen wir uns diesen Jubelantrag einmal etwas genauer an und schauen, worin die Verdienste der Landesregierung liegen könnten.
Wir schauen auf die Wirtschaftskraft und die Konjunkturentwicklung. In der Tat: Das Konjunkturprogramm des Bundes war ein Segen.
Nach meiner Erinnerung war das aber kein Werk von Schwarz-Gelb, sondern das stammt noch aus der Zeit der Großen Koalition, meine Damen und Herren.
Auch das Sonderinvestitionsprogramm des Landes hat Gutes bewirkt, das sage ich auch ausdrücklich. Aber an dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass auch die SPD daran mitgewirkt und dem zugestimmt hat, meine Damen und Herren.
Sie heben auf Nordhessen ab. Kommen wir auf Nordhessen zu sprechen. In der Tat ist Nordhessen zu einer Boomregion geworden. Das haben wir allerdings vor allem der Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien zu verdanken. Ausgründungen aus der Uni Kassel, jede Menge kleine Kompetenzbuden und schließlich SMA mit Tausenden von neuen Arbeitsplätzen – und das, obwohl
Hessen mit dieser Landesregierung zu den bundesdeutschen Schlusslichtern bei der Förderung neuer Energien gehört. Mit anderen Worten: Die haben das trotz dieser Landesregierung geschafft.
Apropos neue Energien: Kollege Frankenberger hat heute Morgen über Elektromobilität gesprochen. Dass Nordhessen mit VW an der Spitze zum neuen Zentrum für die Entwicklung der E-Traktion geworden ist und dort darüber hinaus modernste Getriebe und Abgasanlagen entwickelt und gebaut werden, hat einen einzigen Grund, meine Damen und Herren:
Das haben findige Köpfe – ein verantwortungsbewusster Werksleiter und ein starker Betriebsrat – geschafft, und niemand anders. Die haben nämlich gemeinsam dafür gesorgt, das Tausende Arbeitsplätze erhalten bleiben, neue Arbeitsplätze generiert wurden und sogar Leiharbeiter fest übernommen worden sind.
Der andere Boomsektor ist die Logistikbranche. Das liegt zweifelsohne am günstigen Standort der Region Kassel. Das liegt an einer sehr agilen regionalen Wirtschaftsförderung, und das liegt auch an bereitwilligen Investoren.
Meine Damen und Herren, all das liegt in der Tat an vielen Unternehmen oder Betrieben, so, wie Sie das richtig schreiben; das stimmt. Was Sie vergessen haben: Das liegt aber auch an fleißigen und treuen Handwerkern und an fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – ich sage es nur, bevor wir das an dieser Stelle vergessen; es kommt in Ihrem Antrag nicht vor.
(Beifall bei der SPD – Günter Schork (CDU): Sie haben nicht zugehört! Denen habe ich in meiner Rede ausdrücklich gedankt!)
Wenn diese positive Entwicklung auch an der Politik gelegen hat, dann allerdings doch wohl in erster Linie auch an einer vorausschauenden Kommunalpolitik, die diese Entwicklung mit ihren Instrumenten und einer klugen Ansiedlungspolitik wesentlich mit unterstützt hat. In Nordhessen – nur zur Erinnerung – ist die Landkarte noch rot, meine Damen und Herren.
Ministerpräsident Bouffier hat am 30.08. in einem Interview Folgendes gesagt – Herr Präsident, erlauben Sie mir bitte, dass ich das zitiere –:
Und wir müssen dafür werben, dass ein starker Standort wie Hessen ein Investitionsstandort bleibt, damit wir Arbeitsplätze behalten.
Und das Dritte ist: Bildung, Ausbildung, Forschung. Von der frühkindlichen Bildung über den Ausbau der Kindereinrichtungen und Ganztagesschulen, aber auch die Investition in die Forschung, und zwar für die Arbeitsplätze von morgen. Das alles zusammen macht uns zukunftsfähig. Und wenn Sie so wollen, ist das mein Thema.
Nein, das ist nachweislich nicht das Thema des Ministerpräsidenten. Das mit den Investitionen habe ich Ihnen eben schon erklärt. Jetzt zum Thema Arbeitsplätze und Fachkräftemangel. Ich habe in der letzten Woche an der Jahrestagung des Europäischen Sozialfonds zum Thema Fachkräftemangel teilgenommen – eine Veranstaltung
unter Beteiligung der Landesregierung. Die Veranstaltung war gut, auch das sage ich. Namhafte Referenten haben dort ausgeführt, welche Anforderungen zu erfüllen sind, um dem Fachkräftemangel nachhaltig entgegenzuwirken. Sie haben unter anderem deutlich gemacht, dass Staat und Politik hierbei in besonderer Weise gefordert sind.
Zu den wesentlichen Handlungsfeldern gehören nach ihrer Auffassung – damit haben die völlig recht – ein besseres Schulsystem, bessere Rahmenbedingungen für die Ausbildung, noch größere Anstrengungen bei der Qualifizierung, gerade auch bei Langzeitarbeitslosen und älteren Arbeitnehmern, und eine bessere Qualifizierung und Förderung von Frauen, um ihnen den Wiedereinstieg in den Beruf und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, die Vorträge der Experten haben schonungslos offengelegt, dass die Landesregierung exakt in diesen Handlungsfeldern bisher versagt hat.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Minister Michael Boddenberg: Ach, du liebe Zeit!)
Das weise ich Ihnen nach. – Blickt man nach Hessen, sieht man nach wie vor ein Schulsystem, das mehr auf Auslese statt auf Chancengleichheit setzt.
Blickt man nach Hessen, sieht man die Kürzung der Ausbildungsförderung – Kollege Schork, darüber lässt sich nicht diskutieren, das ist so – und Kürzungen des Schulgeldes in der Altenpflegeausbildung. In Ihrem Antrag reden Sie davon, dass jeder junge Mensch nach der Schule eine Chance auf einen Ausbildungsplatz hat. Ich glaube, das geht an der Realität vorbei.
Wissen Sie eigentlich nicht, wie viele Schulabbrecher Ihr überkommenes Schulsystem produziert und wie viele Schulabgänger eine Warteschleife nach der anderen fliegen müssen, bis sie mit Glück einen Ausbildungsplatz bekommen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, blickt man auf Hessen, wo diese Regierung und Ihre CDU-FDP-Mehrheit – –
Dass diese CDU und FDP völlig kritik- und ahnungslos bei der Kürzung der Fördermittel der Eingliederungshilfe bei Langzeitarbeitslosen hier mitmachen – ist Ihnen das klar? Hat diese Landesregierung im Übrigen bemerkt, dass ein Großteil der jungen Menschen nach der Ausbildung und selbst nach einem Studium so gut wie keinen
unbefristeten Arbeitsvertrag bekommt? Diese jungen Leute müssen sich von Befristung zu Befristung hangeln. Wie ist da noch eine vernünftige Lebens- und Familienplanung möglich, die Sie immer so hochhängen?
Im Gegensatz zu vielen hessischen Unternehmern und Handwerkern, die inzwischen erkannt haben, aus eigener Kraft mehr für Qualifizierung und Gewinnung von Fachkräften tun zu müssen, ist das Handeln der Landesregierung vielerorts kontraproduktiv. Minister Grüttner hat auf der Fachtagung Bewusstseinswandel gefordert. Da hat er recht. Aber die Landesregierung trägt selbst im Moment wenig dazu bei.
Gleich im ersten Satz Ihres Antrages wollen Sie den Landtag allen Ernstes feststellen lassen, „dass die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt vor allem für junge Arbeitnehmer, aber auch für ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose eine große Chance darstellt“. Angesichts der Realitäten und der Fakten ist das aus unserer Sicht wirklich der blanke Hohn.
Ich frage Sie: Haben Sie immer noch nicht bemerkt, dass der Aufschwung an einem großen Teil dieser Menschen immer noch vorbeigeht und sich nicht durch die konjunkturellen Selbstheilungskräfte der Wirtschaft abstellen lässt? Haben Sie noch nicht bemerkt, dass wir nicht nur aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen dringendst etwas dagegen unternehmen müssen? Wann dämmert es Ihnen, dass wir zur Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen?