Erstens bricht es mit einem Grundprinzip unserer Rechtsordnung. Das ist aber aus meiner Sicht in diesem Fall ein überwindbares Problem.
Zweitens sollten wir darüber nachdenken, ob es Sinn macht, so etwas auf Länderebene zu beschließen, oder ob wir nicht mindestens bundesweit oder besser noch europaweit einheitliche Regelungen brauchen. Warum sollte ein Stallbau in Hessen anders geregelt werden als in Thüringen, im Elsass oder in Südtirol?
Drittens müssen wir uns auch fragen, was ein solcher Akt bringt und welche Folgen damit verbunden sind. Hier rate ich zumindest zur Vorsicht. Wir sehen in vielen Fällen, gerade im Naturschutz, dass Klagen die rechtsstaatlichen Verfahren in die Länge ziehen. Mehr Klagebefugnisse führen zu mehr Klagen. In welcher Größenordnung, und ob das für die Behörden und Gerichte überhaupt noch leistbar ist, sollten wir vorher genauer untersuchen.
Es kann nicht unser Ziel sein, dass künftig jeder Tierversuch, jeder Stallbau, jeder Tiertransport gerichtlich beklagt wird. Das bringt uns nicht weiter. Das hilft dem Tierschutz nicht, sondern das schafft nur Bürokratie, Verwaltungsaufwand und eine Belastung der Gerichte.
Die Ausweitung von Klagebefugnissen bringt keinen Tierschutz. Lassen Sie mich das einmal am Beispiel der Stallbauordnung konkret machen. Ein tiergerechter Boxenlaufstall ist zum Standard geworden. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Nutztier ist nicht nur gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, sondern auch vitales Interesse des Landwirts, gerade in einer kleinteiligen Landwirtschaft wie bei uns in Hessen.
Unsere tierschutzrechtlichen Standards für den Stallbau sind die höchsten in Europa. Nur unter Einhaltung der Standards werden Stallbauten von den Behörden nach intensiver Prüfung genehmigt. Die Einhaltung der Standards bei Bau und Betrieb ist Voraussetzung für jede Baugenehmigung. Ich kann nicht erkennen, dass wir hier eine zusätzliche Klagemöglichkeit gegen diese Entscheidungen brauchen. Entweder haben Sie kein Vertrauen in die Menschen, oder Sie haben kein Vertrauen in die Behörden. Wahrscheinlich trifft beides zu.
Wir als CDU sehen das anders. Wir wollen diese Frage nicht vor Gericht austragen, sondern wollen Tierschutz zur Selbstverständlichkeit machen.
Wir glauben an den selbstverantwortlichen Menschen, der sich seiner Verantwortung gegenüber den Tieren bewusst ist und diese ernst nimmt. Dafür werben wir auch weiterhin. Trotzdem haben wir ein funktionierendes Kontrollsystem, das die Einhaltung der geltenden Standards überwacht. Dafür passen wir die Standards stets den aktuellen Bedürfnissen an und verschärfen sie sukzessive.
Wir vertrauen unseren Behörden, dass die hohen Standards, die wir als Politik bewusst für den Tierschutz setzen, eingehalten werden. Ich habe keinen Anlass, an unseren Genehmigungsbehörden zu zweifeln und sie bei jeder Maßnahme der Gefahr einer möglicherweise ideologisch motivierten Klage auszusetzen.
Zusammenfassend stelle ich für meine Fraktion fest, dass wir Ihrem Anliegen skeptisch gegenüberstehen. Für mich erscheint die Grundintention, Tierschutzfragen auf die Gerichte zu verlagern, falsch. Dennoch freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dietz, wenn Sie sagen, Sie sind skeptisch, heißt es nicht, dass Sie es ablehnen. Das lässt einen kleinen Hoffnungsschimmer zu, dass wir in der Diskussion ein Stückchen weiterkommen.
Sie haben es zu Recht benannt. Wir haben seit dem 1. August 2002 den ethischen Tierschutz im Grundgesetz. In Art. 20a ist das Ganze geregelt. Das heißt, Tierschutz ist Rechtsgut mit Verfassungsrang geworden. Wir sollten darauf achten, dass das, was auf dem Papier steht, sich in der Realität irgendwann einmal wiederfindet.
Ich gebe zu, dass sich beim Tierschutz schon einiges verbessert hat. Aber es ist nicht so, dass wir sagen könnten, der Tierschutz sei optimal aufgestellt. Das ist doch gar nicht die Sachlage.
Wenn ich in die Reihen schaue, dann sehe ich etliche Kollegen, die Mitglied bei uns im Hessischen Tierschutzbeirat sind. In jeder Beiratssitzung bekommen Sie Fälle genannt, die Ihnen deutlich machen, dass eine Verbandsklage absolut notwendig wäre, dass frühzeitig eingegriffen werden könnte, wenn Tiere nicht artgerecht gehalten werden, wenn Missstände zu beklagen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns war das schon immer ein ganz wichtiger Punkt. Tierschutz ist ein Anliegen, das die Gesellschaft zu tragen hat. Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass die Mitgeschöpfe, wie Sie das sagen, entsprechend gehalten werden, dass diese Mitgeschöpfe entsprechend leben können.
Wir haben seit dem Jahr 2004 Aktivitäten in diesem Bereich entwickelt. Im Jahr 2004 haben wir einen Antrag mit der Intention eingebracht, ein Verbandsklagerecht im Tierschutz im Lande Hessen zu erreichen. Eigentlich hätte ich meine Rede von damals heute 1 : 1 halten können. Der Inhalt hat sich überhaupt nicht verändert; denn die Intention ist die gleiche geblieben. Für viele ist es so: Papier ist geduldig. Aber dem frönen wir nicht. Wir wollen, dass der Verfassungsrang, den der Tierschutz im Grundgesetz hat, ernst genommen wird. Hier appelliere ich an Sie alle.
Wir sehen, dass trotz des Tierschutzgesetzes, dass trotz Tierschutzkommissionen der Tierschutz immer wieder ins Hintertreffen gerät. Da geht es nicht um die Boxenlaufställe. Es geht um nicht artgerechte Tierhaltungen. Es ist ein falsches Umgehen mit den Tieren, wie wir immer wieder feststellen müssen. Deshalb haben der Hessische Tierschutzbeirat – Herr Dietz, Sie sind in diesem Beirat – und die hessische Tierschutzbeauftragte bereits vor Jahren die Einführung einer Verbandsklage gefordert. Dieses Thema bewegt ganz viele Menschen, und es muss so sein, dass wir in diesem Bereich einen Schritt weiterkommen.
Ich möchte an Sie appellieren. Im Naturschutz ist es möglich. Wir haben eine Verbandsklage für den Naturschutz. Das kommt uns allen zugute; denn unsere Natur wird damit erhalten. Erinnern Sie sich an die Rede von Herrn Minister Dietzel im Jahre 2004. Einige von uns hatten die Möglichkeit, damals dabei sein zu können. Er hat damals darauf hingewiesen, dass das Instrument der Verbandsklage im Naturschutz nicht missbraucht wurde, dass es eine geringe Fallzahl in diesem Bereich gab. Insofern wurde verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgegangen. Ich bin der festen Überzeugung, dass anerkannte Tierschutzverbände ebenfalls verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgehen werden.
Ich möchte aus dem Bericht der Tierschutzbeauftragten zwei Bereiche herausnehmen, weil ich glaube, dass es eine größere Glaubwürdigkeit hat, wenn es von einer dritten Seite kommt, einer Person, die für den Tierschutz eigenständig zuständig ist, als wenn ich irgendeine Geschichte erzähle. Dabei hätte ich einige Geschichten aus dem Land Hessen zu erzählen, wo massiv gegen den Tierschutz verstoßen worden ist.
Das will ich aber nicht tun, sondern ich will zwei Bereiche nennen, die aus dem Bericht 2009 stammen. Die Berichte 2008 und 2010 enthalten vergleichbare Problemstellungen, aber dies ist mir besonders wichtig, weil es Aussagen sind, die von der Tierschutzbeauftragten explizit getätigt wurden. Sie beschreibt darin schwere Missstände, z. B. beim Schwänzekupieren und Zähneabschleifen bei Schweinen. Sie sagt:
Bemerkenswert ist es aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten, dass derartige Missstände nicht von den zuständigen Behörden angezeigt bzw. verfolgt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verbandsklagerecht allmählich notwendiger denn je. Offensichtlich sind einige deutsche Behörden entweder nicht fähig oder nicht willens, derartige Gesetzesübertritte zu ahnden. Dabei ist zu bedenken, dass die Nutztierhaltungsverordnung in ihrer geltenden Fassung ohnehin nur Mindestvorgaben macht und keine wirklich tiergerechte Haltung vorgibt.
Bei dem zweiten Fall geht es um einen Luchs, der im Regierungsbezirk Gießen – ich weiß nicht, ob der Regierungspräsident noch anwesend ist – –
Entschuldigung, ich dachte, er sei da gewesen. – Das Tier wurde ohne eine entsprechende Erlaubnis in einem Privatraum gehalten. Dieses gefährliches Wildtier wurde nicht artgerecht gehalten, und die zuständige Artenschutzbehörde im Regierungspräsidium – so steht es in dem Text – „war im Weiteren offensichtlich weder interessiert noch willens, den gesetzwidrigen Zustand zum Wohle des Tieres zu beenden“. Die zuständige Behörde handelte über Wochen nicht, und letztendlich verschwand das Tier „an einen der Behörde unbekannten Ort“.
Vor dem Hintergrund derartiger Vollzugsdefizite zulasten der Tiere fordert die Landestierschutzbeauftragte Konsequenzen für untätige Behördenmitarbeiter.
Ich denke, diese beiden Beispiele zeigen sehr deutlich, dass über eine Verbandsklage ein früherer Eingriff möglich gewesen wäre und den Tieren eine entsprechende Verbesserung zuteilgeworden wäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind keine Einzelfälle. Es sind viele Fälle, die nachlesbar sind. Es sind Fälle, die Sie auch der Presse entnehmen können. Ich erinnere nur an die tierschutzwidrige Haltung von Rindern. Dem Landwirt wurden die Rinder am Ende entzogen. Auch da wurde über eine längere Zeit dieser Zustand beobachtet, ohne dass eingegriffen wurde.
Ein weiterer Punkt, der mir ebenfalls ganz wichtig ist. In der letzten Tierschutzbeiratssitzung mussten wir erfahren, dass es eine Universität in Hessen gibt, die keine Haltungserlaubnis für Versuchstiere hat. Diese Universität meint auch noch, das sei rechtmäßig. Meine Damen und Herren, das kann nicht sein.
Deshalb begrüßen wir die Initiative der SPD mit der Verbandsklage, wobei ich sagen muss, dass das, was jetzt von Nordrhein-Westfalen übernommen wurde, ein Kompromiss zwischen Rot und Grün in Nordrhein-Westfalen gewesen ist. Wir wissen, dass die GRÜNEN dort gerne noch eine andere Regelung gehabt hätten. Deshalb müssen wir uns über weitere Punkte unterhalten. Das ist beispielsweise die Anfechtungsklage oder die Frage: Warum kann privaten Vorhaben, die nachweislich den Tieren nicht gerecht werden würden, nicht mit einer Klage begegnet werden? Das fehlt im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es muss unser aller Anliegen sein, den Tierschutz in diesem Bereich weiterzubringen. Wer ein großes C im Namen hat, sollte diesem C auch gerecht werden. Herr Dietz, wenn Sie von Mitgeschöpfen reden, dann heißt das, eine Verbesserung auch in diesem Bereich zu erreichen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich eines vor die Klammer ziehen. Das ist das Positive, das uns verbindet, dass Tiere keine eigene Möglichkeit haben, zu sprechen, bis auf einige wenige Papageien, die das beigebracht bekommen haben. Ansonsten haben die Tiere keine Lobby, wie sie sich verteidigen könnten.
Aber dazu ist schon viel geschehen. Neben dem Bundestierschutzgesetz haben wir – da sticht Hessen positiv gegenüber allen anderen Bundesländern heraus – nicht nur einen Tierschutzbeirat, sondern auch eine Landestierschutzbeauftragte, die sehr umtriebig ist und alle die Fälle, die Frau Hammann eben aufgelistet hat, verfolgt hat. Teilweise hat sie sie auch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.
Wir sehen, dass wir in Hessen ein sehr gut funktionierendes System haben. Wir haben ein Sprachrohr für Tiere. Manchmal ärgern sich auch einige, insbesondere an Universitäten, dass sie so umtriebig ist.
Aber ich sehe im Moment bei allen Ausführungen nicht, dass wir hier zu einem Konsens kommen werden, um eine Verbandsklage einzuführen. Das begründe ich zum einen damit, dass sehr viele Stellungnahmen – etwa von Frau Dr. Exner und von Herrn Prof. Dr. Heldmaier von der Uni Marburg – gesagt haben, das Verbandsklagerecht wird nicht ein Mehr an Tierschutz bringen, sondern es wird ein Mehr an Verwaltungsaufwand bringen, weil nach Ihrem Gesetzentwurf sämtliche Tierschutzbehörden, also auch die Veterinärämter, verpflichtet sind, alle tierschutzrelevanten Vorgänge herauszukristallisieren und den Verbänden vorzulegen.
Wenn man sich einmal zu Gemüte führt, was das für einen normalen Veterinär bedeutet: Er müsste eigentlich jeden Vorgang vorlegen, damit die Verbände überprüfen können, ob sie tätig werden wollen oder nicht. So steht es zumindest in Ihrem Gesetzentwurf. Ob Sie das so wollten, weiß ich nicht. Dazu können Sie ja gleich noch Ausführungen machen. So, wie es vorgelegt wurde, ist es jedenfalls viel, viel weiter gehend, auch als das, was im Saarland gemacht wurde.
Ich will das hier einmal klarstellen. Im Saarland ist kein Verbandsklagerecht per se eingeführt worden. Dort ist es vielmehr so: Erst wenn die obere Tierschutzbehörde eine untere Veterinärbehörde dreimal erfolglos anwiesen hat, tätig zu werden, können die anerkannten Verbände gegen die untere Veterinärbehörde klagen. Das kann man überlegen, weil der Verwaltungsaufwand relativ gering ist und der Fall relativ selten vorkommen wird. All das sollten wir aber im Ausschuss noch einmal in Ruhe abwägen. Wir wollen ja eigentlich eine einheitliche Landesverwaltung haben. Eine einheitliche Landesverwaltung bedeutet, dass wir ein extremes Vollzugsdefizit hätten, wenn so etwas vorkommen würde. Das müsste man dann wirklich einmal beleuchten. Dazu gibt es im Moment aber keinen Anlass.
Wir werden uns im Ausschuss natürlich auch noch einmal mit den unteren Veterinärbehörden unterhalten, was die Organisation angeht. Die Verlängerung des Gesetzes steht ja an. In diesem Rahmen wollen wir uns einmal intensiv darüber unterhalten, wie wir den Vollzug besser
machen können. Dann wären wir einen Schritt weiter. Wir müssen aber an jeder Stelle aufpassen, dass wir nicht überregulieren.