Protocol of the Session on September 14, 2011

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Glauben Sie das auch?)

Wenn Sie sich so sicher sind, legen Sie doch ein KostenNutzen-Konzept vor. Das verweigern Sie. Die Tatsache, dass Sie es verweigern, zeigt, dass Ihre Luftnummer nichts mit einem seriösen Projekt zu tun hat.

Herr Minister, wenn Bürger ihre Rechte in Anspruch nehmen, dann führt das zu Verzögerungen bei Projekten. Nach allen Erfahrungen musste damit gerechnet werden, dass die Menschen dort alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen werden. Dass das eine Zeit lang dauert und dass in dieser Zeit die Preise steigen, war auch klar. Das hätte man von Anfang an in die Projektkosten einpreisen müssen. Dann hätte man eine realistische Größe gehabt. Die Kosten wurden von vornherein kleingerechnet und hatten nichts mit einer realistischen Einschätzung zu tun, aber auch gar nichts.

Das von Ihnen vorhin beschriebene „Brummen“ um den Flughafen besteht doch zum großen Teil aus Umsiedlungen. Dieses Phänomen kennen wir aus Frankfurt. Da ist es doch ganz ähnlich gewesen. Da hieß es auch: Da siedeln sich soundso viele Betriebe an. – In Wahrheit waren es zum großen Teil nur Umsiedlungen.

Die angeblich belastbare Kostenrechnung, von der Sie eben gesprochen haben, ist so alt wie das Projekt selbst. Das heißt im Klartext: Sie ist lange überholt.

Ich will noch einmal auf die Aussage der EU-Kommission zurückkommen, weil das hier untergegangen zu sein scheint. Sie haben nämlich gesagt, das sei alles in Ordnung. Die EU-Kommission hat gesagt, dass der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden im Besonderen im Hinblick auf die Überlastung des Flughafens Frankfurt zu sehen ist.

(Zuruf des Ministers Dr. Thomas Schäfer)

Ich lese es jetzt noch einmal vor, damit es vielleicht auch in Ihr Ohr gelangt:

(Minister Dr. Thomas Schäfer: Ich habe es eben schon einmal gehört!)

Frau Kollegin Schott, Sie müssen trotzdem zum Ende kommen.

„Sollte der Flughafen Frankfurt Main seine Nachtflüge einstellen oder reduzieren müssen, so wäre eine ernste Luftfrachtkapazitätskrise in Deutschland die Folge.“ Das ist die Grundlage, auf der argumentiert worden ist. Was hat das zu bedeuten? Wird der Flughafen Calden gebaut, damit dort nachts geflogen werden kann, oder nicht?

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Herr Abg. Frank-Peter Kaufmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das Schicksal von Prestigeprojekten, dass sie kosten können, was sie wollen, der Irrsinn hört nicht auf. Denn viele in Nordhessen sagen hinter vorgehaltener Hand: Wir können nicht mehr zurück.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja!)

Auch die Worte des Finanzministers waren: Wir können nicht mehr zurück, weil dort zurzeit eine riesige Fläche planiert wird und schon weitgehend bearbeitet ist, nach dem Motto: „Wir können die Baustelle nicht einfach so liegen lassen“ – und dies, obwohl Sie alle über Jahre gewusst haben, wo das am Ende möglicherweise hinführt.

Ich weiß, man macht sich nicht beliebt, wenn man frühzeitig das Richtige sagt. Aber es muss noch einmal unterstrichen werden: Wir GRÜNE haben im Jahr 2001 mit dem Gutachten von Herrn Prof. Bossel vor Ort gestanden und haben erklärt: „Das Ganze kostet wahrscheinlich 250 Millionen €.“ Alle haben gesagt: Die GRÜNEN sind verrückt, und für diesen Preis machen wir es nie. – Das ist von der Kollegin Müller zitiert worden. Was ist jetzt? – Es kostet 250 Millionen € plus Sicherheitszuschlag, Herr Finanzminister, weil Sie befürchten müssen und glauben, dass es noch teurer wird. Meine Damen und Herren, selbst bei den Sozialdemokraten dürfte im Jahr 2001 und immer noch im Jahr 2008 niemand für das Projekt eingetreten sein, wenn 250 Millionen € als ehrliche Zahl auf dem Tisch gelegen hätte. Denn die Vereinbarung ist bereits zitiert worden: Der Neubau darf nicht teurer werden als die Sanierung des Altbaus. – Das ist mittlerweile zweifelsohne der Fall. Das Geld ist im Zweifelsfall schon verbaut worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zweiter Punkt. Herr Finanzminister, wenn Sie diejenigen für die höheren Kosten verantwortlich machen wollen, die nach Brüssel geschrieben haben, dann empfinde ich das als einen ganz üblen Trick, der allerdings nicht durchgeht. Natürlich hat derjenige die Kostenverantwortung, der den Bau betreibt, und nicht derjenige, der Kritik daran übt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn immer noch ist der Bauherr derjenige, der für die Kosten verantwortlich ist. Diese Umkehrung der Zuständigkeit, auch als Argumentationsversuch, lassen wir uns nicht gefallen.

Dritter Punkt. Sie sagen, dass so viele in Nordhessen dafür sind, von der IHK über die Gemeinde Calden bis zu sonst wem: Meine Damen und Herren, wenn Sie etwas vom Land geschenkt bekommen, warum sollten Sie dann Nein sagen? Denn alle Kostensteigerungen werden ausschließlich vom Land übernommen. Sie wissen, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist man zwar allemal noch nicht geschäftsfähig, aber ab dem Alter von sieben Jahren darf man Geschenke annehmen. Insoweit darf auch die Gemeinde Calden das Geschenk annehmen: „Du bekommst

den Flugplatz.“ Der Finanzminister sagt: „Koste es, was es wolle. Wir bezahlen ihn.“ Was ist das für eine Situation, und was ist das für eine Argumentation seitens eines Finanzministers?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dann kommt die EU-Kommission ins Spiel. Schauen wir uns doch einmal an – es ist schon einiges vorgetragen worden –, wie es politisch war. Roland Koch hat, wie man so schön auch in Karikaturen sehen konnte, auf dem Schoß von Angela Merkel gesessen und hat gesagt: „Mein Prestigeprojekt Kassel-Calden musst du in Brüssel freikämpfen.“ Dann hat Angela ihre Leute hingeschickt, und diese haben gesagt: „Wir, die Bundesrepublik Deutschland als größter Nettozahler in die EU-Kasse, wollen dieses Projekt. Ihr könnt der Kuh, die euch die Milch gibt, schlecht das Maul verbinden. Ihr müsst also einen Weg finden, damit das genehmigt wird.“ Genau das ist geschehen. Dann wurden noch entsprechende Argumente nachgereicht. Wir haben einige davon gehört. Die EU-Kommission hat darauf verzichtet, diese Argumente in der Sache auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Daraus ergab sich dann die Aussage: Es wird notifiziert, auch die nächste Kostensteigerung wird notifiziert, und die übernächste möglicherweise auch noch. Denn es sind falsche Argumente im Raum. Man hat im Übrigen längst die politische Entscheidung durchgedrückt: KasselCalden kommt, koste es, was es wolle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn hier eine Beurteilung, wie sonst unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bei der EU üblich – nämlich nicht ohne all die Kosten, die der Finanzminister herausgerechnet hat –, gerechnet würde, wenn sich also die Gesamtinvestitionen betriebswirtschaftlich tragen müssten, wie das bei jeder Firma der Fall ist, dann wird es nie – und das wissen alle hier im Raum – eine betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit dieses Modells geben. Deswegen ist das ein Zuschussbetrieb auf Dauer, auch nach dem Jahr 2017.

Das sage ich hier und auch für das Protokoll. Im Jahr 2017 holen wir dieses Protokoll heraus und schauen nach. Dann stellen wir fest, Herr Dr. Schäfer: Wer hat denn leider wieder einmal recht gehabt? Es waren und werden die GRÜNEN sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat der Kollege Florian Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Kollege Kaufmann, Herr Präsident, ich will nur zwei Anmerkungen zu dieser Rede machen.

Ganz ehrlich sind diese Diskussion und Ihre Positionierung eben nicht. In erstaunlicher Weise haben Sie gerade über Wirtschaftlichkeit gesprochen. Das kann man unterschiedlich sehen. Man kann sagen, Kassel-Calden ist eine Infrastrukturmaßnahme. Kollege Lenders hat das vorhin gesagt. Infrastrukturmaßnahmen müssen zunächst einmal natürlich einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. – Dass Kassel-Calden einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben wird, ich glaube, das ist unstreitig.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist streitig! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Na ja, es ist jedenfalls bei den Vernünftigen – Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten – unstreitig; bei Linkspartei und GRÜNEN ist es streitig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit aber kann ich leben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Wir auch!)

Die Sozialdemokraten auch, aber sie halten sich an dieser Stelle noch zurück.

Herr Kollege Kaufmann, das Problem ist, dass Sie eigentlich etwas ganz anderes wollen. Eigentlich sind Sie bei vielen Projekten – wenn es um Infrastruktur und darum geht, wie man eine Region wirtschaftlich erfolgreich gestalten kann – prinzipiell dagegen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die Dagegen-Partei!)

im Sinne der Dagegen-Partei. Das Beispiel kann ich Ihnen zeigen: Der Ausbau des Frankfurter Flughafens rechnet sich wirtschaftlich eindeutig – betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich –,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Riesig!)

und trotzdem sind Sie dagegen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das passt doch hinten und vorne nicht zusammen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wenden die Argumente so, wie es Ihnen gerade passt. Dort sind Sie dagegen, weil Sie wirtschaftliche Risiken sehen; im RheinMain-Gebiet sind Sie dagegen, weil Sie ideologische Probleme haben. Herr Kollege Kaufmann, auf jeden Fall sind Sie immer dagegen. Das ist das Problem der GRÜNEN an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ein zweiter Punkt – das kann der Finanzminister auch gern selbst machen. Der Flughafen ist uns wichtig, nicht nur, weil Rot-Rot-Grün mit Andrea Ypsilanti an der Spitze 2008 daraus einen Zeppelinflughafen machen wollte, sondern weil wir in dieser Zeit den Aufstand der Menschen in Nordhessen erlebt haben, die sich zum letzten Mal sagen lassen wollten, dass Rot-Rot-Grün besser weiß, wie sie zu leben haben, als es diese Menschen dort selbst wissen. Das ist der Unterschied. Herr Kollege Kaufmann, der Unterschied zu Ihrer Argumentation ist, dass es natürlich nicht so ist, obwohl dieser Flughafen wichtig ist – –

(Der Redner wendet sich an die SPD-Fraktion.)

Wir können gerne direkt in den Ältestenrat gehen, oder Sie rufen mir einfach eine Entschuldigung zu.

(Unverständnis bei der SPD-Fraktion)

Das bezog sich nicht darauf? Das ist schön. Dann sollten wir das einfach aus dem Protokoll streichen, falls das Wort mit „A“ und hinten einem „ch“ hineingekommen ist.

(Günter Rudolph (SPD): So wichtig sind Sie jetzt auch nicht!)

Na ja, es gibt schon – Herr Kollege Rudolph, das gilt auch für Sie – gewisse Benimmregeln, und die sollte man in diesem Haus einhalten.