Protocol of the Session on September 14, 2011

(Die Rednerin hält eine Werbeanzeige hoch.)

„Entdecke die Welt ab 2013 von Kassel-Calden.“ Wir hoffen, dass es dann nicht heißt: „Ab 2013 in die Investitionsruine“.

Zum Schluss vielleicht noch einen Vorschlag. Beberbeck wird nicht gebaut. Man könnte aus den Flächen, die dort sind, Baggerseen machen, den Flughafen sanieren. Dann könnte man direkt zu den Baggerseen fliegen. Die Scheichs, die nach Beberbeck kommen wollten, hätten es dann noch näher, und alle wären zufrieden.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Frau Müller. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Schäfer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Diskussion hier im Plenum hat die alten Interessen- und Positionsgegensätze wieder deutlich hervortreten lassen, die uns in der Diskussion um den Ausbau des Flughafens Kassel-Calden schon eine ganze Weile begleiten. Denjenigen, die sich seit vielen Jahren so positionieren, dass sie den Ausbau für falsch halten, kommen die Kostensteigerungen, die jetzt leider zu verzeichnen sind, in besonderer Weise mit dem Argument nach dem Motto „Wir haben es immer schon gewusst“ recht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Schott, mich wundert im Übrigen, wie beredt Sie über meine Ausführungen aus der Haushaltsausschusssitzung berichten, an der Sie gar nicht teilgenommen haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist Kommunikation! – Marjana Schott (DIE LINKE): Wir reden miteinander!)

Sie müssen ein bisschen aufpassen, dass Sie alles bloggen, was gesprochen wird. – Ich habe Ihnen ausführlich vorgetragen. Bestandteil der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens war auch die Fragestellung der volkswirtschaftlichen Analyse, die Sie sicherlich gründlich gelesen haben, die Studie von Herrn Prof. Klophaus, der die regionalen volkswirtschaftlichen Effekte ausführlich untersucht und belegt hat. Es ist offensichtlich kein Argument, das wahrheitswidrig ist, billig genug, um am Ende die alten Positionen zu untermauern. So geht es einfach nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin gern bereit, über jeden Teilaspekt der jetzt zu verzeichnenden Kostensteigerungen und darüber zu diskutieren, dass wir am Ende Terminsicherungsvereinbarungen treffen mussten, weil es ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren gegeben hat und wir ansonsten nicht pünktlich fertig gewesen wären, was uns mit weiteren Risiken am Ende 3 Millionen € gekostet hat. Das ist einzeln zu belegen.

Es war nicht voraussehbar, dass Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg, die irgendwann einmal aus der Stadt Kassel heraustransportiert worden sind, dort herumliegen

würden. Das hat niemand bei den Bodengrunduntersuchungen vorher feststellen können.

(Beifall bei der FDP)

Zum Umstand, dass sich der Baubeginn durch das EUNotifizierungsverfahren verzögert hat: Auf diese Verzögerung haben die Gegner des Flughafens in besonderer Weise auch Einfluss genommen, weil die EU-Kommission tagtäglich von ihnen Post bekommen hat, die sie in ihre Abwägung einbeziehen musste. Das hat am Ende Kosten verursacht, über die man sich hinterher beschwert. Das ist auch kein besonders redliches Vorgehen in der Argumentation.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Die Kostenentwicklung läuft an bestimmten Stellen leider in die falsche Richtung. Das sind im Wesentlichen zwei Punkte. Der Bereich der Flugbetriebsflächen – das ist nicht gerade eine geringe Fläche – gehört zur sehr energieintensiven Art der Errichtung dieses Teils des Flughafens. Da die Energiepreise seitdem in beträchtlichem Maße gestiegen sind, nämlich um 16 %, muss man das bedauerlicherweise einpreisen.

Wir kommen leider erst jetzt zum Bau. Wenn wir früher zu bauen begonnen hätten, wäre das einfacher gewesen. Wir kommen jetzt in eine Situation, dass Baupreise und Baukonjunktur statistisch belegbar um 3,2 % gestiegen sind. Auch das müssen wir jetzt bedauerlicherweise einpreisen. Vor diesem Hintergrund haben wir durch Ernst & Young professionelles Controlling gemeinsam mit allen Verantwortlichen in der Stadt Kassel, im Kreis Kassel, über alle Parteigrenzen hinweg.

Frau Hofmeyer, insofern verstehe ich, dass Sie hier im Landtag gern die Kostensteigerung kritisieren. Ich würde gerne einmal die Protokolle des Kreistages in Kassel Land sehen, ob Sie die letzte Kostensteigerung, an der sich der Kreis Kassel mit beteiligt hat, genauso wie hier beredt kritisiert haben. Ich verstehe ja Ihr Dilemma, sich zwischen 2008 regionaler Verantwortung und hier ein bisschen zwischen den Welten oder allen Stühlen zu bewegen.

(Brigitte Hofmeyer (SPD): Sie haben ein Dilemma!)

Aber zur Redlichkeit gehört auch: Wir bauen den Flughafen gemeinsam mit der Region. Wir verantworten das gemeinsam mit der Region, und wir verantworten am Ende auch bedauerliche Kostensteigerungen gemeinsam.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Am Ende zeigt sich die Entwicklung positiv. Von den 100.000 m3 Gewerbefläche, die unmittelbar am Flughafen verfügbar sind, ist die Hälfte verkauft, oder der Kaufvertrag steht unmittelbar vor dem Abschluss. Der Zweckverband Region Kassel diskutiert im Moment intensiv, wie er die Nachfrage nach Gewerbegebieten unmittelbar in der Nähe des Flughafens befriedigen soll. Das bekommen die gar nicht mehr alles hin. Deshalb schließen sich die Gemeinden jetzt zusammen, um gemeinsame Gewerbegebietsentwicklung mit Anbindung zu diesem neuen Flughafen zu machen. Dort brummt es doch. Das muss man doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen und die Scheuklappen wegnehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Damit eines klar wird: Wir hätten die Genehmigung der EU-Kommission für diese Beihilfe zum Bau nicht bekom

men. Es ist europarechtlich eine Beihilfe, weil wir mit staatlichen Mitteln einen Flughafen errichten. Es war von Beginn an klar, das ist auch Grundlage der Entscheidung der EU-Kommission, dass wir diese Genehmigung nur bekommen, wenn wir mit Prognosen belegen können, dass am Ende der laufende Betrieb ohne die Abschreibung aus der Errichtung und ohne die hoheitlichen Kosten auf eine überschaubare Zeit – die Gutachter sagen, fünf Jahre ab Inbetriebnahme – in der Lage ist, mit einer schwarzen Null abzuschließen.

Wenn es diese Prognosen nicht gegeben hätte und die Prognosen nicht belegbar gewesen wären, hätten wir von der EU-Kommission die Genehmigung nicht bekommen und auch nicht bekommen dürfen.

Da aber die EU-Kommission – ich wiederhole es – von den Gegnern mit jedem nur erdenklichen Argument nahezu täglich bombardiert worden ist, gibt es kein Argument, das die Brüsseler nicht kennen, um bei ihrer Abwägungsentscheidung zu sagen: Ja, wir halten das für nachvollziehbar, was die Hessen und die Deutschen dort machen wollen.

Deshalb spricht sehr viel für die Annahme, dass die Prognosen auf einem richtigen Weg sind. Hinterher werden wir schlauer sein, ob es wirklich so eingetreten ist. Am Ende ist der beste Wahrsager der, der am besten raten kann – um diese alte Weisheit einmal zu zitieren. Klar ist, es sind belastbare Prognosen, auf deren Basis wir unsere Entscheidung getroffen haben. Davon lassen wir uns nicht abbringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich am Schluss eines hinzufügen. Irgendwann kommt der Punkt, ob wir für oder gegen das Projekt gewesen sind, wo man akzeptieren muss, dass dieser Flughafen errichtet wird. Wenn Sie sich der Mühe unterziehen, jetzt einmal dorthin zu fahren: 5 Millionen m3 Erdbewegung. Das ist ungefähr ein Viertel des Volumens des Edersees, damit Sie eine ungefähre Dimension dessen haben, was wir hin- und herkarren.

Zu glauben, man könne diesen Bau einfach einmal so einstellen, weil es uns gerade so passt, und dort oben eine Bauruine hinterlassen – die Entscheidung ist gefallen, den Flughafen auszubauen. Wir haben jetzt eine belastbare Kostenkalkulation, von der wir ausgehen, dass sie es am Ende wird. Wir bauen diesen Flughafen aus. Lassen Sie uns nun gemeinsam in eine solidarische hessische Position zurückkehren. Wenn es schon den Flughafen gibt, muss er am Ende auch ein gemeinsamer Erfolg werden. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich jetzt Frau Schott zu Wort gemeldet.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Jetzt kommt die Nordregion!)

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Nordhessen hat zurzeit die beste Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in ganz Hessen, und das ohne Flughafen. Die Arbeitsplätze, die es am Flughafen – was wir auch immer Flughafen nennen, es war de facto keiner – gab, gibt es in

der Zwischenzeit nicht mehr. Niemand von Ihnen hat heute einen einzigen Betrieb genannt, der sich ansiedeln würde. Ich höre immer nur von irgendwelchen Betrieben, die das gesagt haben sollen.

Aber wenn ein Betrieb das will, kann es doch an keiner Stelle geschäftsschädigend sein, wenn der Unternehmer XY sagt: Ich gehe nach Nordhessen, weil es da eine so tolle Infrastruktur und so tolle Menschen gibt, die bei mir arbeiten können. – Daran ist doch nichts Geschäftsschädigendes, nichts Peinliches und nichts Unseriöses. Also, wo ist Ihr geheimnisvoller Unternehmer? Der soll sich bitte outen. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Bislang hat ihn noch niemand gesehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsi- dent Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Ein Verkehrskonzept in der Region liegt nicht vor, und es gibt auch keine ordentliche Anbindung an den ÖPNV. Die Gewerbegebiete in Nordhessen sind nicht ausgelastet und entwickeln sich zunehmend zur Belastung für die Kommunen. Wenn jetzt alles um Calden zusammengezogen wird, werden die anderen Gewerbegebiete noch mehr belastet, und es wird noch schwieriger sein, sie zu halten. Gehen Sie doch einmal in einzelne Orte, wo solche Gewerbegebiete ausgewiesen sind, die zum Teil nicht so angenommen werden, wie sie angenommen werden sollen. Die Kommunen müssen jetzt aber die Infrastruktur schaffen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich würde Sie gerne fragen: Haben Sie den „Panorama“Bericht vom letzten Monat gesehen, in dem es um Regionalflughäfen ging? Da ist der Eigentümer von Ryanair im Harlekinskostüm aufgetreten und hat gesagt: In Irland gibt es viele Narren. Aber in Deutschland gibt es noch viel mehr.

Sie können sich auch einmal anhören, was Ihre Kollegen, und zwar jeder politischen Couleur, an Erfahrungen mit Regionalflughäfen machen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie sollten einmal mit denen reden. Sie sollten sich anhören, was sie dazu zu sagen haben, wie die Kommunen vor Ort unter diesen Situationen leiden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Schauen Sie es sich an, und schauen Sie sich auch an, wie lange es gedauert hat, bis der Flughafen Paderborn zu einem existenzfähigen Flughafen geworden ist. Sie sagen ganz klar: Calden gefährdet das jetzt wieder, weil dann der Break-even-Point wieder in Gefahr ist. – Das ist es, was Sie mit Ihrem Flughafen erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Landau, für die Diffamierung bestimmter Wirtschaftszweige und mutiger Unternehmer – das haben Sie vorhin vorgebracht –, die sich auf einem Gebiet selbstständig gemacht und Betriebe mit Beschäftigten haben, insbesondere auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus und der Herstellung von wertvollen, guten Lebensmitteln, was wirklich ein wachsender Produktionsbereich ist, sollten Sie sich schämen. Sie sollten sich bei diesen Menschen entschuldigen. Die Nummer mit dem Weichkäse war unpassend, unangemessen und eklig.

Sie unterstellen uns ideologisches Handeln, und ohne wirtschaftlichen Verstand zu argumentieren. Andersherum wird ein Schuh daraus. Sie können nichts anführen, was Ihre Ideologie belegt. Sie reden davon, dass sich der Flughafen in fünf Jahren, wenn er gebaut sein wird, trägt. Sie haben keinen einzigen Nachweis dafür. Für mich ist das Ideologie, und zwar Ideologie, die richtig viel Geld verschlingt.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Glauben Sie das auch?)