Das von CDU, FDP und SPD für Nordhessen als „Leuchtturm“ auserkorene Infrastrukturprojekt sollte auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden. Kein Wahlkampf in den letzten zehn Jahren, in dem der Flughafenausbau von CDU, FDP und SPD nicht als das zentrale Projekt der Strukturförderung für Nordhessen gepriesen wurde.
Es folgten zehn Jahre Suche nach möglichen Nutzern des Flughafens, und zehn Jahre nichts als Absagen und Warnungen, dass sich das Projekt volkswirtschaftlich nicht rechnen werde. Die Vereinigung der deutschen Fluggesellschaften sagte mehrfach, dass sie keinen Bedarf für diesen Regionalflughafen sehe. Die Lufthansa hat abgewunken, und Fraport hat nur Unverständnis für dieses Projekt geäußert.
Für die ersten fünf Geschäftsjahre, das hat Finanzminister Schäfer bereits eingeräumt, wird beim Betrieb des Regionalflughafens Kassel-Calden mit einem jährlichen Defizit in Millionenhöhe gerechnet. Fünf Jahre lang sollen Stadt und Kreis Kassel und das Land für das Defizit aus dem Betrieb aufkommen. Für 2017 erwartet der Minister, in der Gewinnzone zu sein. Mit nichts kann Herr Minister Schäfer belegen, dass dies eintreffen wird. Es ist reine Spekulation. Es fehlen grundlegende seriöse Berechnungen.
Wie der hessische Steuerzahlerbund haben auch wir schon mehrfach eine neue Kosten-Nutzen-Berechnung durch das Land Hessen gefordert. Bis heute erhielten wir nur ausweichende Antworten. Im Mai 2010 sagte die Landesregierung auf unsere Anfrage, dass der bedarfsgerechte Ausbau des Flughafens Kassel-Calden einen volkswirtschaftlichen Nutzen im Sinne externer Erträge erzeugen werde, der über die regionalökonomischen Einkommens- und Beschäftigungseffekte hinausgehe. Letzte Woche hat uns Minister Schäfer im Haushaltsausschuss mit
Das ist eine unfassbare Schmierenkomödie, die hier aufgeführt wird. Weil die schon eher optimistisch berechneten Einkommens- und Beschäftigungseffekte den Flughafenbau nicht rechtfertigen, verweist die Landesregierung auf externe Erträge. Das Land sieht sich aber über Jahre nicht in der Lage, diese externen Erträge zu berechnen. Ich habe ja schon viel gehört, aber Kosten-Nutzen-Berechnungen unter Abschätzung volkswirtschaftlicher Effekte gehören bei solchen Projekten zum Standard. Sie mögen nicht sehr genau sein, aber sie sind keine Zauberei.
Bei der aktuellen Wirtschaftslage und den Prognosen für die Billigflughäfen – in dieser Kategorie wird sich KasselCalden behaupten müssen – sind schwarze Zahlen für 2017 reines Wunschdenken. Eine solche Prognose, Herr Minister Schäfer, kann man nur dann aufrechterhalten, wenn man davon ausgeht, 2017 kein Finanzminister mehr zu sein. Herr Minister, das halte ich für eine realistische und sichere Prognose. Dann braucht man den ökonomischen Unfug, den man verbrochen hat, nicht mehr zu verantworten.
Bereits jetzt entwickeln sich die Kosten für den Flughafenbau zu einer großen Bürde für die Region. Die Stadt und der Kreis Kassel sind mit jeweils 15,5 Millionen € beteiligt. Wie viele Kommunen ist auch Kassel so hoch verschuldet, dass der Haushalt vom Regierungspräsidium gedeckelt wurde. Kassel fehlt es an Geld, um die öffentlichen Gebäude adäquat zu unterhalten. Nur 60 % der benötigten Investitionen können getätigt werden. Die Folgen sind ein Investitionsrückstau, erhöhte Betriebskosten wegen ausstehenden Modernisierungen, gravierende Ausstattungsmängel und Personalmangel bei den Kitas sowie Bauverzögerungen, z. B. bei der Sanierung der Albert-Schweitzer-Schule. Dass die Sanierung aufgrund des öffentlichen Druckes jetzt fortgesetzt wird, geht zulasten anderer Sanierungsprojekte. Das CDU-Mitglied Markus Leitschuh sprach im Kasseler Ausschuss für Schule, Jugend und Bildung von „schlimmen Zuständen“ und davon, dass Begriffe wie „Bauverzögerung“ die Situation verharmlosen; es handle sich eher um eine Operation am offenen Herzen, bei der der Chirurg mittendrin den Raum verlasse. – So hört sich die CDU in der Oppositionsrolle zu ihrer eigenen Finanz- und Investitionspolitik an, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses.
Während die 15,5 Millionen € für den Flughafenausbau als sogenannte On-top-Finanzierung auf den Kasseler Haushalt aufgeschlagen werden, also nicht der Schuldenbremse unterliegen, sind die Ausgaben für öffentliche Gebäude, Schulen und Kindertagesstätten vom Regierungspräsidium gedeckelt worden. CDU und FDP haben es mit ihrer Finanz- und Investitionspolitik geschafft, die Verhältnisse genau entgegengesetzt zu den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der Menschen in der Region zu entwickeln.
Die Mittel für die Schulsanierungen und den Bedarf für die Kinderbetreuung gehören als On-top-Finanzierung auf den Kasseler Haushalt aufgeschlagen, und der Bau des unnötigen Flughafens – anstelle der Schulsanierungen – gehört gestoppt. Das wäre die richtige Politik.
Über die verkehrsplanerische Unsinnigkeit des Flughafens mit seiner Nähe zu den Flughäfen Paderborn, Hannover und auch Frankfurt ist letztes Jahr hier schon viel gesagt worden. Damit es nicht langweilig wird, will ich auf andere Unsinnigkeiten des Projektes eingehen.
Der Personen- und der Güterverkehr machen rund 45 % des hessischen Primärenergieverbrauchs aus. Zur Erreichung der Klimaschutzziele dürfen wir den Verkehrssektor, wie es die Landesregierung leider macht, nicht außen vor lassen. Fliegen ist die mit Abstand energieintensivste und ökologisch schädlichste Art, sich fortzubewegen. Auf den Punkt gebracht, heißt Klimaschutz im Verkehrssektor, innerdeutsche Flüge zu vermeiden, den Fracht- und den Personenverkehr auf die Schiene zu bringen und die Bahnstrecken auszubauen. Was macht die Hessische Landesregierung? Komplett gegenläufig fördert sie einen Regionalflughafen, auf dem ausschließlich innerdeutsche und europäische Flüge abgewickelt werden können – Flüge, die wir aus Gründen des Klimaschutzes, der endlichen Ölvorkommen und des Lärmschutzes möglichst vermeiden sollten.
Als würde das nicht schon reichen, sollen auch noch die geplanten Zuschüsse für den ÖPNV über die nächsten drei Haushaltsjahre um 20 Millionen € gekürzt werden. 20 Millionen € – das ist schon dem einen oder anderen aufgefallen – entsprechen ungefähr der Höhe der letzten Baukostensteigerung bei dem Flughafen Kassel-Calden. Ein überflüssiger und klimapolitisch unsinniger Flughafen wird gefördert, während die Mittel für den dringend notwendigen und klimaschonenden ÖPNV unter die Schuldenbremse fallen.
„Wir werden diesen Flughafen fertigstellen und betreiben“, hat der Herr Minister im Ausschuss gesagt. Es fehlt allein der Nachsatz: „koste es, was es wolle“. Ohne Haltelinie wird aus Steuermitteln zugebuttert werden. Begriffe wie „Schuldenbremse“ oder „Haushaltskonsolidierung“, die der Herr Minister bei Mehrausgaben für Bildung, Kinderbetreuung und den öffentlichen Personennahverkehr anbringt, kannte er in diesem Fall plötzlich nicht mehr.
Dass der Bau dieses Regionalflughafens die Zustimmung aus Brüssel erhalten hat, ist ein weiteres Mysterium in diesem Drama. Finanzminister Schäfer hat im Haushaltsausschuss mehrfach die Entscheidung der EU-Kommission als Bestätigung für die Sinnhaftigkeit des Projekts angeführt. Spannend ist allerdings, mit welchen Argumenten die EU-Kommission die Landesinvestition gebilligt hat. In der Stellungnahme der Kommission vom 25.02.2009 steht, dass der – ich zitiere – „Ausbau des Flughafens Kassel-Calden insbesondere im Hinblick auf die Überlastung des Flughafens Frankfurt zu sehen ist“. Weiter heißt es:
Sollte der Flughafen Frankfurt Main seine Nachtflüge einstellen oder reduzieren müssen, so wäre eine ernste Luftfrachtkapazitätskrise in Deutschland die Folge.
Der Regionalflughafen Kassel-Calden mit seinen vier genehmigten Flugbewegungen pro Nacht als Ausweichflughafen für Frankfurter Nachtflieger: Ist das die Idee der Landesregierung für den Fall, dass es in Frankfurt mit dem Nachtflugverbot ernst werden sollte?
Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie müssen erklären, was die Wahrheit ist. Soll Kassel-Calden ein Ausweichflughafen für die Nachtflüge werden, die vom
Frankfurter Flughafen verlegt werden müssen? Dann wurden die Bevölkerung und auch dieses Haus vorsätzlich getäuscht. Oder hat Brüssel – wissentlich oder unwissentlich – unter fragwürdigen Annahmen diese Landesinvestition gebilligt? Dann steht der öffentliche Nutzen des Flughafens infrage, und die EU-Kommission hätte ihre Zustimmung nicht geben dürfen.
Sagen Sie jetzt nicht, die Nachtflüge könnten in KasselCalden am Tag abgewickelt werden. Die meisten Nachtflüge sind nämlich Just-in-time-Flüge, die nachts abgewickelt werden müssen. Man kann nicht einfach die Zeiten ändern.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Die Ausgaben für das Projekt belaufen sich derzeit auf ca. 70 Millio nen €. Fehlinvestitionen in der Höhe von mindestens 271 Millionen € können noch daraus werden. Dazu kommen die Defizite in Millionenhöhe, die jährlich durch den Flughafenbetrieb entstehen. Um das zu verhindern, werben wir dafür, dass Sie unserem Antrag zustimmen. – Ich danke denjenigen, die mir zugehört haben.
Ich habe folgende Bitte: Ich weiß, dass das Mitteilungsbedürfnis nach der Mittagspause groß ist. Aber der Geräuschpegel, der dem Redner entgegenschlägt, ist ebenfalls sehr hoch. Deshalb bitte ich darum, wichtige Gespräche außerhalb des Saals zu führen.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident Heidel! Kaum jemand in diesem Haus weiß so gut wie Sie, dass sich die Region Nordhessen in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt hat.
Nach den vielen Jahren, in denen Nordhessen als strukturschwach galt und sich Rot-Grün damit abgefunden hatte, dass das so bleibt, ist unter CDU und FDP die Trendwende geschafft worden.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ohne FDP!)
So liegt die Arbeitslosigkeit in Nordhessen inzwischen unter dem Landesdurchschnitt. Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht? Zu Recht sind auch wir etwas stolz darauf.
Diese Entwicklung wurde möglich, weil die für diese Region passende Infrastruktur geschaffen worden ist und weil diese Landesregierung dafür sorgt, dass sie weiter ausgebaut wird.
Vor allem für Logistikunternehmen ist Nordhessen attraktiv geworden. Es liegt in der Natur der Sache, dass es keinen Wirtschaftsbereich gibt, der mehr auf eine gute Infrastruktur angewiesen ist als die Logistik.
Deshalb ist in unseren Augen ein Flughafen in dieser Region notwendig und sinnvoll. Wir werden diese positive Entwicklung auch weiterhin durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen begleiten.
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, auch die Stadt Kassel und der Landkreis Kassel wissen, wie wichtig diese Infrastrukturmaßnahme für die wirtschaftliche Entwicklung der Region ist. In den ersten Debatten war oftmals die Rede davon, dass Kassel-Calden ein reiner Flughafen für Ferienflieger sein sollte. Es wurde oft davon gesprochen, dass dort Billig-Airlines ihren Sitz haben sollten.
Als ich davon gesprochen habe, dass das eine Chance für die Logistik ist, wurde ich dafür belächelt.
„Immer noch“, sagen Sie. – Die Mitglieder der FDPFraktion waren während ihrer Sommerreise in der nordhessischen Region unterwegs. Wir haben mit vielen Unternehmern sprechen können, die direkt oder indirekt mit Logistik zu tun haben. Sie sagen: Jawohl, der Flughafen Kassel-Calden ist für uns ein wichtiger Standortfaktor. Wir werden diesen Flughafen für die Logistik nutzen. Uns hilft das echt weiter. Wir werden dadurch weitere Arbeitsplätze in der Region schaffen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Erde ist eine Scheibe!)
Meine Damen und Herren, Flughäfen sind ein Teil der öffentlichen Infrastruktur. Auch die Kollegin von der Linksfraktion hat das gerade zugegeben. Wie die Straßen, die Schienen oder die Wasserwege sind sie ein Teil der öffentlichen Infrastruktur. Sie sind eine moderne Form der Infrastruktur; denn sie öffnen das Tor zu den globalisierten Märkten.