Unsere Partei hat an der Stelle immer zu diesem Prinzip gestanden. Zu der Zeit, als hier in Hessen Studiengebühren eingeführt worden sind, hat die FDP, wie Sie wissen, nicht mitregiert.
Insoweit ist das an dieser Stelle nicht fehlerhaft. Im Übrigen sehen wir, dass das Thema Gebühren gar nicht das maßgebliche Thema ist.
Die Gebühren werden auch in anderen Ländern nicht mehr erhoben. Wir brauchen trotzdem maßgeblich das Prinzip „Geld folgt Student“. Das ist genau das richtige Prinzip.
Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, die Zahl der Studierenden in Deutschland stetig nach oben zu korrigieren.
In der Tat ist der Ansturm der Studierenden auf die Hochschulen nichts Neues. Herr Dr. Müller, Sie sind in der Runde der Obleute neu. Zu Ihrer Rede sei gesagt: Wir haben es hier nicht mit einem Erdbeben zu tun, sondern das ist eine Entwicklung, auf die wir uns seit Jahren haben – bzw. hätten – vorbereiten können.
Mit etwa 196.000 Studierenden hat die Studierendenzahl in Hessen einen neuen Höchststand erreicht. Das sind immerhin 45.000 Studierende mehr als noch vor zehn Jahren. Jetzt schauen wir uns einmal an, wie sich die Zahlen und Prognosen entwickelt haben. Im Hochschulpakt I des Bundes, also dem zuerst geschlossenen Pakt, dem Pakt für den Zeitraum 2007 bis 2010, wurden ein Mehr von 91.000 Studierenden prognostiziert. Real haben wir 158.000 Studierende mehr bekommen. Das heißt, die damals prognostizierten Zahlen sind schon längst überschritten.
Hinzu kommt jetzt die Aussetzung der Wehrpflicht. Auf Hessen speziell kommen außerdem die Auswirkungen der doppelten Abiturjahrgänge zu. Das liegt in Hessen noch vor uns – in den Jahren 2013/2014. Das heißt, man kann hier wirklich nicht von einem Erdbeben sprechen, sondern man muss sagen, dass das eine Entwicklung ist, die sich seit Jahren abzeichnet und auf die seit Jahren nicht adäquat reagiert wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))
Jetzt wird ein Streit darüber geführt, ob es einen sogenannten Peak gibt. Davon haben Sie geredet, obwohl das ja eigentlich ein Anglizismus ist.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Rolf Müller (Geln- hausen) (CDU): Besondere Situationen erfordern besondere Mittel!)
Lassen Sie uns nicht darüber streiten, das war ja nur ein Scherz am Rande. – Es gibt aktuelle Studien, die besagen, dass die Prognose, die Zahlen würden zurückgehen, nicht eintreffen wird. Das ist im Prinzip auch gut so. Auch darüber brauchen wir uns nicht zu streiten, denn dass die Erhöhung der Studierendenquote grundsätzlich eine gute Nachricht ist, darüber sind wir uns wohl einig. Wir brauchen nämlich mehr gut ausgebildete Menschen für die Wissensgesellschaft, und über den drohenden Fachkräftemangel wird tagtäglich in Fachkreisen und Zeitungen diskutiert.
Das Problem ist, dass die Hochschulen hierauf nur unzureichend vorbereitet sind. Weder der hessische Hochschulpakt 2011 bis 2015 noch der Hochschulpakt von Bund und Ländern, weder der Hochschulpakt I noch der Hochschulpakt II finanzieren die einzelnen Studienplätze auskömmlich. Hier gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die wir einmal genauer beleuchten müssen, soweit das innerhalb von zehn Minuten möglich ist.
Die Hochschulen sind schon jetzt, ohne den Hochschulpakt 2020 bzw. das neue Studierendenhoch, mit ihren Kapazitäten am Limit. Sie sind unterfinanziert. Die Steigerungen in den letzten Jahren – das gilt für den Hochschulpakt I, aber auch für den Hochschulpakt II auf Bundesebene – wurden nicht auskömmlich finanziert. Die Hochschulen haben Pi mal Daumen pro Studierendem eine bestimmte Summe bekommen. Gemessen an den hessischen Clusterpreisen – also den Mitteln, die die Hochschulen in Hessen pro Studierendem nach bestimmten Fächerclustern, weil Studiengänge eben unterschiedlich teuer sind, bekommen – wurde durch den Hochschulpakt I der niedrigste Clusterpreis finanziert. Das heißt, in allen anderen Studiengängen, beispielsweise den Ingenieurwissenschaften und den Naturwissenschaften – wir reden immer davon, dass wir genau da Leute brauchen, dass genau da ein Fachkräftemangel herrschen wird –, haben die Hochschulen die Studierenden sozusagen auf eigene Kosten ausgebildet.
Hinzu kommt, dass die Mittel für den Hochschulpakt in Hessen zurückgefahren wurden. Die Hochschulfinanzierung in Hessen wurde zurückgefahren, und zwar zu einem Zeitpunkt, als alle darüber gesprochen haben, dass wir uns bundesweit anstrengen müssen, des Studierendenansturms, über den seit Jahren diskutiert wird, Herr zu werden. Die Bundesbildungsministerin hat damals gesagt, dass sich Kürzungen in den Landeshaushalten mit dem Hochschulpakt auf Bundesebene nicht vertragen. Das möchte ich hier einmal erwähnen, weil ich denke, es ist klar, dass die Landesregierung hier in die vollkommen falsche Richtung geht. Zu diesem Thema ein Zitat des Präsidenten der Frankfurter Universität, Herrn Prof. MüllerEsterl, in der „Frankfurter Neuen Presse“ vom 9. September.
Bund und Länder unterstützen zwar durch den Hochschulpakt 2020 den Ausbau zusätzlicher Studienplätze, gleichzeitig hat jedoch Hessen die
Grundfinanzierung 2011 gekürzt. Wir kompensieren das teilweise mit Mitteln aus dem Hochschulpakt 2020.
Das heißt, aus der einen Tasche wird die andere Tasche gestopft. Beide Taschen haben aber Löcher und sind relativ leer. Die Finanzierung des Mehr an Studierenden ist nicht auskömmlich. Sie treiben mit der Unterfinanzierung beider Pakte die Hochschulen immer weiter dorthin, dass sie die Qualität der Ausbildung nicht halten können, dass es wieder überfüllte Hörsäle geben wird, dass es einen Mangel an Praktikumsplätzen geben wird, dass es weniger Geld für Bibliotheken geben wird. Wir kennen das bereits. All das hier mit Sprechblasen zu ignorieren und keine Antworten zu geben, ist wirklich blanker Hohn.
Ich verlange von der Landesregierung, sich zum einen auf der Bundesebene dafür einzusetzen, dass man überlegt, wie man den Problemen gemeinsam begegnen kann, zum anderen ihre Hausaufgaben zu machen und die hausgemachten Probleme besser in den Griff zu bekommen. Schauen wir uns einmal die Grundfinanzierung an. Frau Kollegin Wissler hat es schon gesagt: Es ist natürlich nicht richtig, immer nur nach der nominalen Höhe des Haushaltsansatzes zu schauen; wir müssen ihn gegen die Zahl der Studierenden halten. Auf eine Anfrage habe ich von der Landesregierung sehr dezidiert die Antwort bekommen, dass die Landesausgaben pro Studierendem wirklich nur in sehr, sehr geringem Maße gestiegen sind.
Schauen wir uns einmal an, wie das in Zukunft sein wird. Wir haben den aktuellen Landeshaushaltsplanentwurf vorliegen. Die Clusterpreise sind darin genannt. Ich nehme einmal zwei Beispiele für Fächer, bei denen wir uns einig sind, dass es in Zukunft einen Fachkräftemangel gibt und dass wir mehr Studierende ausbilden müssen. Das sind zum einen die Ingenieurwissenschaften. In diesem Fach wurden den Hochschulen im Jahr 2011 pro Studierendem 15.676 € vergütet. Für 2012 sind pro Studierendem 13.565 € eingeplant. Das heißt, die Universitäten müssen für jeden Studierenden der Ingenieurwissenschaften im kommenden Jahr 2.111 € aus der eigenen Tasche finanzieren, obwohl die leer ist. Da frage ich mich, wie Sie sich vorstellen, wie das in den nächsten Jahren weitergehen kann.
Diese Rechnung könnten wir für fast alle Clusterpreise aufmachen. Bei den Naturwissenschaften sollen die Hochschulen im kommenden Jahr 1.803 € weniger bekommen; bei den Geisteswissenschaften sind es „nur“ 571 €, die sie demnächst aus eigener Tasche zahlen müssen. Hier kann man sicherlich nicht davon sprechen, dass das Geld den Studierenden folgt. Im Gegenteil, die Unterfinanzierung folgt den Studierenden. Das ist der eigentliche Skandal; denn das sind Ihre Hausaufgaben, die Sie nicht gemacht haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Vizepräsident Lo- thar Quanz übernimmt den Vorsitz.)
Darüber hinaus haben wir in Hessen die Situation – leider ist die Hochschulfinanzierung etwas kompliziert und daher dem Publikum nicht ganz so zugänglich –, dass der Hochschulpakt neu verhandelt wurde und dass man ein
Das funktioniert in Zukunft so: Die Hochschulen, die den größten Zuwachs an Studierenden haben, bekommen das meiste Geld. Das heißt, die Hochschulen sind, um am Hochschuletat zu partizipieren, gezwungen – da hilft ihnen auch kein Länderausgleich –, so viele Studierende wie möglich aufzunehmen; denn sie müssen Angst haben, dass andere Hochschulen vielleicht einen noch größeren Zuwachs an Studenten haben und sie deshalb weniger Geld als zuvor bekommen.
Verehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, verehrte Mitglieder der Landesregierung, die Mindestforderung an Sie ist, dass dieser ruinöse Wettbewerb der Hochschulen in Hessen beendet wird und dass man über den Hochschulpakt neu verhandelt.
Ich habe es geahnt. Dabei habe ich hier Material für weitere zehn bis 20 Minuten Redezeit. – Ich glaube, Herr Dr. Müller war derjenige, der von der Champions League gesprochen hat. Ich würde sagen, das hier ist alles andere als eine Champions League. Mich erinnert das eher an ein Spiel, bei dem die Spielführerin, die es eigentlich gestalten sollte, einfach vom Platz geht.
Sie verweisen zum einen auf die Autonomie der Hochschulen – also nach unten – und zum anderen auf die Verantwortung des Bundes, die er mit dem Hochschulpakt 2020 übernommen hat. Aber Ihre eigenen Hausaufgaben machen Sie nicht. Ich fordere Sie erneut auf: Verhandeln Sie neu mit den Hochschulen, und werden Sie endlich Ihrer Verantwortung gerecht.
Vielen Dank, Frau Kollegin Sorge. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Grumbach, Sie haben dargestellt, wie oft wir über den Hochschulpakt und über die Hochschulen debattiert haben. Aber wenn man sich den Antrag der SPD ansieht, bekommt man den Eindruck, Sie haben nicht zugehört oder, wenn doch, nicht verstanden, was dort gesagt worden ist. Deswegen sage ich: Das ist einer der unprofessionellsten Anträge der SPD, die ich je gesehen habe, und er enthält eine Menge falscher Aussagen. Das ist die Hochschulpolitik der SPD.
Es ist Ihnen anscheinend entgangen, dass seit Anfang dieses Jahres eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen zum Kapazitätsausbau erfolgt ist. In einem der Punkte Ihres Antrags schlagen Sie ein Notprogramm in Höhe von 25 Millionen € vor. Ein Vielfaches von dem investieren wir bereits, und deswegen sage ich Ihnen: Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Notprogramm der SPD, mit dem unsere Hochschulen Not leidend werden würden.
Zu dem Antrag im Einzelnen. Die Anmietungen, die vorgenommen werden, die schnell zu realisierenden Baumaßnahmen und die Herrichtung der genutzten Gebäude können die Hochschulen aus Mitteln bezahlen, die sie vorher gar nicht hatten. Solange die Bauten, die auf der Grundlage der HEUREKA-Programme errichtet werden, nicht fertig sind, haben die Hochschulen damit Möglichkeiten, diese Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Ferner will ich darauf hinweisen, dass Vorhaben und Investitionen zum schnellen Ausbau des E-Learnings gefördert werden. Hören Sie jetzt genau zu: Im Jahr 2012 sind für die genannten Projekte rund 47 Millionen € vorgesehen und im Jahr 2013 weitere 21 Millionen €. Ich frage mich – allein die Kosten für diese Maßnahmen übersteigen den Betrag um ein Vielfaches –, wie Sie auf ein Notprogramm in Höhe von 25 Millionen € kommen können. Das ist wirklich abenteuerlich.
Im Haushalt 2012 ist für den Hochschulpakt 2020 eine Erhöhung um knapp 94 Millionen € auf 142,6 Millionen € vorgesehen. Der Hochschulpakt 2020 finanziert genau die Studienplätze, die zusätzlich kommen.
Ich will darauf hinweisen, dass die SPD einen Ausbau der Studienplatzkapazitäten gegenüber dem Stand des Jahres 2010 fordert. Das ist völlig unverhältnismäßig und langfristig auch nicht nötig. Die derzeitige Zunahme der Zahl der Studienanfänger hat nämlich mehrere Komponenten: Da ist zum einen der Demografiefaktor. Es fangen jetzt die Kinder der Babyboomer-Generation mit dem Studium an. Zum anderen haben wir es mit der vorgezogenen Studienaufnahme aufgrund von G 8 zu tun.
Da das von Frau Sorge und Herrn Grumbach immer wieder vermengt wird, möchte ich in dem Zusammenhang auf etwas hinweisen: Man müsste langsam gemerkt haben, dass es in Hessen keine doppelten Abiturjahrgänge, sondern nur die auf drei Jahre verteilten gibt. Außerdem haben wir den Wegfall des Wehrdienstes.