Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie können noch so viel schreien, Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zu Beginn des letzten Jahrzehnts im Deutschen Bundestag eine Debatte über die Frage gegeben hat: Wird Griechenland in die Eurozone aufgenommen, ja oder nein?
Sie können auch nicht verheimlichen, dass bei dieser Debatte der damalige FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Graf Lambsdorff, sehr präzise die Zukunft voraussehend, darauf hingewiesen hat, dass es nicht richtig war, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen. Das ist die geschichtliche Wahrheit.
Herr Kollege Al-Wazir, Sie können Ihr graues Haupt noch so sehr schütteln: Es war die Regierung unter Gerhard Schröder und Joseph Martin Fischer – unter anderem der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel –, die in dieser Debatte jedes Argument des Kollegen Graf Lambsdorff zur Seite geschoben hat. Sie haben mit Ihrer Mehrheit dafür gesorgt, dass eine falsche Entscheidung aufgrund falscher Grundlagen getroffen worden ist. Griechenland hätte damals nicht in die Eurozone aufgenommen werden dürfen.
Es ist faszinierend, wie Sie meinen, die Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit abwickeln zu können. Ich habe das Gefühl, dass bei den GRÜNEN und den Sozialdemokraten die Zeitspanne, in der man etwas vergisst, so berechnet ist, dass es die Regierungszeit von Gerhard Schröder und Joseph Martin Fischer einfach nicht mehr gibt. Das gilt für Hartz IV, das gilt aber auch für Europa. In beiden Fällen sind von der damaligen Bundesregierung falsche Entscheidungen getroffen worden.
Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, dass wir uns einmal mit zwei Begriffen auseinandersetzen, die ich beide auch in einem Interview mit dem Bundesvorsitzenden der GRÜNEN, Herrn Kollegen Özdemir, vor einigen Tagen in der „Wirtschaftswoche“ gelesen habe.
Der erste Begriff lautet Souveränität. Cem Özdemir wird mit den Worten zitiert: „Es gibt keine Eurobonds, wenn die Länder nicht gleichzeitig auf Souveränität verzichten.“ Ich bin sehr dankbar, dass er das so deutlich gesagt hat. Ich bin sehr dankbar, dass er deutlich macht, dass wir
uns in der deutschen Politik darauf verständigen müssen, ob wir weiterhin Rechte, die der Deutsche Bundestag und bzw. oder der Bundesrat – direkt gewählt vom Volk und indirekt gewählt über die Landtage – haben, an eine, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert, noch nicht endgültig demokratisch legitimierte Verwaltung in Brüssel abgeben. Wollen wir weiterhin Rechte, die wir haben – z. B. das Haushaltsrecht, das Königsrecht, das Juwel, über das in den letzten Tagen diskutiert worden ist –, abgeben an Institutionen in Europa, die demokratisch nicht so legitimiert sind, wie wir das Wort „demokratisch“ verstehen?
Wir wollen, dass die Souveränitätsrechte in Deutschland verbleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es einmal sehr plastisch. Es ist relativ egal, was jeder von uns politisch davon hält. Wir haben nämlich Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorliegen. Wir haben eine Entscheidung vom Juli 2009 im Zusammenhang mit dem Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon, in der das Bundesverfassungsgericht deutlich – auch für jeden Nichtjuristen deutlich – geschrieben hat: Jetzt ist die Grenze erreicht. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer weiterhin Souveränitätsrechte abgeben will, der muss das Grundgesetz ändern. Wer weiterhin Souveränitätsrechte abgeben will, der muss sich damit auseinandersetzen, wie er dafür eine Legitimation in unserem Lande finden will.
Das geht auch nicht mit Neuwahlen, sondern nur mit einem neuen Grundgesetz. Das Grundgesetz hat aber eine Ewigkeitsgarantie.
Ich bin gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht am 7. September entscheiden wird. Ich glaube, wir werden ab dem 7. September, 10:30 Uhr, eine etwas andere, eine nicht mehr ganz so naive Diskussion über Europa führen, wie sie eben von dem einen oder anderen Redner leider geführt worden ist.
Das zweite Thema lautet Solidarität. Kollege Kaufmann hat eben mit Verve seine Kindheitserinnerungen abgearbeitet: hinten im Auto sitzend – ich hoffe, damals noch nicht so kräftig, sonst war das sehr eng –,
mit Visa von Italien durch Österreich oder die Schweiz nach Deutschland fahrend. Das haben viele von uns erlebt. Deshalb bin ich so dagegen, dass Populisten in anderen Ländern der Europäischen Union meinen, mit vorgeschobenen Grenzkontrollen die Freiheit der Bürger wieder einschränken zu können. Auch da müssen wir uns laut melden.
Ich habe keine Unterstützung durch die GRÜNEN und die Sozialdemokraten gehört, als eine entsprechende Initiative der Landesregierung fast einstimmig – bis auf die Gegenstimme Schleswig-Holsteins – in der Europaministerkonferenz beschlossen worden ist.
Zurück zum Thema Solidarität. Der Herr Bundespräsident hat gestern eine offensichtlich sehr beachtliche Rede gehalten. Ich möchte daraus wie folgt zitieren:
Es ist allerdings ein Missverständnis, Solidarität allein an der Bereitschaft zu bemessen, andere finanziell zu unterstützen, für sie zu bürgen oder gar mit ihnen gemeinsam Schulden zu machen. Was wird da eigentlich verlangt? Mit wem würden Sie persönlich einen gemeinsamen Kredit aufnehmen? Auf wen soll Ihre Bonität zu Ihren Lasten ausgedehnt werden? Für wen würden Sie persönlich bürgen, und warum? Für die eigenen Kinder hoffentlich ja. Für die Verwandtschaft – da wird es schon schwieriger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es nicht naiv – um nicht ein noch schärferes Wort zu verwenden –, wenn sich Redner hierhin stellen und sagen: „Wir müssen jetzt solidarisch mit den Griechen sein, wir machen Eurobonds, und dann schauen wir, wie es weitergeht.“ – Das ist keine Solidarität, wie wir als Landesregierung sie verstehen.
Das richtet sich sogar gegen den Gedanken der Solidarität, weil zu Solidarität immer auch ein gemeinsames Handeln gehört, wie der Bundespräsident vollkommen zu Recht gesagt hat.
Die Unsolidarischsten von allen sind wieder einmal die LINKEN. Das ist ja klar; die sozialisieren ja alles zulasten aller. Das haben wir gestern mehrfach gehört. Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen: Wir brauchen keinen Eurobond mit 60 : 40, sondern mit 100 : 0. – Sehr geehrter Herr Kollege van Ooyen, was sagen wir dann eigentlich der nächsten Generation hier in Deutschland, für die wir gewählt sind? Für die sind wir gewählt, nicht für naive Vorstellungen von Solidarität unter Sozialisten in Europa.
Solidarität bedeutet nicht Dummheit. Solidarität heißt auch nicht, dass man all das mitmacht, was der andere tut. Solidarität bedeutet vielmehr, dass man einen Rahmen dafür schafft, dass der andere die Chance bekommt, die Fehler, die er gemacht hat, gesichtswahrend in irgendeiner Weise wieder auszugleichen.
Dafür sind jedenfalls Eurobonds mit 100 : 0 gerade das total falsche Mittel, Herr van Ooyen. Das ist in diesem Hause wohl unumstritten. Weder der Kollege Al-Wazir noch der Kollege Reuter hat davon gesprochen, dass sie Eurobonds ohne irgendeine Bedingung haben wollen. Herr van Ooyen, lassen Sie es doch bitte sein, den Menschen Sand in die Augen zu schießen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, die Debatte ist viel zu wichtig, als sie nur oberflächlich zu führen.
insbesondere als Hessen auf zwei Dinge achten müssen. Das eine ist die Frage: Welche Steuer bringt etwas? Sie wissen, dass ich als Person nicht der Überzeugung bin, dass eine Transaktionssteuer etwas bringt – außer Geld, und dann streiten wir uns in diesem Raum wieder darüber, wer es bekommt. Die eine Seite will es Europa überweisen; die andere Seite will es in Deutschland lassen. Das ist also wieder ein Thema, bei dem wir uns streiten können. Aber neben der Frage, was etwas bringt, lautet die nächste Frage: Was schadet Hessen?
Ich gebe zu, man muss zwischen dem Euro der 17 und dem Europa der 27 differenzieren. Wenn es eine Transaktionssteuer gäbe, die nur für das Euroland der 17 gelten würde, wäre ein einziger großer Finanzplatz betroffen, nämlich Frankfurt am Main. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich das Votum des Hessischen Landtags mit in die Verhandlungen nach Brüssel nehmen, wonach keine Fraktion in diesem Haus eine Transaktionssteuer haben will, die ausschließlich zum Schaden des Standorts Frankfurt am Main ist? Ist das in diesem Haus Konsens? Ich bitte, dass darüber in der entsprechenden Art und Weise diskutiert wird.
Wir können uns dann nämlich – die Gelehrten streiten sich noch darüber, wie viele es sind – von einer großen Zahl von qualifizierten Arbeitsplätzen verabschieden. Es bedarf nur der Eingabe in den Computer, und eine Sekunde später ist der Handel in London. Ich wünsche das dem Standort Frankfurt nicht. Der Herr Ministerpräsident und ich – die ganze Landesregierung –, wir werden alles dafür tun, dass es eine Transaktionssteuer, die ausschließlich auf den Euroraum bezogen ist, nicht geben wird; denn sie würde den Interessen des Finanzplatzes Frankfurt am Main und damit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, von denen wir gewählt worden sind, erheblich schaden.
Letzte Bemerkung. Ich bedanke mich herzlich für den Antrag der Koalitionsfraktionen zu dem Thema Beteiligungsrechte.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Es ist faszinierend, mit welchen Argumenten Sie das zu verhindern versuchen!)
Ich hoffe auch, dass sie alle im Protokoll stehen, damit die Menschen nachlesen können, mit welcher Schlichtheit ei