Protocol of the Session on August 25, 2011

Ich hoffe auch, dass sie alle im Protokoll stehen, damit die Menschen nachlesen können, mit welcher Schlichtheit ei

nige Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause mit den Souveränitätsrechten des Landes Hessen umgehen.

Wir machen das nicht, sondern wir kämpfen dafür, dass der Bundesrat mehr Beteiligungsrechte erhält, als die Bundesregierung uns derzeit gewähren zu müssen meint. Wir kämpfen dafür – Frau Staatssekretärin Beer und ich in der Europaministerkonferenz, der Herr Ministerpräsident in der Ministerpräsidentenkonferenz und unser Bundesratsminister immer dann, wenn er in Berlin ist, und das ist fast täglich der Fall –, dass es auch vom Bundesrat mitgetragen wird, wenn gewisse Weichenstellungen vorgenommen werden, z. B. bei der Frage, ob der EFSF weitere Dinge machen darf oder nicht.

Warum ist das so? Alle Beteiligten wissen – ich bleibe bei dem Beispiel einer Bürgschaft unseres Bundespräsidenten –, dass, wenn entsprechende Maßnahmen vom EFSF bzw. künftig vom ESM ergriffen werden, dies konkrete Auswirkungen auf den Haushalt des Landes Hessen haben wird. Ich bin nicht bereit, ohne eine große Diskussion – auch in meiner Partei, ja, ich gebe es zu – dafür zu sorgen, dass entsprechende Mitentscheidungsmöglichkeiten verankert werden.

Dabei bin ich – das sage ich sehr deutlich – über die Verhaltensweisen der Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag überrascht. Anstatt mit den Bundesländern ein Bündnis einzugehen und Arm in Arm dafür zu kämpfen, dass es kein Europa der Bundesregierungen gibt, wird derzeit eine Differenzierung zwischen den Rechten des Bundestages und den Rechten des Bundesrates vorgenommen. Ich möchte nur der Form halber darauf hinweisen, dass es, sollte es Spitz auf Knopf gehen, bei entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben auch möglich ist, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Deshalb sage ich: Ich habe das Gefühl, dass wir, wenn wir uns alle wieder auf das Thema „Souveränität des Landes“ und das Thema „Solidarität in Europa“ konzentrieren, die Schnellschüsse sein lassen und nicht sagen sollten: Die Eurobonds sind klasse.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Seit zehn Jahren gefordert!)

Fachlich will ich gar nicht mit Ihnen darüber streiten. Ich höre aber von all den Beratern, die wir haben, dass Eurobonds nur für ein paar Monate eine Lösung sein können und dass wir uns dann auf einen Schuldenerlass von 40 % konzentrieren müssen; denn wir alle – bis auf die LINKEN – sind uns darin einig, dass wir keine 100-prozentige Übernahme der Schulden durch Eurobonds finanzieren können. Damit kaufen wir uns also wieder nur Zeit. Ich höre von vielen Beteiligten, dass sie eine Transaktionssteuer weniger gut finden als eine Aktivitätssteuer.

Über all das muss man im Detail reden. Aber der Kompass, von dem Helmut Kohl gestern gesprochen hat, ist dann gegeben, wenn wir uns wieder darauf besinnen, was die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland ist und wie die Solidarität in Europa organisiert ist. Das ist keine Einbahnstraße, die vom deutschen Steuerzahler nach Griechenland führt. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Europaminister Hahn. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich jetzt Herr Wagner zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Wag

ner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, man muss dazu sagen, dass eben der stellvertretende Ministerpräsident und Europaminister des Landes Hessen gesprochen hat. Angemerkt hat man es dieser Rede nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister Hahn, ich frage Sie allen Ernstes: Ist das, was Sie heute hier vorgetragen haben, das Einzige, was dem Europaminister der Landesregierung zu dem Thema Europa einfällt?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Er hat in seiner Rede über die großen Probleme, die wir zurzeit in Europa haben, als Erstes erwähnt, dass seiner Meinung nach die Namen Joschka Fischer und Gerhard Schröder in dem Antrag fehlen. Ist das das Einzige, was dem Europaminister dieser schwarz-gelben Landesregierung dazu einfällt? Herr Minister Hahn, mit dieser Redeeröffnung haben Sie gezeigt, wie klein Sie eigentlich sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der FDP)

Wenn es Ihnen irgendwie weiterhilft: Ja, die Beiträge von Helmut Kohl und Willy Brandt zur europäischen Einigung waren größer als die von Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Es gibt Fraktionen, die die Größe haben, das zuzugestehen, und es gibt so kleinmütige Leute wie Sie, die fragen, warum das nicht in dem Antrag steht. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich frage mich: Was ist eigentlich

(Florian Rentsch (FDP): Aus einer früher einmal liberalen Partei geworden!)

aus einer früher einmal liberalen Partei mit großen Außenministern wie Hans-Dietrich Genscher geworden? Herr Europaminister, Sie haben die Ideen des Liberalismus und eines geeinten Europas, wie sie von Genscher sowie von Adenauer und Kohl vertreten worden sind,

(Florian Rentsch (FDP): Adenauer, Kohl, Napoleon!)

heute hier auf den Hund gebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte aus einem Interview mit Hans-Dietrich Genscher zitieren, das am 15. Juli 2011 im „Tagesspiegel“ erschienen ist:

Für Europa geht es jetzt darum, aus der Not eine Tugend zu machen. Das heißt, wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa. Wir müssen Schwächen der Verträge von Maastricht überwinden und die dort getroffenen Regelungen durchsetzen. Europa braucht eine immer engere wirtschafts- und finanzpolitische Zusammenarbeit zur Sicherung glo

baler Wettbewerbsfähigkeit. Die europäischen Organe brauchen die erforderlichen Kompetenzen.

Weiter heißt es:

Diesmal geht es nicht allein um uns Europäer, es geht um eine stabile globale Weltordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Minister Hahn, das sind Politiker, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Was wollen Sie eigentlich mit Ihrem Hinweis darauf ausdrücken, dass Otto Graf Lambsdorff gegen die Aufnahme von Griechenland in die Eurozone war? Was wollen Sie damit eigentlich sagen?

(Gerhard Merz (SPD): Dass er dagegen war!)

Wenn Sie in die Verlegenheit kämen, tatsächlich an europäischen Verhandlungen teilzunehmen, würden Sie der griechischen Regierung in der Situation, in der wir sind, gegenübertreten und allen Ernstes sagen: „Otto Graf Lambsdorff hat aber vor ein paar Jahren gesagt, wir hätten Sie nicht aufnehmen dürfen“? Herr Kollege Hahn, welchen Beitrag leistet die Regierung damit zur Lösung von Problemen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Wolfgang Greilich (FDP))

Sie haben sich am Ende Ihrer Rede auf Helmut Kohl bezogen. Helmut Kohl hat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt, wir müssen Griechenland helfen. Wir müssen nicht rechthaberisch sagen, was Otto Graf Lambsdorff vor ein paar Jahren gesagt hat, sondern wir müssen ihnen helfen.

(Florian Rentsch (FDP): Was habt ihr denn bis jetzt gemacht? Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der FDP)

Darauf hat Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende der GRÜNEN, das Richtige gesagt. Auch das ist ein Zitat. Herr Minister, Sie müssen schon vollständig zitieren.

(Florian Rentsch (FDP): Dann zitieren Sie auch vollständig!)

(Florian Rentsch (FDP): Dann zitieren Sie doch auch vollständig!)

Ja, das mache ich. – Die Frage an Cem Özdemir in der „Wirtschaftswoche“ lautete:

Sollen die etwa weniger sparen, weil die gesunden Länder schon haften werden?

Cem Özdemir:

Ganz im Gegenteil. Eurobonds sind ein Instrument, um alle Länder zu mehr Disziplin in der Haushaltspolitik zu zwingen. Wer sie in Anspruch nimmt, der muss Souveränität nach Brüssel abgeben. Das bedeutet dann ein klares Ende des Schuldenmachens, denn niemand wird sich leichtfertig entmachten lassen und sich umso mehr anstrengen, die Regeln einzuhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Europaminister Hahn, genau diesen Mechanismus haben wir im Moment in Europa eben nicht, dass wir die Länder, wenn sie die Solidarität der Gemeinschaft in Anspruch nehmen, zu Konsolidierungen zwingen können. Dass Sie das nicht verstanden haben, dass Ihnen Ihr klei

nes parteipolitisches Karo wichtiger ist als die große europäische Idee, zeigt: Sie sind eine völlige Fehlbesetzung im Amt des Europaministers.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU: Na, na!)

Das Wort hat der Ministerpräsident. Bitte schön.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))