Protocol of the Session on June 7, 2011

Tatsächlich stellt man fest: Die von der wissenschaftlichen Begleitung – unter anderem auch just des Ministeriums von Frau von der Leyen – gerade empfohlenen Instrumente sollen dieser Kürzungsorgie anheimfallen, während die Dinge, von denen man weiß, dass sie noch nie groß etwas getaugt haben, bestehen bleiben sollen. Meine Damen und Herren, ein ganz klein bisschen Evidence-based Politics würde auch der Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung sehr gut zu Gesicht stehen – wenn man denn wüsste, worum es da geht.

Wir stellen gerade fest, dass die Gutscheinversorgung überhaupt nichts nützt, sondern sie führt im Gegenteil allenfalls zu Mitnahmeeffekten. Gerade dadurch konnten wir keinen Erfolg feststellen – während auf der anderen Seite im öffentlich geförderten Arbeitsmarkt hervorragende Ergebnisse zu erreichen waren.

Meine Damen und Herren, Arbeit, Teilhabe an Arbeit, ist deutlich mehr als nur Erwerbseinkommen.

(Beifall bei der SPD)

Arbeit zu haben bedeutet soziale Integration. Arbeit bedeutet Teilhabe am täglichen Erfolg, am täglichen Widerspiegeln eines sinnhaften Tuns. Menschen möchten etwas Vernünftiges zu machen haben. Sie haben auch ein Recht darauf. Daran müsste sich eine aktive Arbeitsmarktpolitik weitaus stärker orientieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was aber erleben wir? Wir erleben, dass Instrumente der Eingliederung, der Bereitstellung gekürzt werden, während an den Stellen, an denen bislang erfolgreich gehandelt wurde, wenig getan wird. Nötig wäre es vor allen Dingen, die Handlungsfreiheit der Kommunen zu erhöhen, ohne zugleich Maßnahmen aus dem Anspruchsbereich in einen Ermessensbereich zu transferieren. Nötig wäre es, den Gutscheinunsinn und die Nebenvermittlungen neben der Bundesagentur aufzulösen. Denn wir stellen fest: Das nützt überhaupt nichts. Es gibt keine Verbesserung der Vermittlung durch private Arbeitsvermittlung – allenfalls eine gewisse Spezialisierung. Tatsächlich ist der Gewinn nur darin zu sehen, dass es mehr Vermittler gibt. Die

könnte man auch im Rahmen der Bundesagentur für Arbeit haben.

Tatsächlich sieht man, dass Eingliederungszuschüsse und Gründungsförderungen ganz besonders positive Effekte haben. Herr Bocklet hat eben auf die Zahlen verwiesen. Ich muss das nicht wiederholen.

Was aber macht diese Bundesregierung? Sie kürzt die Mittel massiv und stellt den Rest in Ermessensspielräume – unter der Maßgabe der Kürzungen. Wir wissen, was das bedeutet: Es bekommt nur noch ein Teil, und gerade die, die die Chance besonders nötig haben, werden davon ausgeschlossen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Meine Damen und Herren, es ist auch grundsätzlich erforderlich, das Verhältnis der Instrumente des Sozialgesetzbuchs II zu denen des Sozialgesetzbuchs III zu prüfen und an der einen oder anderen Stelle neu zu bestimmen. Auf die Notwendigkeit eines öffentlichen Arbeitsmarktes habe ich eben schon verwiesen.

Lassen Sie mich allerdings an dieser Stelle sagen: Da sind wir von dem Antrag der GRÜNEN ein bisschen enttäuscht.

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Ein bisschen rechnen muss man schon. Wer meint, man könne die gegenwärtigen Mittel, die für die Bezieher von Hartz IV ausgegeben werden, einfach umdeklarieren und sagen, das gibt es jetzt als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – mit Verlaub, es sind Grundrechenarten der 4. Klasse, die es einem deutlich machen: Ganz so einfach geht es nicht.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ja, wir brauchen einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Ja, wir müssen dabei sicherstellen, dass eine solche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ein Einkommen über der Höhe von Hartz IV plus Freibeträge aus Beschäftigung plus Sozialversicherung plus, plus, plus darstellt. Dann aber werden wir feststellen: Das funktioniert ganz sicherlich nicht, indem man einfach die vorhandenen Mittel einsetzt.

Das ist kein Hinderungsgrund, das zu tun.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das zeigt nur, dass man an dieser Stelle ehrlich sagen muss, dass hierfür mehr Mittel erforderlich sind.

Meine Damen und Herren, genauso erforderlich ist allerdings eine auskömmliche Finanzierung von Land und Kommunen durch geeignete Einnahmen. Am Ende ist das doch gar nichts Neues: Die Leute, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine wirkliche Chance haben, gab es schon immer. Früher hat die öffentliche Hand Arbeitsplätze bereitgestellt, auf denen Menschen, die für den harten Wettbewerb nicht geeignet waren,

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

trotzdem einer sinnvollen Beschäftigung zugeführt wurden. Diese Arbeitsplätze haben wir verschwinden lassen, und an der Stelle ist Handeln gefordert.

Arbeit – ich habe es schon erwähnt – ist deutlich mehr als Erwerbseinkommen. Denn Arbeit bedeutet sinnhaftes Tun, und das größte Gesundheitsrisiko in diesem Land,

wenn ich das noch erwähnen darf, ist Arbeitslosigkeit vor allem anderen, Langzeitarbeitslosigkeit ganz besonders.

Meine Damen und Herren, die Initiative hessischer Kommunen – Herr Kollege Bocklet hat gerade schon auf das Spektrum der aktiven Kommunen in diesem Zusammenhang hingewiesen – sowie der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte ist richtig. Die Bundesregierung muss ihre Initiative korrigieren und zurücknehmen. Wir brauchen eine Arbeitsmarktförderung, gerade für Bezieher von Langzeitarbeitslosengeld.

Herr Kollege Dr. Spies, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich bin beim letzten Satz. – Wir brauchen eine Förderung, die diesen Namen verdient. Lehnen Sie die Vorschläge ab, und sorgen Sie dafür, dass es in Hessen wieder eine Arbeitsmarktpolitik gibt, die diesen Namen verdient. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN „Kürzungen in der Arbeitsförderung“ und besonders der Antrag der SPD „keine ,Operation düstere Zukunft II’ in der Arbeitsmarktpolitik“ verzerren die Wirklichkeit derart, dass zunächst einige Fakten in Erinnerung gerufen werden müssen.

Erstens. In den letzten zwölf Monaten haben in Deutschland 700.000 Menschen wieder einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gefunden. Die Arbeitslosenquote ist deutlich gesunken, in Hessen von 6,4 % im Mai 2010 auf 5,8 % im Mai 2011. Die Jugendarbeitslosigkeit hat erheblich abgenommen. In vielen IHK-Bezirken übersteigt das Lehrstellenangebot die Lehrstellennachfrage.

Zweitens. Hessen bleibt Vorreiter, Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Hessen hat die Optionskommunen und die Arbeitsgemeinschaften bundesweit rechtssicher gemacht. Hessen hat anteilsmäßig die meisten Optionskommunen. Hessen realisiert dezentrale, passgenaue und schnelle Arbeitsvermittlung nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Drittens. Durch die Übernahme der Grundsicherung für alle alten Menschen durch den Bund werden Hessens Kommunen bis 2015 mit insgesamt 1 Milliarde € entlastet.

Meine Damen und Herren, die SPD weckt durch die Formulierung von Punkt 1 ihres Antrags den Verdacht, dass es Ihnen gar nicht so sehr um die Vermittlung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt geht, sondern dass Sie sich vom Bekenntnis zur Schuldenbremse entfernen

wollen. Als ersten Schritt wollen Sie keine Einsparungen im Haushalt. Sie schreiben:

Der Landtag stellt fest, dass die Notwendigkeit zur Schuldenbegrenzung nicht dazu führen darf, dass die Ausgaben für soziale Projekte radikal gekürzt werden, sondern eine erhebliche Verbesserung der öffentlichen Einnahmen erforderlich macht.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Sie klatschen, ja. – Natürlich ist jetzt leicht abzuleiten: gar keine Kürzung und auf allen Gebieten.

Meine Damen und Herren, Sie kritisieren die Kürzung der Landesmittel bei den Hilfen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Dazu folgende Feststellungen.

(Gerhard Merz (SPD): Sie sehen auch nicht so glücklich aus dabei!)

In Hessen wurden im Mai 2011 18 % mehr Ausbildungsplätze im Vergleich zum Mai 2010 angeboten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Ausbildungsplätze zu besetzen, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen, ist heute das Problem.

Meine Damen und Herren, der Einsatz der Landesmittel wird erheblich effektiver, weil künftig die Jobcenter in den Kommunen über die Mittelvergabe direkt entscheiden. Vereinbarungen zwischen dem Land und den Kreisen bzw. kreisfreien Städten bestimmen die Summe der Zuwendungen und die arbeitsmarktpolitischen Ziele. Dieser Paradigmenwechsel in der Förderung steigert den Wirkungsgrad erheblich. Die rechnerische Kürzung wird die Qualität der Förderung für den Einzelnen bei vermindertem Bedarf nicht vermindern. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Zuwendungen des Landes im Arbeitsmarktbudget überhaupt nicht angetastet werden.

Auch bei der Bewertung des geplanten Bundesgesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt muss bei einem nachhaltigen Rückgang der Arbeitslosenzahlen die Frage erlaubt sein, ob Einsparungen bei arbeitsmarktpolitischen Instrumenten vertretbar sind, wenn der Bedarf zurückgeht. Auch hier wird darauf geachtet, das durch Effizienzsteigerungen zu kompensieren. Es werden die Instrumente gekürzt, die sich als weniger wirksam erwiesen haben oder wo Mitnahmeeffekte zu verzeichnen waren.

Zwei Beispiele. Bei der Unterstützung eines Arbeitslosen in die Selbstständigkeit wird der Gründungszuschuss in das Ermessen des Fallmanagers gestellt, der das Gründungskonzept von einem Sachverständigen der IHK überprüfen lässt. Was ist daran unvernünftig?

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass 5 Milliarden € fehlen, um es tun zu können!)

Sie haben den IAB-Kurzbericht 11/2011 zitiert. Das ist das gute Recht der Opposition, aber Sie haben nicht vollständig zitiert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist meistens so!)

Sie haben die Zahlen genannt, wie viele nach einer gewissen Zeit noch in Arbeit und Brot sind. Sie haben aber vergessen, zu zitieren: