Protocol of the Session on June 7, 2011

Sie haben die Zahlen genannt, wie viele nach einer gewissen Zeit noch in Arbeit und Brot sind. Sie haben aber vergessen, zu zitieren:

Einschränkend ist aber zu beachten, dass zu möglichen Mitnahme- und Substitutionseffekten der Gründungsförderung... wenig bekannt ist.... In ei

ner Befragung aus dem Jahr 2005 gaben im Nachhinein zwar etwa 75 % der mit dem Überbrückungsgeld geförderten Gründer an, dass sie sich auch ohne Förderung selbstständig gemacht hätten.

Bei der Ich-AG lagen die entsprechenden Zahlen um die 60 % – ein klassischer Mitnahmeeffekt. Ich gönne es zwar den Menschen, aber in dieser Zeit muss man an dieser Stelle auch bereit sein, zu kürzen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt müssen Sie weiterlesen! Es gibt noch einen Satz!)

Das derzeit am häufigsten genutzte Förderinstrument ist der Ein-Euro-Job.

Herr Kollege Dr. Bartelt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bocklet?

Nein, machen Sie es nachher über die Kurzintervention.

Wir befürworten Ein-Euro-Jobs, weil es viele Betroffene gibt, die eine Strukturierung des Tagesablaufes wieder erlernen müssen und deren Selbstwertgefühl hierdurch gestärkt wird. Aber dass es das häufigste Förderinstrument ist, bei dem zwei Drittel an den Träger gehen und nur ein Drittel an die Betroffenen, bedarf doch einer Überprüfung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist nachvollziehbar, dass hier Begrenzungen vorgenommen werden sollen. Die öffentlich geförderte Beschäftigung soll für Langzeitarbeitslose, die keinerlei Chancen haben, in den Arbeitsmarkt einzutreten, erhalten bleiben. Aber es soll noch intensiver untersucht werden, ob nicht doch eine Rückkehrperspektive besteht. Außerdem müssen zweckwidrige Verwendungen ausgeschlossen werden.

Meine Damen und Herren, wie häufig in der jüngsten Vergangenheit bemüht sich Hessen, ein prinzipiell gutes Gesetzesvorhaben des Bundes weiter zu verbessern. Wir sehen aus hessischer Sicht einen Handlungsbedarf im Erhalt von spezifischen Instrumenten im SGB-II-Bereich. Der Grundsatz, dass bei der Neuregelung SGB III und SGB II gleichgestellt werden, sollte an einigen Punkten noch einmal überdacht werden.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hört, hört!)

Immerhin sind 70 % der Langzeitarbeitslosen Empfänger von SGB-II-Leistungen, und es gibt einen kleinen, aber signifikanten Teil von Langzeitarbeitslosen, die eine ungünstige Prognose hinsichtlich der Integration in den Arbeitsmarkt haben.

Es könnte daher der Mühe wert sein, in den Ausschussberatungen den Versuch zu unternehmen, zu erklären, dass wir sehr froh sind über die Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung im Bund und in Hessen, dass die Arbeitsmarktpolitik durch kommunale Jobcenter in Hessen für Deutschland vorbildlich ist, dass auch im Etat für Soziales moderat gespart werden muss und dass es bei spezifischen Instrumentarien für einen ganz bestimmten Teil

von Leistungsempfängern durch das SGB II aus unserer Sicht bleiben sollte.

Lassen Sie uns daran arbeiten. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bartelt. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Antrag, der sich auf das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt bezieht, welches die Bundesregierung Ende Mai billigte.

Wir teilen die von der Bundesagentur für Arbeit, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der AWO und dem Paritätischen Gesamtverband vorgebrachte Kritik an diesem Gesetzentwurf. Der Gesetzentwurf aus dem Hause von der Leyen sieht eine ganze Reihe von Streichungen und Änderungen bisher gewährter Arbeitsmarktinstrumente vor, die zulasten Langzeitarbeitsloser gehen werden.

Schauen wir uns einmal genau an, welche „Leistungssteigerungen“ – so hieß der Gesetzentwurf ursprünglich – Schwarz-Gelb für Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV vorsieht. Es werden Rechtsansprüche für Erwerbslose abgebaut, der Billiglohnsektor wird ausgedehnt, Instrumente öffentlicher Förderung von Beschäftigung werden gestrichen. Außerdem wird die Erstattungspflicht gestrichen, und damit werden die Arbeitgeber aus der Finanzierung der Arbeitslosigkeit entlassen. Ich werde auf diese Punkte gleich noch genauer eingehen. Für uns ist vollkommen klar: Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik führen nicht zu einer besseren Vermittlung.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Reform, die darauf abzielt, der aktiven Arbeitsmarktpolitik Geld zu entziehen, ist keine sinnvolle Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Im Gegenteil, diese Reform wird die Integration schwerstvermittelbarer Arbeitsloser ganz erheblich erschweren. Sie führt tatsächlich zu einem Kahlschlag bei der Arbeitsmarktförderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Grund hierfür kann einzig und allein der Kürzungswille sein. Anders ist es nicht zu erklären, wieso zunächst eine Einsparsumme festgelegt und erst ein Jahr später die nun vorliegenden Vorschläge unterbreitet werden. Hier wird nicht nach den Erfordernissen der betroffenen Menschen, sondern einzig und allein nach Spardiktat reformiert. Schnell und billig – das scheint die neue Strategie schwarz-gelber Arbeitsmarktpolitik zu werden.

Natürlich klingt es zunächst einmal gut, Beschäftigte vorrangig in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Wenn dies aber vermehrt bedeutet, Arbeitslose in befristete prekäre Beschäftigung zu vermitteln, dann ist eine solche Arbeitsmarktpolitik weder qualitativ gut noch nachhaltig.

(Beifall bei der LINKEN)

Sinnvolle Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen wären die deutlich besseren Instrumente.

Es ist überhaupt nicht nach vollziehbar, weshalb wirksame und erfolgreiche Rechtsansprüche von Erwerbslosen abgebaut werden sollen. Der Gründungszuschuss für Arbeitslosengeldempfänger soll aufgrund angeblicher Mitnahmeeffekte – in 75 % der Fälle – zu einer freiwilligen Leistung herabgestuft werden. Die Verfasser der Studie, auf die sich bei den angeblichen Mitnahmeeffekten bezogen wird, haben dieser Behauptung längst widersprochen. Vielleicht braucht das Ministerium hier einen Weiterbildungskurs, wie man wissenschaftliche Untersuchungen richtig interpretiert, um sich solche Peinlichkeiten zu ersparen.

(Clemens Reif (CDU): Da sind Sie ja Spezialistin!)

Auch die Einschränkung der öffentlichen Förderung von Beschäftigten ist ein gravierender Fehler. Nach dem Entwurf von der Leyens bleiben lediglich, wenn auch abgeschwächt, die Ein-Euro-Jobs übrig. Genau andersherum würde aber ein Schuh daraus. ABM im Bereich der Arbeitsmarktförderung und Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante müssen erhalten, Ein-Euro-Jobs müssen abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Die Ein-Euro-Jobs verdrängen reguläre Arbeitsplätze und verringern die Beschäftigungschancen der betroffenen Menschen während der Zeit ihres Einsatzes.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sagen Sie einmal etwas zu Ihren früheren Beschäftigungsverhältnissen!)

Durch diese Politik werden rund eine halbe Million Menschen, die seit Einführung von Hartz IV durchgehend arbeitslos sind, im Regen stehen gelassen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das haben Sie doch gemacht!)

Die LINKE fordert schon lange die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Stattdessen wird wieder einmal den Arbeitgebern entgegengekommen. Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 147a SGB III entfällt vollständig. Hiermit werden Frühverrentungen und Altersarmut Tür und Tor geöffnet. Die Folgekosten dieser Streichung werden vollständig auf die Beitragszahler und die Steuerzahler umgelegt.

Meine Damen und Herren, ein grundlegendes Umsteuern in der Beschäftigungspolitik ist notwendig, wenn Arbeitslosigkeit vermieden und nachhaltig beendet werden soll.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Das müssen gerade Sie sagen!)

Die Linksfraktion im Bundestag hat dazu einen Antrag eingebracht, der genau ein solches Umsteuern zum Ziel hat. Dazu müssen die unlängst beschlossenen Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik zurückgenommen, individuelle Rechtsansprüche der Betroffenen auf Fördermaßnahmen erlassen, eine Neugestaltung der Zumutbarkeitsregeln sowie eine bessere Absicherung gegen Arbeitslosigkeit erreicht werden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen einen Einheitslohn!)

Nein, es heißt Mindestlohn. Vielleicht versuchen Sie einmal, diese Vokabel zu üben.

Außerdem ist die öffentlich geförderte Aus- und Weiterbildung von Erwerbslosen und Beschäftigten unabhängig von ihrem sozialen Status auszubauen, und die Bundesagentur für Arbeit ist auf nachhaltige Arbeitsförderung und Vermittlung in gute Arbeit auszurichten.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben Ihre Mitarbeiter ausgebeutet! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie sollten von Dingen reden, von denen Sie etwas verstehen. Wenn Sie über mich und mein Leben reden, sollten Sie sich gründlich informieren, bevor Sie hier unentwegt, turnusmäßig, wie ein Leierkasten denselben Quatsch wiederholen.

(Clemens Reif (CDU): Es tut weh, aber es ist wahr!)

Die Berücksichtigung der eben genannten Punkte wäre tatsächlich eine sinnvolle Änderung der Arbeitsmarktförderung. Das, was in dem vorliegenden Entwurf steht, zerstört eine sinnvolle Vermittlung und die Weiterbildung der betroffenen Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Nächster Redner ist Herr Kollege Rock für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren hier im Hessischen Landtag wieder einmal über die Arbeitsmarktpolitik. Man muss feststellen, dass wir uns im Hessischen Landtag sehr intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen, in der Regel auf einem gewissen Niveau. Meine Fraktionskollegen – da sind viele Juristen dabei – würden jetzt „grundsätzlich“ sagen. Man hat mir erklärt, „grundsätzlich“ heißt, es gibt auch Ausnahmen. Ich glaube schon, dass es grundsätzlich so ist, dass wir zu diesen Themen hier auf einem gewissen Niveau diskutieren. Das zeigt sich auch daran, dass wir in vielen Bereich zueinander kommen, uns zumindest in den Ausschüssen in gewissen Punkten annähern und gemeinsame Beschlüsse fassen.