Protocol of the Session on June 7, 2011

Ich könnte das beliebig fortsetzen. Herr Gabriel bekräftigt zu einem anderen Zeitpunkt auch noch einmal, dass die Nutzung der Kohlekraft wichtig ist, um Preisstabilität zu haben.

Ich möchte das Ganze mit zwei Zitaten abschließen. Das erste Zitat gibt das wieder, was in diesem Haus am 18. Mai 2011 gesagt wurde. Es stammt von Herrn Thorsten Schäfer-Gümbel.

Ohne ein klares Nein zum Ausbau des Kohlekraftwerks Staudinger wird es keinen Konsens geben.

Zweitens möchte ich aus einer Presseerklärung der SPD Hessen vom 30. Mai 2011 zitieren:

Wir brauchen keine zentralen großen Kraftwerke wie Staudinger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor denjenigen, die auf der Autobahn gegen die Fahrtrichtung fahren, wird in dringlichen Nachrichten als Geisterfahrer gewarnt.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Haltung des hessischen SPD-Vorsitzenden steht im offenen Widerspruch zu dem von ihm selbst mitbeschlossenen Energiepapier der SPD.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Genau so ist es!)

Man kann nicht in Berlin beschließen, dass die Nutzung der Kohle eine wichtige Brückentechnologie sei, und gleichzeitig in Hessen gegen den Ausbau des Kraftwerks Staudinger kämpfen. Dafür gibt es bereits Teilgenehmigungen.

Mit diesem Verhalten widersetzt sich die hessische SPD den Beschlüssen der SPD in Berlin.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang!)

Die SPD verfällt in das alte Muster, das wir auf dem Weg in eine neue Energieversorgung in der Zukunft gar nicht brauchen können. Das geht nämlich nach dem Motto: Jawohl, wir wollen die Nutzung der Kohle, aber nicht bei uns. Wir wollen die Nutzung der Windkraft, aber nicht bei uns. Wir wollen Stromleitungen, aber nicht bei uns. – Dieses Muster müssen wir ablegen. Wir müssen uns vom Sankt-Florians-Prinzip verabschieden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir müssen dafür kämpfen, dass die Energiewende ordnungsgemäß über die Bühne gebracht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen heute in dieser Aktuellen Stunde erfahren, welches Wort gilt, also das des hessischen Landesvorsitzenden Thorsten SchäferGümbel oder das des SPD-Bundesvorstandsmitglieds Thorsten Schäfer-Gümbel. Wir warten gespannt auf die Antwort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Stephan, vielen Dank. – Wir müssen auf die Antwort nicht lange warten. Als Nächster hat sich Herr SchäferGümbel zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Wagner, zunächst möchte ich gerne feststellen, dass ich anders, als es in anderen Aktuellen Stunden der Fall war, niemanden vorschicken muss, um die Debatte aufzuklären.

(Beifall bei der SPD)

Gerade die letzte Bemerkung des Herrn Stephan könnte zu der Anmerkung veranlassen, dass Herr Dr. Wagner mit seiner Kritik an der Bundeskanzlerin und ein vermeintlicher Konflikt zwischen Schäfer-Gümbel Hessen und Schäfer-Gümbel Berlin sozusagen eine Brüderschaft im Geiste ausmachen. Ich sage ausdrücklich, dass ich das nicht will.

Herr Dr. Wagner, ich will Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie uns noch einmal die Gelegenheit gegeben haben, im Rahmen einer Aktuellen Stunde über unser Konzept zur Energiewende zu sprechen.

(Holger Bellino (CDU): So sind wir!)

Der Kern dessen, was wir in Berlin vorgeschlagen haben, ist der beschleunigte Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft. Ich bleibe dabei: Das geht schneller als in zehn Jahren. Das ist übrigens in völliger Übereinstimmung mit allen anderen, die das im Bundesvorstand beschlossen haben.

Zweitens. Parallel dazu geht es um die Einhaltung der international vereinbarten Klimaschutzziele. Dabei geht es auch um die Verantwortung gegenüber der Menschheit.

Drittens geht es darum, die energie- und ressourceneffizienteste Wirtschaft der Welt zu schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen die Energiewende zu einem zweiten Wirtschaftswunder machen. Diese Chance haben wir. Das verträgt bei der Schaffung der notwendigen Strukturen keine Zögerlichkeit. Herr Stephan, dieses ambitioniere Ziel haben wir unter meiner Federführung in den letzten neun Monaten in der Bundes-SPD in einer Expertenkommission entwickelt. Es handelt sich um ein Konzept, das mit 55 Maßnahmen unterlegt ist. Das zeigt, dass das auch möglich ist.

Ich will hier ausdrücklich sagen – das ist mir am heutigen Tag ein besonderes Bedürfnis –, dass dieses Energieprogramm, das wir vor vier Wochen in Berlin das erste Mal vorgestellt haben, nicht ohne die konzeptionellen Vorarbeiten von Hermann Scheer, Andrea Ypsilanti und der hessischen SPD denkbar gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auch das will ich deutlich sagen; denn bei der Energiewende geht es um mehr als um den Atomausstieg: Es geht um Zukunftsfähigkeit, um Wettbewerbsfähigkeit – übrigens ein Punkt, der in Ihrem schwarz-gelben Papier vom 30. Mai überhaupt keine Erwähnung findet – und um Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, aber auch Demokratisierung.

Das erfordert eben klare Ziele. Wir sagen dazu, dass man Atomausstieg und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen darf,

(Beifall bei der SPD)

und wir sagen sehr klar, dass wir am Ende eine 100-prozentige Versorgung mit erneuerbaren Energien bis 2050 bundesweit – wir sind davon überzeugt, dass das regional viel schneller geht – erreichen. Das ist im Übrigen ein Ziel, das auch Schwarz-Grün in Frankfurt mit dem Ziel 2050 beschlossen hat – so viel zu den Auslassungen des Ministerpräsidenten in der letzten Plenarwoche nach dem Motto, das seien alles Spinnereien. Herr Rhein wird sich darüber sicherlich freuen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu brauchen wir klare Strukturveränderungen. Ausbau erneuerbarer Energien: Das hat Schwarz-Gelb eben in dem Konzept beschlossen, ohne Anspruch, wie im Übrigen in Hessen. Energieeffizienz: Sie haben gerade im letzten Jahr das KfW-Förderprogramm gestrichen – jetzt kommt es wieder, das ist gut, aber das alles hätten Sie sich sparen können. Beim Thema Energieeinsparungen: keine wirkliche Konzeption Ihrerseits. Wir sagen: Klar, energieintensive Betriebe müssen entlastet werden. – Da gibt es einen Vorschlag zum Thema Netzentgelte, übrigens ein Vorschlag, den Sigmar Gabriel und Olaf Scholz bereits in der Großen Koalition gemacht haben und der von CDU/CSU ausdrücklich abgelehnt wurde. Es geht um Dezentralität vor Zentralität, deswegen müssen die Städte und Gemeinden gestärkt werden. Wo ist eigentlich Ihre Initiative zur HGO-Änderung?

(Beifall bei der SPD)

Ich sage auch sehr klar: Die Gebietsmonopole der großen Vier müssen beendet werden. Deswegen sagen wir im Bundeskonzept ausdrücklich, dass eine Förderung, eine Subventionierung von neuen Kraftwerksanlagen nur für Kraftwerksbetreiber entstehen kann, die weniger als 5 % Marktanteil haben, damit die Förderung nicht zu den großen Vier läuft, sondern wir endlich Dezentralität fördern können.

(Beifall bei der SPD)

Entsprechend haben wir uns auch zu den Strukturveränderungen verhalten. Die Brücke muss so gestaltet werden, dass es eine tragfähige Brücke wird. Deswegen dürfen heute keine Strukturentscheidungen getroffen werden, die sich genau an dieser Stelle falsch orientieren. Deswegen will ich Ihnen erzählen, was gerade passiert. Im Kern ist die Aktuelle Stunde ein Versagen von Herrn Irmer – Sie hätten den Konflikt auch am Beispiel eines Müsli essenden Kanufahrers aufdecken können, das wäre genauso hilfreich gewesen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Der entscheidende Punkt ist, dass Herr Irmer offensichtlich nicht aufgepasst hat, als Herr Wagner, Herr Bellino und Herr Stephan versucht haben, Texte zu lesen; denn das, was Herr Stephan vorgetragen hat, ist eine alte Fassung: Der Beschluss des Parteivorstands, Herr Stephan, lautet wie folgt:

Die Realisierung der bereits genehmigten und im Bau befindlichen Kohle- und Gaskraftwerke ist notwendig und unumstritten. Die darüber hinausgehenden notwendigen zusätzlichen Investitionen in eine gesicherte Kraftwerksleistung in der Grö

ßenordnung von 10 Gigawatt müssen – neben der Einhaltung der Klimaziele... – vorrangig für eine schnelle und flexible Lastregelung im Elektrizitätsnetz zur Verfügung stehen.

Herr Schäfer-Gümbel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Was Herr Stephan nicht weiß und Herr Wagner nicht zur Kenntnis nehmen wollte: Die Grundlage für diese Formulierung ist die sogenannte Römerliste mit zehn positiv benannten Standorten. Und das Kraftwerk Staudinger 6 steht da nicht drauf.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen gibt es keinen Widerspruch zwischen Berlin und Hessen. Es bleibt dabei: Staudinger 6 ist falsch, bleibt falsch, und wir werden ihm nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Die Frage ist nicht beantwortet!)

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Kollegin Wissler zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat die Internationale Energieagentur eine Studie veröffentlicht, in der sie eine Bemessung des globalen Kohlendioxidausstoßes vornimmt. Nach einem leichten Rückgang in den Jahren 2008 und 2009, den die Forscher auf die weltweite Wirtschaftskrise zurückführen, rauchen die Schornsteine infolge des Aufschwungs wieder.