Protocol of the Session on June 7, 2011

Es ist auch nichts Neues. Wir kommen wieder zu der Situation, wie die Haltung von CDU und FDP dazu ist. Die Kollegen in Sachsen haben sich eindeutig – die SPD hat noch mitgemacht – für das Widerspruchsmodell entschieden. So ungewöhnlich ist es nicht, und so falsch kann unsere Haltung an dieser Stelle nicht sein. Sie ist vor allen Dingen nicht falsch.

Ein dritter Punkt ist noch nicht zur Sprache gekommen, den ich kurz anschneiden möchte. Es geht nicht nur um die Zukunft, sondern wir fordern in unserem Antrag auf, dass man sich in Berlin in der Frage ein Stück rückwirkend damit beschäftigt, dass bei Vätern unehelicher Kinder, wo im Moment schon kein gemeinsames Sorgerecht besteht, rückwirkend vereinfacht wird, gemeinsam dazu zu kommen.

Meine Damen und Herren, meinen Appell hat Herr Kollege Bocklet ein Stück weit relativiert, indem er gesagt hat, die GRÜNEN könnten definitiv nicht zustimmen. Da die SPD in Sachsen so ziemlich auf dem Weg war, den wir gemeinsam vorschlagen, richte ich die Bitte an das Haus, dass wir für die Kollegen in Berlin, die am Ende die Entscheidung zu treffen haben, das Signal setzen, das einfachere Verfahren für alle Beteiligten – das Widerspruchsverfahren – zu nehmen und dann im Interesse des Landes zu entscheiden und möglichst zügig zu einer bundesrechtlichen Regelung zu kommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Honka. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Schott jetzt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jedes Kind hat eine Mutter und einen Vater. Das ist nun einmal von Natur aus so. Wir setzen ein gesellschaftliches Konzept darauf. Das nennen wir Ehe und regeln damit Rechte, schließen die Väter, die nicht verheiratet sind, per se erst einmal aus und versuchen jetzt mühsam nachzubessern.

Ich werde jetzt etwas sagen, was Sie sicherlich ein bisschen erstaunen wird: Ich hätte jeden Satz, den Herr Müller vorhin in seiner Rede gesagt hat, unterschrieben.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er ist sprachlos! – Minister Jörg-Uwe Hahn: Herr Müller macht sich gerade Gedanken!)

Ja, ich habe das befürchtet. Aber ich hoffe, das bringt ihn nicht von seiner Position ab – nur, weil ich sie ausnahmsweise teile.

Die Frage ist doch tatsächlich: Was unterscheidet verheiratete von nicht verheirateten Vätern? Ich kann nicht sehen, dass es in ihrer Rolle als Väter einen Unterschied gibt.

Konflikte. Natürlich gibt es Konflikte in Paarbeziehungen. Die gibt es, ob Menschen verheiratet sind oder ob sie nicht verheiratet sind. Wenn Menschen verheiratet sind und in einer Ehe dauerhafte Konflikte haben und dort Kinder leben, dann werden diese Kinder häufig auch instrumentalisiert – ohne dass irgendjemand eingreifen kann oder eingreift, weil das meistens hinter geschlossenen Türen geschieht. Das nehmen wir als selbstverständlich hin, weil wir das gesellschaftliche Konstrukt Ehe als etwas sehr Wichtiges und Unantastbares sehen.

Wir gestehen Müttern ein Sorgerecht qua Geburt zu. Leider bin ich in meiner beruflichen Laufbahn davon überzeugt worden, dass es auch Mütter gibt, die eigentlich keine sind – und trotzdem geben wir ihnen per se das Recht, diese Rolle auszufüllen. Es gibt – das mag selten sein – auch Konstellationen, in denen Väter durchaus die besseren Mütter wären.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das geht biologisch nicht ganz!)

Hier wurden ein paar Argumente genannt – ob man im Konfliktfall ein Gericht entscheiden lassen soll, ob das Gericht besser als das Jugendamt weiß, was zu tun wäre. Selbstverständlich muss einer solchen gerichtlichen Entscheidung ein jugendamtlicher Beratungsprozess vorausgehen. Aber – und das ist an dieser Stelle wichtig –: Die Jugendämter sagen schon jetzt „Land unter!“ und haben unglaublich viel zu tun; aber sie werden an dieser Stelle noch Arbeit bekommen. Das ist auch richtig so. Das heißt aber, wir müssen dafür sorgen, dass sie diese Arbeit auch ordentlich tun können. Das heißt, wir müssen das personell unterfüttern.

Ich denke, ein Vater, der per se ein Sorgerecht hat, kann an seine Vaterpflichten anders herangeführt werden. Das Wegducken wird für ihn ein bisschen schwieriger. Das heißt, möglicherweise hat es auch einen erzieherischen Effekt, zu sagen: Du hast hier eine Verantwortung, also fülle sie auch aus. – Wenn er sie per se nicht hat, kann er sich immer wegducken. Ich finde aber, ein Kind hat auch ein Recht auf einen Vater. Wir müssen alles tun, um Väter darin zu bestärken, dieses Recht auch auszuüben.

Deswegen finde ich, wir sollten dringend das tun, was hier beantragt wird. Ich wundere mich, dass das alles so spät kommt. Ich wundere mich, dass – nachdem diese Ent

scheidungen schon relativ lange vorliegen – nicht längst etwas passiert ist. Wenn ich mir die konträre Diskussion heute hier anhöre, dann wundere ich mich schon ein ganz kleines bisschen weniger. Aber ich frage mich tatsächlich, wie man das Recht von Vätern – die genauso qua Geburt des Kindes Vater sind, wie die Mutter qua Geburt des Kindes Mutter ist – immer noch infrage stellen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Für die Landesregierung, Herr Justizminister Hahn.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich ganz herzlich Danke dafür sagen, dass hier im Hessischen Landtag eben eine Debatte abgehalten wurde, die von einer sehr großen Sensibilität zeugt und zeigt, dass sich dieses Thema wirklich nicht für parteipolitische Spielchen eignet. Bis auf einen haben sich auch alle Beteiligten daran gehalten.

Frau Kollegin Schott, Sie haben es mit Recht gesagt: Das ist ein Thema, mit dem man sich herrlich intellektuell und akademisch auseinandersetzen kann. Das hat die Justizministerkonferenz auch am 18. und 19. Mai, also vor ungefähr vier Wochen, in Halle getan. Letztlich haben wir einen Beschluss gefasst, der nicht zu der Entscheidung zwischen Widerspruchsrecht und Antragsrecht geführt hat. Es gab wechselseitige Anträge – Frau Hofmann hat darauf hingewiesen. Nachdem wir das unter den Ministerinnen und Ministern am Kamin erörtert haben, haben wir gesagt: Es wäre ein vollkommen falsches Bild, wenn aus Halle die Justizminister jetzt gespalten in die Länder gingen. Deshalb haben wir unter Punkt 3 die Bundesministerin der Justiz gebeten, einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.

Frau Kollegin Schott hat darauf hingewiesen: Das ist jetzt schon uralt. Auch Frau Hofmann hat ein bisschen theatralisch gesagt: Da ist jetzt ein Jahr lang nichts passiert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir merken es doch selbst: Wir tun uns alle schwer. Hier gibt es niemanden im Raum, auch nicht die Redner – wie gesagt, Herr Bocklet hat sich mehr um Parteipolitik gekümmert, aber die anderen –, die eine hundertprozentig feste Auffassung haben und sagen: Das ist es auf alle Fälle.

Ich sage das sehr bewusst: Wir setzen uns hier mit alten Rollenbildern, mit konservativen Familieneinstellungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite mit der Lebenswirklichkeit auseinander. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja richtig, dass im Durchsatz nicht eheliche Lebensgemeinschaften streitige Sorgerechtsverfahren haben. Aber warum eigentlich hat sich gerade der Sächsische Landtag mit den Stimmen von CDU, FDP und Sozialdemokraten für die Widerspruchslösung ausgesprochen?

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die machen eben keine Parteipolitik!)

Was hat das mit Parteipolitik zu tun? Herr Bocklet, wenn Sie mit uns zur Sache reden wollen, dann bin ich gerne sofort dabei. – Warum haben die das getan?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war doch nur eine Feststellung!)

Getroffener Hund bellt, das kenne ich doch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Sächsische Landtag hat sich mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD für die Widerspruchslösung ausgesprochen, weil das in den neuen Bundesländern, insbesondere in Sachsen, eine ganz andere Lebenswirklichkeit ist als bei uns. Dort gibt es viel weniger verheiratete Elternpaare, und als Folge daraus gibt es natürlich auch viel weniger Streit zwischen den nicht verheirateten Elternpaaren. Das hat etwas mit der geschichtlichen Entwicklung in der DDR zu tun.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Genau!)

Das müssen wir doch zur Kenntnis nehmen. Deshalb möchte ich das ein bisschen zurück fokussieren. Frau Schott, faszinierend: Ich unterschreibe alles, was Sie gesagt haben.

(Florian Rentsch (FDP): Was?)

Wieso eigentlich hängt die Sorgerechtsfrage an der Frage, ob die Eltern verheiratet sind? Wieso eigentlich? Was spricht dafür?

Es spricht dafür, dass das über Jahrtausende der Fall war. Beziehungsweise, wir haben es gerade gelernt – der Kollege Müller hat die Geschichte dargestellt –, dass es erst seit 30 Jahren so ist; vorher hatten die Mütter ganz alleine das Sorgerecht für ein nicht eheliches Kind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in unserer Gesellschaft doch etwas durchgemacht. Wir sind doch eine Reihe von Menschen, die in den Siebzigerjahren Politik gemacht haben. Das ist das, was mich so fasziniert. Ich kann es noch nicht genau greifen, woran es liegt. Hier gibt es doch auch viele Frauen, die sich dafür eingesetzt haben, dass es eine Gleichheit von Männern und Frauen gibt, Gott sei Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade die Damen müssten doch auf die Idee kommen, dass es nicht sein kann, dass eine Diskriminierung des Mannes beim Sorgerecht für das nicht eheliche Kind nur darin besteht, dass es nicht ehelich ist.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Diskriminierung. Es ist etwas anderes, ob man das Recht hat oder ob man das Recht beantragen muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist ja nun relativ unstreitig. Da frage ich mich: Warum diskutieren wir das eigentlich unter diesem Motto? Hat das noch etwas mit alten Weltbildern zu tun? Oder hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass die Erfahrungen, die viele von uns gemacht haben – ich auch als Anwalt –, nicht immer so positiv sind?

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Moment, wenn ich den Satz fertig habe, Herr Präsident.

Die grundsätzliche Frage ist doch: Sorgerecht gegenüber dem eigenen Kind als Vater – dann, wenn du verheiratet bist, okay; wenn du nicht verheiratet bist, musst du irgendwohin gehen. – Ich halte das für eine Diskriminierung.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig, völlig richtig!)

Bitte schön, Frau Kollegin Fuhrmann.

Danke schön, Herr Hahn, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir hätten das natürlich auch ganz gerne mit den Kolleginnen der FDP-Fraktion diskutiert – aber sei es drum.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das war nur eine kleine Spitze. Ich glaube, die ist auch zutreffend und erlaubt.

Meine Frage ist aber: Meinen Sie nicht, dass es vielleicht einer größeren Anstrengung bedürfte, damit diese Väter, über die wir sprechen – die schwierigen Väter, um die wir uns Gedanken machen müssen, die sich eben nicht um ihre Kinder kümmern –, beispielsweise ihrer Unterhaltspflicht nachkommen?

(Das Tischmikrofon fällt aus.)

Ist Ihnen bekannt, in welcher Höhe die Unterhaltsvorschusskassen der Kommunen für diese säumigen Väter eintreten müssen? Müssen wir nicht diese Väter zur Unterhaltspflicht heranziehen, bevor wir ihnen auch noch ein Sorgerecht aufdrängen?