Protocol of the Session on May 18, 2011

Damit will ich zur letzten Bemerkung kommen. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, aus dem Hessischen Energiegipfel auszusteigen. Das Thema ist uns viel zu wichtig. Wir erwarten aber von Ihnen, dass Sie endlich liefern. Ein Konsens wird nur möglich sein, wenn wir endlich wissen, was Sie eigentlich wollen. Da hilft es nicht, wenn Sie immer nur Nein, Nein, Nein sagen. Sie müssen irgendwann einmal sagen, wie Sie es wollen. Dafür sind Sie gewählt worden, zumindest bis 2013. Wir werden energisch

dafür arbeiten, dass es dann auch anders wird und endlich etwas passiert. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Frau Wissler, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich finde, dass heute Morgen die Maske gefallen ist. Herr Ministerpräsident, das war nicht nur keine Konsensrede, ich bin der Meinung, das war VorFukushima-Niveau, auf dem Sie hier geredet haben.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Das war so, als hätte es einen Super-GAU in Japan überhaupt nicht gegeben. Wer sich hierhin stellt und von dem naiven Glauben an die erneuerbaren Energien redet, Herr Ministerpräsident, der hat wirklich in der gesamten Diskussion nichts verstanden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

In Ihrer Regierungserklärung – ich habe sie noch sehr präsent – haben Sie wenigstens versucht, den Anschein zu erwecken, dass es so etwas wie ein Umdenken bei CDU und FDP und in der Landesregierung gebe. Heute haben Sie überhaupt keinen Anschein erweckt, dass dieses Umdenken stattfindet. Herr Ministerpräsident, auch in Ihrer Regierungserklärung haben Sie überhaupt keine konkreten Festlegungen gemacht. Die Regierungserklärung hätte unter dem Motto stehen können: Fragend schreiten wir voran.

Das war Ihre Regierungserklärung. So sind Sie heute auch aufgetreten. Sie stellen Fragen, die längst bekannt sind. Ihre Aufgabe ist es aber nicht, im Parlament Fragen zu stellen. Ihre Aufgabe ist es, Lösungsvorschläge zu machen und diese hier zur Diskussion und zur Abstimmung zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, Investitionen muss man dort tätigen, wo es effizient ist. Sie reden davon, dass man dort investieren muss, wo der Wind auch weht. Damit ignorieren Sie völlig die Potenziale, die es beim Ausbau der Windenergie in Süddeutschland gibt. Damit ignorieren Sie wissenschaftliche Studien. Wenn wir einseitig auf Offshore setzen, dann reden wir über einen ganz massiven Netzausbau. Die dena-Netzstudie II setzt auf Offshore und sagt, wir werden zwischen 2015 und 2020 die Stromerzeugung aus Offshore verdoppeln. Dann kommt man auch zu dem Ergebnis, dass man mindestens 10 Millarden € in die Hand nehmen muss, um die Trassen auszubauen. Das halte ich nicht für eine effiziente Lösung. Wir müssen über die Energiegewinnung vor Ort reden. Wir dürfen das nicht nur in die Nordsee delegieren. Wir müssen vor Ort erneuerbare Energien ausbauen, dann müssen wir sie auch nicht quer durchs Land transportieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Versorgungssicherheit, weil ich vom Energieexperten der Union, Herrn Beuth, so freundlich angesprochen worden bin. Als Energieexperte wissen Sie sicherlich, dass es in Deutschland eine Überproduktion von Strom gab. Deutschland hat deswegen Strom exportiert. Wir hatten die Situation, dass Windkraftparks vom Netz genommen werden mussten, weil es eine Überproduktion von Strom gab. Atomstrom hat die Netze blockiert. Das ist doch die Situation. Sie reden von einer Versorgungslücke, die es überhaupt nicht gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Bezahlbarkeit blenden Sie vollkommen aus, dass es auch gesellschaftliche Kosten gibt. Wer zahlt denn für die Lagerung von Atommüll? Wer zahlt denn für den Transport von Atommüll? Das zahlen doch nicht die Kraftwerksbetreiber. Das zahlen die Steuerzahler, also die Allgemeinheit. Diese Kosten preisen Sie natürlich nicht ein, wenn Sie über die angeblich kostengünstigere Atomenergie reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, davon zu reden, dass es sich um „Kinderkram“ handele, wenn man die großen Vier entmachten wolle, das ist wirklich eine ganz große intellektuelle Leistung. Dass die großen Vier eine marktbeherrschende Stellung haben, ist unbestritten. Herr Ministerpräsident, ich empfehle Ihnen einen Blick in den Bericht der Monopolkommission. Werfen Sie einen Blick in den Bericht der Bundesnetzagentur.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Herr Ministerpräsident, ich habe den Atomkompromiss auch nicht verzapft. Aber jetzt setze ich mich erst einmal mit dem Zeug auseinander, das Sie vorgetragen haben. – Bei der Entmachtung der großen Vier von „Kinderkram“ zu sprechen, ist wirklich ein Blödsinn. Das Bundeswirtschaftsministerium, die Europäische Kommission und andere sagen, man habe in Deutschland ein Problem, weil es vier Monopolisten gebe, die den Energiemarkt beherrschten. Da von „Kinderkram“ zu reden, ist wirklich eine Realitätsverleugnung sondergleichen. Ich habe noch immer das Gefühl, dass Sie die Nibelungentreue zu E.ON und RWE halten, anstatt endlich auch das dringend notwendige Umdenken anzufangen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Ministerpräsident, ich bin der Meinung, Ihr Auftritt heute Morgen war ein wirklich peinlicher Auftritt. Mein Verständnis von einem Ministerpräsidenten ist nicht, dass er sich mit hochrotem Kopf hinstellt und die Opposition beschimpft. Mein Verständnis von einem Ministerpräsidenten ist, dass er wenigstens Vorschläge einbringt. Wenn wir diese Vorschläge nicht gut finden, werden wir sie ablehnen. Das Mindeste, was man verlangen kann, ist, dass Sie endlich einmal Vorschläge vorlegen und irgendwelche eigenen Ansätze zur Diskussion stellen, statt Menschen wie Hermann Scheer zu verunglimpfen. Er hatte ein gutes Konzept vorgelegt. Ich bin wirklich sehr traurig darüber, dass wir das in Hessen nicht umsetzen konnten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Danke, Frau Wissler. – Herr Al-Wazir, Sie haben als nächster Redner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Morgen hat die Debatte dann doch mehr Erkenntnisse gebracht, als eigentlich am Anfang zu erwarten war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Allerdings!)

Herr Ministerpräsident, ich finde es ausdrücklich richtig – Sie haben Ihre Rede damit begonnen, dass man besonnen, vernünftig und zukunftsfähig sein soll. Die Erkenntnis des heutigen Tages ist allerdings, dass Sie wütend sind. Sie sind wütend über die eigene falsche Energiepolitik der Vergangenheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Und das ist natürlich – das muss ich Ihnen sagen, davor habe ich sogar einen gewissen Respekt – ein Problem,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das teile ich im Übrigen!)

weil Sie seit 2002 Sachen erzählt haben, die sich jetzt alle als falsch herausgestellt haben. Sie sind nicht so locker wie Ihr Koalitionspartner dabei, das über Bord zu werfen.

Das Schlimme ist und bleibt, dass wir an bestimmten Punkten gemerkt haben – Stichwort: Kinderkram –, wenn es um die Monopole bzw. das Energieerzeugungsoligopol geht oder wenn es um den Satz „naiver Glaube an erneuerbare Energien“ geht, dass Sie gewisse Schwierigkeiten haben, sich auf die neue Energiepolitik einzulassen. Deswegen hilft vielleicht den Kolleginnen und Kollegen der Regierung und dem gesamten Haus ein Blick zurück.

Als die deutsche Automobilindustrie gezwungen war, den Katalysator einzuführen, hat sie gesagt: Das ist der Untergang der Wettbewerbsfähigkeit. – Als es um den Rußfilter ging,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

war es genau dieselbe Debatte. Als wir vor zehn Jahren – –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich war Staatssekretär! Ich habe dafür geworben!)

Herr Wagner, Sie mussten dafür werben,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Es ist die Unwahrheit, was Sie sagen!)

dass die deutsche Automobilindustrie, die in der Lage war, diese Dinger in Kalifornien zu verkaufen, sie auch in Deutschland angeboten hat. – Als wir die Mineralölsteuer, Stichwort: Ökosteuer, verändert haben – Herr Kollege Wagner, gegen Ihren kräftigen Widerstand –,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wir haben den Katalysator eingeführt!)

hat die deutsche Automobilindustrie gesagt, das sei das Ende ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Es ist immer das genaue Gegenteil eingetreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Präsident Norbert Kartmann über- nimmt den Vorsitz.)

Um einmal bei dem Beispiel Ökosteuer zu bleiben: Es ist ungefähr elf Jahre her. Wir haben die Mineralölsteuer gegen Ihren heftigen Widerstand erhöht. Herr Beuth hat damals noch an der Tankstelle 6 Pfennig an einzelne Autofahrer verteilt, die da getankt haben. Das Ergebnis war aber, dass sich die deutsche Industrie verändert hat, dass sie effizienter geworden ist, und zwar früher als andere.

Schauen Sie sich einmal die Zahlen von Audi an. Schauen Sie sich einmal die Zahlen von Daimler an. Schauen Sie sich einmal die Zahlen von BMW an. Schauen Sie sich einmal an, dass VW inzwischen der zweitgrößte Autobauer auf der Welt ist, der GM überholt hat und vielleicht auch Toyota überholen wird. Das Ergebnis war immer absoluter Beweis dafür, dass die Unkenrufe falsch waren und dass am Ende die deutsche Wirtschaft gestärkt war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, als wir mit dem ErneuerbareEnergien-Gesetz angefangen haben, haben Sie gesagt: Grüne Träumereien, es wird den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährden. – Ergebnis ist, wir haben in diesem Jahr inzwischen fast 400.000 Beschäftigte in diesem Bereich. Wir haben in diesem Jahr eine Situation, dass die deutschen Firmen jetzt die Antwort auf eine andere Energiepolitik der Welt haben, die sie sonst nicht haben würden. Und wir haben die Situation – Stichwort: Wettbewerbsfähigkeit des Standortes insgesamt –, dass wir als Bundesrepublik Deutschland so viel exportieren wie noch nie. Es war alles falsch, was gesagt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen müssen Sie schon verstehen, das würden Sie selbst schon als letzten Halm haben – –

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Sie haben übersehen, dass die Solartechnik in China gebaut wird!)

Herr Bouffier, ich übersehe nicht, wo inzwischen die Module gebaut werden. Ich weiß aber, wer die Maschinen für die Module in China baut. Und ich weiß, wo die Wechselrichter herkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)