Protocol of the Session on May 18, 2011

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Bouffier, das ist vielleicht ein Unterschied: Ich weiß übrigens auch, dass die Tatsache, dass wir im Regierungsbezirk Kassel erstmals im letzten Herbst eine geringere Arbeitslosenquote als im Regierungsbezirk Darmstadt hatten,

(Florian Rentsch (FDP): Großer Gott!)

etwas mit unserer Wirtschaftspolitik zu tun hatte und nicht mit Ihrer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen bei der CDU und der FDP)

Herr Bouffier, lachen Sie nicht so. Das kann nicht an der A 44, an der A 49 und am Flughafen Kassel-Calden gelegen haben, weil es die noch nicht gibt. Die sind alle noch nicht da.

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Sie sind zornig! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Ministerpräsident, der Kernsatz Ihrer Rede war doch: Wir sind für Windkraft, und wir werden sie deutlich ausbauen. – Das haben übrigens alle überhört, die nachher so kräftig geklatscht haben.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die spannende Frage wird sein, was wir in diesem Herbst im Landesrecht, im Planungsrecht, bei der Frage, wie sich die Regierungspräsidien verhalten, bei der Frage, wie sich die Regionalversammlungen verhalten, an Veränderungen bekommen werden. An dem Punkt werden wir sehen können, ob Sie es ernst meinen oder nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wenn Sie zur Ruhe gekommen sind, kommen wir zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Entschließungsantrag unter Punkt 40 abstimmen, und zwar in folgender Struktur. Wir stimmen separat die Ziffer 3 und zusammen die Ziffern 1, 2, 4 und 5 ab.

Ich frage zuerst: Wer stimmt den Ziffern 1, 2, 4 und 5 zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann sind die Ziffern 1, 2, 4 und 5 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt.

Ich rufe Ziffer 3 auf. Wer stimmt ihr zu? – SPD und LINKE. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Die Fraktion DIE GRÜNEN. Dann stelle ich fest, dass bei Ablehnung durch CDU und FDP und Zustimmung von SPD und LINKE bei Enthaltung der GRÜNEN Ziffer 3 abgelehnt worden ist.

Ich rufe Punkt 55 auf: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der SPD betreffend Puttrich-Forderungen zu Biblis dienen nur der Verschleierung. Kollege Heidel ist Berichterstatter.– Wir verzichten auf Berichterstattung.

Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Ablehnung der übrigen Fraktionen des Hauses beschlossen worden.

Ich rufe zur neuen Beratung Tagesordnungspunkt 45 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend 60-jährige Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen – Verfassungsschutz auch zukünftig unverzichtbarer Pfeiler für Sicherheit und Demokratie – Drucks. 18/4033 –

Wir rufen dazu Punkt 82 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend 60-jährige Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen und demokratische Verankerung des Verfassungsschutzes – Drucks. 18/4071 –

Meine Damen und Herren, wir wollen das mit einer Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion bereden. Auf unse

rer Besuchertribüne darf ich den Herrn Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Desch, herzlich begrüßen. Herzlich willkommen in unserer Mitte.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war ein bisschen wie ein Glückwunsch, Herr Präsident, für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Ich habe zunächst eine Wortmeldung von Herrn Bellino für die Fraktion der CDU vorliegen. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Verfassungsschutz auch zukünftig unverzichtbarer Pfeiler für der Sicherheit und Demokratie“ – so haben wir bewusst unseren Setzpunkt überschrieben. Wir wollen damit deutlich machen, wie wichtig die Arbeit des Verfassungsschutzes in der Zukunft ist und wie viel wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes für ihre Arbeit in der Vergangenheit zu verdanken haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb schon an dieser Stelle: Gratulation zum 60-jährigen Bestehen und unseren Dank für die engagierte, im gebotenen Sinne transparente und erfolgreiche Arbeit im Sinne unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In der Tat sind für die Regierungsfraktionen und – so vermute ich – auch für alle anderen demokratischen Fraktionen dieses Hauses 60 Jahre Landesamt für Verfassungsschutz ein Grund zur besonderen Würdigung der Arbeit dieses Amtes. Denn 60 Jahre Landesamt für Verfassungsschutz bedeuten auch 60 Jahre Sicherheit und Demokratie in Hessen. Schließlich ist die Arbeit des Landesamtes ein wesentlicher Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur und nicht erst wegen der neuen, zusätzlichen, verstärkten Bedrohungslagen der vergangenen Jahre unverzichtbar. Deshalb haben wir uns auch stets für den Erhalt und den konsequenten Ausbau des Amtes eingesetzt, auch in finanziell schwierigen Zeiten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wer den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes die Anerkennung versagt, wer sie abbauen oder abschaffen will, der weiß entweder nicht, wer in diesem Land dazu beiträgt, dass wir alle in Freiheit und Sicherheit leben können, oder er sorgt sich aufgrund seiner eigenen Vita oder politischen Zielsetzung.

60 Jahre Landesamt für Verfassungsschutz sind auch deshalb ein Grund zur Freude, zur Genugtuung, weil es gelungen ist, eine transparente, demokratisch legitimierte und kontrollierte Sicherheitsbehörde zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Abgeordneten des Hessischen Landtags, die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission sind, wissen die Zusammenarbeit mit dem Amt zu schätzen. Gerade die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament und seinen Gremien will ich hier ausdrücklich erwähnen. Wir werden rechtzeitig und transparent informiert. Anregungen werden aufgegriffen, und eine größtmögliche Offenheit und Prüfung des Amtes ist gegeben. Dies ist im Besonderen auch deshalb wichtig, weil das Amt zum Schutz

der Grundrechte in eben diese eingreifen kann. Wir wissen aber, welch hohe Hürden genommen werden müssen, bis sogenannte G 10- oder G 13-Maßnahmen ergriffen werden können, bis man sich entscheidet, abzuhören oder sogar in den besonders geschützten Wohnraum einzudringen. Es ist ein wichtiger und gewichtiger Abwägungsprozess zwischen der Beschneidung der Grundrechte Einzelner und den Sicherheitsinteressen des Staates für seine Bürger.

Wir wissen aber auch, wie detailliert seitens des Landesamtes recherchiert und vorgetragen wird, vorgetragen werden muss, bis die zuständigen Gremien grünes Licht geben. Weil alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, ist diese Rückbindung an den Souverän unverzichtbar – ein ganz wesentlicher Unterschied zu anderen Systemen, die es in Deutschland gab. Auch deshalb genießt das Amt in der Bevölkerung großes Vertrauen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Gerade in Zeiten wie diesen verknüpfe ich meinen Dank mit der Hoffnung, dass die Arbeit auch in Zukunft erfolgreich verläuft, verhindert sie doch Terroranschläge, geht gegen Geldwäsche vor, legt manchen Sumpf trocken und beugt Angriffen auf unsere Verfassung vor.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Sie schützt unsere Verfassung. Eine Verfassung, die auch aufgrund der Verfassungsgerichtsbarkeit, der Verankerung der Menschenrechte nahezu einzigartig ist, auch da sie auf den Erfahrungen fußt, die Deutschland im letzten Jahrhundert machen musste. Eine Verfassung, die aufgrund ihrer Ausgewogenheit vielen Ländern als Vorbild dient. Eine Verfassung, die in ihrem Geist erhalten und, wenn es sein muss, gegen Verfassungsfeinde verteidigt werden muss. Schließlich sind das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Hessen das Fundament unseres Staates.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dieses Fundament nicht stabil ist, wenn es angegriffen, wenn es unterhöhlt wird, dann hält auch nichts von dem, was wir darauf errichten. Wenn die Legislative als Statiker der Verfassung bezeichnet werden kann, dann sind die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes eine Art Frühwarnsystem, welches regelmäßig prüft, ob das Fundament unseres Staates Schaden nehmen kann, ob es angegriffen wird.

Immer wieder hat das Landesamt in der Vergangenheit potenzielle Gefährdungen, egal, von welcher Seite, rechtzeitig entdeckt und in Kooperation mit den demokratisch legitimierten Ausschüssen und Organisationen angemessen reagiert: sensibel, abgestuft, wenn es sein musste, robust.

Durch Information, Prävention und Unterstützung bei sanktionierenden Maßnahmen konnte Schaden abgewendet werden, immer in Kooperation mit anderen Landesund Bundesbehörden und den parlamentarischen Gremien. Ich nenne hier stellvertretend Aussteigerprogramme, Informationsschriften für Schüler und Erwachsene, gerade wenn es um den Rechtsextremismus geht – ich nenne hier KOREX –, Maßnahmen der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, aber auch gezielte Informationsbeschaffung und -auswertung sowie die Einleitung und Begleitung von gezielten Maßnahmen. Auch deshalb ist

das Fundament unseres Staates zu einem stabilen, zu einem sicheren Fundament geworden. So konnten die Grundprinzipien der politischen Ordnungs- und Wertvorstellungen, auf denen die liberale und rechtsstaatliche Demokratie Deutschlands beruht, erhalten bleiben.

Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung – so hat es das Bundesverfassungsgericht bereits 1952 deutlich gemacht – gehören vor allem die Achtung der Menschenrechte und neben vielen anderen Dingen das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle Parteien sowie der Schutz der Meinungsfreiheit. Unsere staatliche Sicherheitsarchitektur sorgt durch den Schutz dieser Prinzipien so gesehen dafür, dass Menschen, wo auch immer, gegen Regierende, gegen Gesetzesvorlagen, gegen staatliche Einrichtungen demonstrieren können. Wer den Verfassungsschutz ablehnt, wer hier nur an den Rotstift denkt, der lehnt den Schutz eben dieser Gesellschaftsordnung mit all ihren Freiheiten ab, der nimmt bewusst in Kauf, dass sie geschwächt wird, der nimmt in Kauf, dass Grundrechte geopfert werden, der riskiert, dass Unschuldige Opfer barbarischer Angriffe werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Weil wir die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen wollen, weil wir unseren Beitrag dazu leisten wollen, dass Verfassungsfeinde und Terroristen möglichst wenig Schaden anrichten können, ist und bleibt für uns der Verfassungsschutz unverzichtbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Kürzungen oder gar die Abschaffung würde es mit uns nicht geben – zumal ein liberaler Rechtsstaat immer angreifbarer ist als andere. Die Freiheit, die er bietet, wird erst dadurch möglich, dass er nicht totalitär ist, dass er Widerspruch zulässt, dass er im extremen Fall sogar seinen ärgsten Feind an seiner eigenen Brust nährt, wie es Hans Kelsen bereits in den Dreißigerjahren sinngemäß formuliert hat. Daher muss ein demokratisches Gemeinwesen beides tun: