Protocol of the Session on April 14, 2011

Vielen Dank. – Das Wort hat der Staatsminister Wintermeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Abrüstung in Hessen“ beantragt. Dazu möchte ich im Folgenden für die Hessische Landesregierung kurz Stellung beziehen.

Wir haben zunächst zur Kenntnis genommen, dass Sie sich hier auf die Landesverfassung berufen haben. Das haben wir sehr bemerkenswert gefunden. Ich habe auch gesehen, woher das kommt. Neulich haben Sie hier einen Rüstungsatlas PR-mäßig verkauft, finanziert über die Fraktion DIE LINKE. Aus dessen Vorwort möchte ich mit Genehmigung des Herrn Landtagspräsidenten zitieren:

Um Kriegseinsätze zu ermöglichen und das Geschäft von Rüstungsprofiteuren nicht zu behindern, auch um militärische Forschung an den Universitäten und eine Militarisierung in der Außen- und Innenpolitik voranzutreiben, wird dieser Verfassungsartikel systematisch ausgehöhlt,

er bezieht sich auf Art. 69 unserer Verfassung –

ignoriert oder uminterpretiert. Von Standorten in ganz Hessen aus unterstützt die Bundeswehr Kriege in aller Welt.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Meine Damen und Herren, ich finde es nochmals bemerkenswert seitens der Landesregierung, dass sich DIE LINKE in dieser Form auf die hessische Landesverfassung beruft. Wir von unserer Seite können das, was ich hier niedergelegt habe, keinesfalls teilen. Wir halten es für falsch, und wir halten es auch für perfide.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Zitieren Sie einmal Art. 69!)

Meine Damen und Herren, es mutet schon ein wenig merkwürdig an, im hessischen Parlament Kernfragen der bundespolitischen Zuständigkeit zu erörtern. Grundsätzlich sei erwähnt, dass Fragen der Abrüstung, der Wehrpflicht und jedwede Strukturentscheidung ausschließlich der Bundesregierung unterliegen. Daher wäre bei allem berechtigten föderalistischen Selbstverständnis, das auch die Hessische Landesregierung hat, etwas mehr Zurückhaltung geboten. Ein Landesparlament sollte sich nur auf die sicherheitspolitischen Themen konzentrieren, die die Interessen des Landes unmittelbar berühren.

Aber ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass der Antrag der LINKEN uns anmutet wie ein Antrag aus den frühen Achtzigerjahren – Herr van Ooyen, da haben Sie schon FDJ-Blau getragen – und den Schluss zulässt, der Kalte Krieg sei noch nicht vorbei. Aber wie die LINKE über diese Zeit denkt, hat ihren Ausdruck auch in den vielen Äußerungen rund um den Mauerfall gefunden. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der LINKEN, ich darf Ihnen von dieser Stelle aus sagen: Der Kalte Krieg ist vorbei.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es geht jetzt um den heißen Krieg! Es gibt viele Kriege, Herr Wintermeyer!)

Im Jahre 2009 feierte ganz Deutschland den 20. Jahrestag des Mauerfalls – ein wichtiger Baustein im zusammenwachsenden Deutschland und für ganz Europa, insbesondere ein Signal für Frieden und Freiheit. Wesentlichen Anteil daran hatte, obwohl das vielleicht von Ihnen, Herr van Ooyen, bezweifelt werden wird, auch die NATO. Ebenfalls 2009 feierte die NATO ihren 60. Geburtstag, und in diesen Jahren war die NATO Garant für Frieden und Freiheit. Nicht zuletzt Deutschland hat von ihr in herausragendem Maße profitiert; denn ohne die NATO wäre die Wiedervereinigung Deutschlands undenkbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zur geschichtlichen Wahrheit gehört allerdings auch, Herr van Ooyen: Ohne die NATO hätten Sie nicht die Freiheit gehabt, von der SED zur Nachfolgepartei DIE LINKE zu mutieren.

Wir sollten uns alle hinter unsere Soldaten stellen und ihnen unsere aufrichtige Anerkennung aussprechen und sie nicht diskreditieren. Denn wir sollten bei der Diskussion nicht vergessen, dass auch wir selbst vom Engagement und von der Hilfsbereitschaft anderer in unserer Geschichte in hohem Maße abhängig gewesen sind.

Meine verehrten Damen und Herren, eine Kultur des Friedens entsteht nicht durch Wegsehen oder Wegdrehen. Eine Kultur des Friedens hat mit Engagement zu tun, mit Verantwortung, die gelebt werden muss. Die Hessische Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst und unterstützt daher die Bundesregierung und die Bündnispartner mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

An dieser Stelle von einer umfassenden Kriegsvorbereitungspolitik in Hessen zu sprechen, wie in der aus Fraktionsgeldern der LINKEN finanzierten Broschüre niedergelegt worden ist, halten wir nicht nur für infam, sondern vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte auch für geschmacklos.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die große Mehrheit der Bevölkerung für Verantwortung, für Engagement und dafür entscheidet, zu helfen, und es nicht dem Zufall überlassen will, ob Menschen in der Welt ihr Recht auf Frieden und Freiheit leben können oder nicht.

Meine Damen und Herren, die Sinnhaftigkeit der Aktuellen Stunde ist hier eben schon angesprochen worden. Die Landesregierung hat diese Frage im Parlament nicht zu kommentieren. Aber ich möchte mit einer Frage schließen und darin auch eine kleine Kommentierung niederlegen: Was ist aktuell an Ewiggestrigem? – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Haben Sie sich selber gemeint? – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Minister Wintermeyer. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Punkt 57 ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 59 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Neue Energie braucht neue Netze – Trassenaus- bau in Hessen forcieren) – Drucks. 18/3937 –

Das Wort hat der Kollege René Rock von der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in dieser Plenarwoche schon viel über Energiepolitik gesprochen. Wir haben uns auch mit der schlimmen Katas trophe in Japan auseinandergesetzt. In einem gewissen Kontext dazu steht heute unsere Aktuelle Stunde zum forcierten Trassenausbau in Hessen.

Es wird momentan der Eindruck erweckt, dass man, wenn die Atomkraftwerke und die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, einen Schalter umlegen könnte, und sofort könnte regenerative Energie diese Verluste im Netz ersetzen. Das ist natürlich nicht so. Jeder, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, weiß Bescheid.

Worüber wir diskutieren bzw. was wir zur Grundlage unserer Aktuellen Stunde gemacht haben, ist eigentlich nur ein erster Schritt zur ausreichenden Integration von regenerativer Energie ins Stromnetz. Neue Energie braucht neue Netze.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Jeder, der sich damit ernsthaft auseinandersetzt, kennt das Thema. Wir haben eine Studie vorliegen, die besagt: Wenn wir knapp 40 % regenerative Energie ins Stromnetz integrieren wollen, müssen wir 24 Trassenprojekte in Angriff nehmen und über 3.000 km neues Netz bauen. – Ich sage es noch einmal: für weniger als 40 % erneuerbare Energie im Netz.

Das bedeutet, wir haben keine Zeit zu verlieren. Die heutige Situation ist bereits so, dass man sie ein wenig mit der in der ehemaligen UdSSR im frühen 20. Jahrhundert vergleichen kann. Damals hat man gewaltige Mengen Getreide produziert, aber nicht daran gedacht, dass man Straßen und Eisenbahnen braucht, um sie in die großen Städte zu bringen, sodass sie dann auf dem Land verrottet sind und Versorgungsengpässe entstanden sind.

In genau so einer Situation sind wir heute. Wir haben Windkraftanlagen, die produzieren könnten. Aber wir wissen nicht, wohin mit dem Strom. Oder wir haben teilweise negative Strompreise am Markt, sodass in Spitzenzeiten das Netz nicht ausreicht, um die regenerative Energie vernünftig einsetzen zu können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn einem das bekannt ist und wir genau wissen, dass durch die Abschaltung älterer AKWs die Netzinfrastruk

tur deutlich stärker belastet wird, als es eigentlich geplant war, dann ist es umso wichtiger und umso dringender, dass wir uns damit beschäftigen, wie wir den Netzausbau forcieren können, wie wir zumindest diese ersten 24 Trassen in Angriff nehmen können, um 40 % erneuerbare Energie in unser Netz integrieren zu können.

Ich möchte dazu sagen: Ein Netz hat noch viel mehr Aufgaben, es ist viel wichtiger für uns, als einfach sicherzustellen, dass die von uns gewünschte erneuerbare Energie auch dorthin kommt, wo sie hin muss, nämlich zum Nutzer, sondern es hat noch zwei wichtige andere Aufgaben für uns: Es ermöglicht einen deutlich größeren Grundlastanteil regenerativer Energie, je größer das Netz ist. Es ist sehr wichtig, ein breit aufgestelltes Netz in Europa zu installieren, um die Grundlastfähigkeit regenerativer Energie zu stärken.

Uns ist es wichtig, bereits vorhandene Speicher in ein solches Netz zu integrieren, weil wir alle wissen, dass der Neubau von Speicherkraftwerken ein schwieriger Akt ist, der auf viele Widerstände trifft. Darum ist es klug, vorhandene Speicher besser in ein größeres Netz zu integrieren.

Daher kommt dem Netz die entscheidende Rolle bei der Erzeugung regenerativer Energie zu. Nicht die Erzeugungskapazität, sondern das Netz ist die entscheidende Größe, der Schlüssel zu einer Umsetzung von ausreichend regenerativer Energie.

Ich verrate Ihnen kein Geheimnis; wir haben im Hessischen Landtag schon sehr viel über die Frage debattiert, wie wir mehr erneuerbare Energie integrieren können, wie wir mehr erzeugen können.

Wir hatten eine dreitägige Anhörung zu diesem Thema. Jedem, der diese Anhörung verfolgt hat, ist sehr schnell klar geworden: Solange die Sonne scheint, werden wir immer genug Energie auf der Erde haben. Die Frage ist nur: Wie bekommen wir die Energie zum Menschen, zu welchen Kosten und in welcher Zeit? Die Kosten und die Zeit sind die zwei wichtigen Größen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Thema möchte ich an den 24 Trassen festmachen, die notwendig wären, um einen Anteil von 40 % regenerativen Energien zu integrieren. Wir könnten 3.600 km 380-kV-Freileitungen bauen. Das würde knapp 10 Milliarden € kosten. Wir könnten auch 1.700 km Hochtemperaturleitungen bauen. Dann haben wir allerdings das Problem – das wird von den Befürwortern oftmals unterschlagen –, dass wir außerdem knapp 6.000 km Altleitungen nachrüsten müssten. Da hätten wir Kosten in Höhe von 17 Milliarden €. Die Kosten für die Verlegung von 3.400 km Erdkabel – ein Vorschlag, der ebenfalls oft genannt wird – sind extrem schwer zu beziffern, weil nicht genau abzuschätzen ist, welche Kosten bei welcher Erdformation entstehen. Bei dieser Variante geht man von Kosten in Höhe von 22 bis 29 Milliarden € aus.

Vor diesem Hintergrund muss doch jedem klar sein, dass es ganz wichtig ist, sich zu fragen: Wie kann ich schnellstmöglich und zu welchen Kosten Leitungen bauen? Jeder weiß, dass der Strompreis – jedenfalls vor Inkrafttreten des EEG – durch drei Preisblöcke bestimmt wird. Der ers te Block – ein Drittel des Preises – sind die Stromerstellungskosten. Der zweite Block – ebenfalls ein Drittel – sind die Netzkosten. Der dritte Block sind die Steuern.

Kollege Rock, Sie müssen zum Schluss kommen.

Deshalb möchte ich darauf hinweisen, dass es ganz wichtig ist, einen forcierten Trassenausbau zu betreiben. Das Geld spielt eine wichtige Rolle, aber auch die Zeit spielt eine wichtige Rolle. Daher ist es ganz wichtig, dass wir die Planungs- und Genehmigungsvorhaben vorantreiben. Ich war begeistert, dass das auch bei den GRÜNEN angekommen ist. Sie haben vor Kurzem beschlossen, Sie wollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Es kommt mir zwar ein bisschen seltsam vor, wenn Sie das fordern, weil Sie in der Regel immer dagegen waren – –

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie sind doch die Dagegen-Partei. – Darum erwarte ich von Ihrem Wortbeitrag, dass Sie die Bemühungen von Dieter Posch loben und sagen: Herr Posch, weiter so, wir unterstützen Sie endlich, wir haben eingesehen, die Zeit ist neben dem Geld der wichtigste Faktor. – Für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist es entscheidend, dass Dieter Posch auf seinem Weg unterstützt wird. Loben Sie an dieser Stelle Dieter Posch, dann tun Sie das Richtige. Und vor allen Dingen: Unterstützen Sie ihn.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Stephan, CDUFraktion.