Protocol of the Session on April 1, 2009

Im Kern stellt sich derzeit das Problem, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Gesetzentwurf bezüglich der Absicherung der Optionskommunen nicht traut, der Bundesminister aber den Optionskommunen selbst nicht traut. Diese intellektuelle Differenzierung ist schon notwendig. Entscheidend sind folgende Fragen: Sind die Optionskommunen auch dann rechtlich abgesichert, wenn im Grundgesetz nur die Arbeitsgemeinschaft als verfassungskonforme Mischverwaltung genannt wird? Kann die Zahl der Optionskommunen, 69, durch ein einfaches Gesetz erhöht werden? Dies sind – gerade im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2007 – sehr komplizierte rechtliche Abwägun

gen.Dies hätte vertrauensvoller Gespräche mit allen Ebenen unter Leitung des Bundesministers bedurft. Er ging wohl davon aus, dass nach dem politischen Kompromiss am 14.07.2008 mit den Ministerpräsidenten Beck und Rüttgers für ihn die Arbeit bereits getan sei. Da irrt er aber.

Der Bundesminister hat niemals erkennen lassen, dass er seine negative Einstellung zu den Optionskommunen zumindest relativieren würde und neuen Erkenntnissen offen gegenüberstehen würde. So heißt es in einem Eckpunktepapier vom 26. September 2008 – also nach dem Kompromiss auf politischer Ebene erstellt –, dass die Tätigkeit der Optionskommunen zwar durch eine Grundgesetzänderung abgesichert, deren Zahl aber dauerhaft festgeschrieben werden soll. Dem Bund soll die Rechtsaufsicht über die Kommunen übertragen werden. Der Bund soll – wörtlich – eine „hinreichende Finanzkontrolle“ erhalten, was angesichts des Streites über die Bezahlung der Wiedereingliederungsmaßnahmen natürlich erhebliches Misstrauen bei den Kommunen ausgelöst hat.

Das Bundesministerium hat nie seine Behauptung korrigiert, dass die Arbeitsgemeinschaften angeblich eine um 18 % höhere Vermittlungsquote von Langzeitarbeitlosen im Vergleich zu den Optionskommunen haben. Der Vorsitzende des Landkreistags, der südpfälzische Landrat Dupré,sprach von einer „tendenziösen Auswertung“.Fast wortgleich wurde dies in der Gelnhäuser Erklärung der hessischen Landräte und Bürgermeister kommentiert.Ich zitiere: Im Sinne des § 6c SGB II müssen künftig „tendenziöse einseitige Aussagen“ des Bundesministeriums unterbleiben.

Um es klarzustellen: Ich will hier nicht Optionskommunen gegen Argen ausspielen,aber das Zahlenmaterial,das unser Ministerium in der letzten Legislaturperiode für Hessen vorlegte, lässt solche pauschalen und verfälschten Aussagen einfach nicht zu. Ganz im Gegenteil, die absoluten Spitzenwerte bei der Arbeitsvermittlung wurden von Optionskommunen in Hessen erzielt. So kann Vertrauen eben nicht hergestellt werden.

Wie aufgebracht Kommunalpolitiker über Bundesminister Scholz sind, zeigen Presseberichte über einen kürzlich stattgefundenen Besuch des Arbeitsministers im MainKinzig-Kreis. Die „FAZ“ titelte: „SPD im Clinch mit Bundesarbeitsminister“; Untertitel: „Streit um Integration von Langzeitarbeitslosen“.Die stellvertretende SPDUnterbezirksvorsitzende Simmler interpretierte Aussagen von Scholz so, dass dieser die Arbeit der Optionskommunen nicht ausreichend würdige, sondern sogar abwerte,obgleich diese gerade in Hessen mehrfach den Spitzenplatz einnahmen. Laut „Fuldaer Zeitung“ vom 28. März 2009 ergänzte Frau Simmler im Hinblick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf,dass – so wörtlich – „Olaf Scholz uns im Main-Kinzig-Kreis mit seiner Anwesenheit nicht zu beehren braucht“.

Gleichfalls wenig vertrauensvoll war die Zusammenarbeit von Kommunen und Bundesarbeitsminister bei der Finanzierung von Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt im Sinne von § 16 SGB II. Hier geht es in erster Linie um Maßnahmen für Alleinerziehende, Arbeitslose ohne Schulabschluss sowie Arbeitslose mit mangelhaften Deutschkenntnissen. Die Mittelverwendung im Rahmen dieser Generalklausel wird durch das Ministerium überprüft. Hier gibt es ständig Streit, und die Prüfgruppe bescheinigt den Kommunen fast zynisch eine „zwar notwendige, aber rechtswidrige“ Verwendung der Mittel. Dies zeigt zusammengefasst, dass das Misstrauen

des Bundesministers gegenüber den Kommunen dafür verantwortlich ist, dass der Zeitplan für eine einvernehmliche Lösung nicht eingehalten wurde.

Wir hoffen inständig, dass es gelingt, sehr zeitnah Rechtssicherheit zu schaffen. Wir wollen gut darauf eingestellt sein, den vorübergehenden Anstieg der Zahl der Arbeitslosen und speziell der Langzeitarbeitslosen durch engagierte Optionskommen und Arbeitsgemeinschaften zu mildern, auch mithilfe von Arbeitsmarkt- und Ausbildungsprogrammen des Landes Hessen.

Meine Damen und Herren, es geht um Zukunftsperspektiven für Menschen, nicht um Machtansprüche einer Bundesbehörde. Es geht um Fördern und Fordern. Es geht um Vermitteln statt Verwalten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schönen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Fuhrmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt schon eine ganze Weile im Hessischen Landtag, aber manchmal bleibt mir dann doch die Spucke weg.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das wäre schön!)

Mir blieb die Spucke weg, als ich gelesen habe, welchen Setzpunkt die GRÜNEN gewählt haben. Meine Damen und Herren, alle, die noch ein bisschen Gedächtnis haben, wissen, dass die SPD-Fraktion am 5. März dieses Jahres, also in der letzten Plenarwoche, genau dieses Thema zum Setzpunkt gemacht hatte. Die, die der Debatte damals gelauscht haben, erinnern sich sicher auch daran, dass gerade Herr Bocklet gesagt hat, wenn wir die Probleme der Großen Koalition in jeder Sitzung bereden wollten, dann hätten wir nichts anderes zu tun; die Bundespolitik habe hier im Hessischen Landtag nichts verloren.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb war ich zwar leicht erstaunt, aber gut, Sie müssen sich entscheiden, ob das Thema Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik ein Thema für Hessen ist oder nicht. Sie haben sich umentschieden, und ich beglückwünsche Sie dazu.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Probleme in einer Regierungskoalition, sondern darum, dass es in der CDU auf Bundes- und Länderebene ein ziemliches Chaos gibt. Es gibt auch ein ziemliches Chaos zwischen der CDU und der FDP, wo immer sie zusammen handeln.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Herr Hahn, ich freue mich, wenn Sie Nein sagen. Das ist der erste Schritt.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Ich freue mich, dass Sie sich freuen! – Heiterkeit)

Das ist schön. – Wir erleben gerade einen richtig handfesten Hauskrach: Herr Röttgen kontra Rüttgers – das ist

ein kleines NRW-Duell –, und Wulff, Laumann und Koch kontra Kauder und die Kanzlerin. Das sind ganz ordentliche Streithähne.

Bei diesem CDU-internen Duell haben die Hähne aus den Ländern allerdings den Kürzeren gezogen, und das zum Schaden der Arbeitsuchenden in ganz Deutschland, also auch in Hessen. Die Folge werden erhebliche Qualitätsverschlechterungen bei der Betreuung von Arbeitsuchenden sein, und – ich zitiere – „die Verzögerungen werden zu großen organisatorischen und Ablaufschwierigkeiten führen“. So hat es Herr Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, ausgedrückt. Ich kann nur sagen, diese Meinung teile ich ausdrücklich.

Wenn es keine Einigung geben wird – das haben wir schon Anfang März gesagt –, werden die Hilfen aus einer Hand, die doch fast alle wollen, bald nicht mehr existieren. Dann werden die Argen wieder aufgelöst. Dann werden die Kommunen die kostenträchtigen Leistungen selbst erbringen müssen. Dann wird die Bundesagentur für Arbeit wieder die alleinige Zuständigkeit für die Arbeitsmarktpolitik haben. Ich glaube, das ist weder im Sinne von Herrn Koch und Herrn Hahn noch im Sinne der SPD oder der GRÜNEN.

Meine Damen und Herren, es kann nicht angehen, dass dieser Hauskrach dazu führt, dass wir gerade in der jetzigen Wirtschaftskrise handlungsunfähig werden. Gerade jetzt müssen die Arbeitsmarktpolitik und die Verwaltung so eingestellt werden, dass man mit den Folgen der Rezession und der Krise umgehen kann. Da ist es schlicht verantwortungslos, wenn man kleinkarierte Blockaden aufbaut, um wichtige Weichenstellungen zu verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Rock – deswegen habe ich mir eigentlich gewünscht, dass Sie vor mir sprechen –, Sie haben in Ihrer letzten Rede vor allem Herrn Scholz die Schuld in die Schuhe geschoben. Auch Herr Dr. Bartelt hat jetzt ein bisschen in dieses Horn geblasen.

Ich kann nur sagen, Sie sollten sich in diese Thematik wirklich noch mehr einarbeiten. Es gab eine Verhandlungsgruppe, die sich auf einen Kompromiss geeinigt hat. Wenn ein Kompromiss auf dem Tisch liegt, kann man dazu Ja oder Nein sagen, aber nicht nachtarocken. Herr Scholz war der Meinung, Ministerpräsident Rüttgers war der Meinung, und Ministerpräsident Beck war der Meinung. Alle drei sind honorige Menschen und haben sich auf einen Kompromiss geeinigt. Dann sollte man diesen auch in die Wirklichkeit überführen.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Auch ich bin eine Basta-Politikerin; Sie kennen mich doch.

(Lachen des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Das Ganze hat dann gehalten, bis die CDU/CSU-Bundesstagsfraktion die Reißleine gezogen hat. Herr Koch hat in der „Berliner Zeitung“ dazu gesagt:„Was sollen wir“ – die Ministerpräsidenten – „denn Jahre verhandeln, wenn uns am Ende die Fraktion sagt, das geht so gar nicht?“

Ich muss sagen, ich habe es als eine grobe Unverschämtheit und als eine Beleidigung empfunden,

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

dass alle Staatskanzleien und Justizministerien das geprüft haben und die CDU-Bundestagsabgeordneten dann

das Ganze vom Tisch wischen und sagen, es sei verfassungswidrig. Ich muss sagen, das ist eine Form der Ignoranz, wie ich sie selten erlebt habe.

(Beifall bei der SPD)

Herr Koch, da Sie jetzt anwesend sind, fordere ich Sie auf, Ihre gesamte Kraft in die Waagschale zu werfen und Ihrer CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Ihren FDP-Kolleginnen und -kollegen klarzumachen, dass die Grundgesetzänderung jetzt ganz schnell auf die Schiene gesetzt werden muss.

Die Kritik, die Herr Bocklet in der letzten Debatte geäußert hat, richtete sich auch an die SPD-geführten Argen. Zum Beispiel betraf das die Eingliederungsmittel. Von Herrn Dr. Bartelt kamen ähnliche Töne.

Aber nicht die Fakten, sondern schlichte Behauptungen – noch dazu falsche – haben die Debatte bestimmt. Ich hatte leider aufgrund der kurzen Redezeit keine Möglichkeit, darauf einzugehen.

Ich möchte aber die Recherche von Herrn Bocklet noch einmal aufgreifen und darauf hinweisen, dass z. B. Gießen nicht von der SPD, sondern von einem schwarz-gelben Bündnis regiert wird.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie denn keinen sozialdemokratischen Landrat? – Zuruf von den GRÜNEN: Der Landkreis Gießen!)

Auch den von Ihnen zitierten Wetteraukreis regiert seit März 2005 eine Mehrheit aus CDU,FDP und Freien Wählern. Lieber Herr Kollege Bocklet, das ist so, ob es einem nun gefällt oder nicht.

(Axel Wintermeyer (CDU): Im Landkreis Gießen gibt es sogar den Marx!)

Herr Bocklet hat in dieser Debatte auch unterschlagen, dass z. B. die schwarz-grün regierte Stadt Frankfurt ebenfalls einen Millionenbetrag an Eingliederungsmitteln zurückgegeben hat.

Meine Damen und Herren, ich möchte hier den Appell loswerden, dass wir in dieser Frage endlich diese kleinkarierten Spielchen sein lassen. Es gibt gute und schlechte Argen,es gibt gute und schlechte Optionskommunen,und es gibt gut regierte CDU- oder SPD-Landkreise. Das ist überhaupt kein Kriterium, Herr Kollege Bocklet.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD ist, wie die GRÜNEN, die CDU und die FDP – das unterstelle ich jedenfalls –, der Überzeugung, dass die zur Verfügung stehenden Eingliederungsmittel zweckgebunden und erfolgreich ausgegeben werden sollen, aber nicht verschleudert werden dürfen.

Aber heute geht es eigentlich um etwas anderes. Es geht darum, dass jetzt – das war bereits Anfang März so – aufgrund der Blockade der Bundestagsfraktion der CDU/CSU ungefähr 55.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter keine klare Perspektive haben. Fakt ist, die Arbeitslosen und ihre Angehörigen brauchen jetzt endlich Klarheit darüber, wie es weitergeht; denn sie können ihre Zukunft nicht auf Luftschlössern aufbauen.