Protocol of the Session on April 1, 2009

Wenn er weiterhin aus der Nutzung der Kernenergie aussteigen will, dann ist ganz klar, dass er in Zukunft mehr Kohlekraftwerke braucht. Das wird von Herrn Gabriel nicht bestritten.

(Zuruf)

Liebe Frau Kollegin Hammann, ich will Ihnen durchaus sagen: Ich schätze Sie sehr. Sie sagen, Sie wollen keine neuen Kohlekraftwerke und keine Nutzung der Kernenergie. Sie haben aber nicht erläutert, wie Sie den Übergang schaffen wollen. Aber auch Sie wissen genau, dass wir übermorgen noch keine Nutzung erneuerbarer Energien zu 100 % haben werden. Das wird so nicht möglich sein.

Bei der Versorgung mit Erdgas wird es auch keine Sicherheit geben,wenn man nicht komplett von einem einzelnen Staat abhängig sein will. Es ist also sicherlich völlig unstreitig, dass wir für die Zukunft einen Energiemix brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrte Frau Wissler, ich sage auch ganz klar: Sie haben gesagt, der Strom komme aus der Steckdose. Da haben Sie es sich ein bisschen zu einfach gemacht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe gesagt, dass das nicht so ist!)

Nein. – Ich will schon sehr klar sagen:Wir setzen uns dafür ein, dass in Deutschland auch in Zukunft die Lichter nicht ausgehen.Wir wollen uns auch dafür einsetzen, dass die Leute nicht im Kalten sitzen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Dann sagen Sie einmal etwas zu den Energiepreisen!)

Denn wenn wir über die Energieversorgung sprechen, reden wir immer von beidem, von Strom- und Wärmeversorgung.

Sie wissen selbst um den Reinvestitionsbedarf bei den Kraftwerken. Wenn es bei dem von Ihnen gewünschten Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie bleiben würde, müsste es zu einem Zubau an Kraftwerken in einer Größenordnung von 40.000 MW kommen. Das heißt, es würde ein Investitionsbedarf von rund 50 Milliarden c vorliegen.

Sie haben heute nicht gesagt, wie Sie das Problem lösen wollen, wenn Sie die Kernenergie nicht als – das sage ich ausdrücklich – eine Übergangstechnologie nutzen wollen, um dabei gleichzeitig wirklich, und zwar massiv, in erneuerbare Energien zu investieren.Deswegen mache ich ganz klar den Vorschlag, dass wir, wenn es um die Möglichkeiten der Verlängerung geht, verpflichtend einen unabhängigen Fonds anlegen, in den rund 20 Milliarden c – wenn man das nur einmal grob berechnet – einzuzahlen sind, um ganz anders in die Nutzung erneuerbaren Energien investieren zu können.

Es ist durchaus spannend, dass einige von der Nutzung der Geothermie sprechen, wissen wir doch, dass die Forschung dazu leider längst noch nicht so weit ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Da könnte man etwas ändern!)

Da braucht man noch richtig viel Geld.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, das ist richtig!)

Deswegen wollen wir da auch einen Schwerpunkt setzen.

Auf der anderen Seite wissen auch Sie, dass ein Energiemix nicht so einfach zu machen ist.Das erkennt man allein schon, wenn man sich die Ziele anschaut. Ich möchte jetzt noch einmal auf den Herrn Kollegen Bundesumweltminister Gabriel verweisen. Im „Handelsblatt“ wird auf seine Ziele für das SPD-Wahlprogramm verwiesen. Die

SPD hatte immerhin einmal vorgesehen, dass man bis zum Jahr 2020 mit Windkraft offshore allein auf 10.000 MW kommen könne. Laut dem „Handelsblatt“ von vor wenigen Tagen ist dieses Ziel inzwischen schon wieder heruntergeschraubt worden. Da wird nicht mehr von 10.000 MW, sondern von 1.500 MW bis 2.000 MW bis zum Jahre 2013 gesprochen.Denn in den letzten Jahren sind all die Investitionen, die man sich erhofft hatte, dort überhaupt noch nicht angelaufen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Woran liegt das?)

Das muss man einfach so deutlich sagen. Denn an vielen Stellen sind die Planung oder die Technik noch nicht so weit, oder die Kapazitäten sind noch nicht vorhanden. Deswegen gehört für mich ganz klar mit dazu, dass wir in Hessen ein eigenes Energiekonzept aufstellen, bei dem wir auf einen Energiemix setzen und unterschiedliche Möglichkeiten weiterhin nutzen.

Eines will ich sehr deutlich machen. Ich will noch einmal den Versuch starten, dass wir das durchaus gemeinsam machen, so wie das auch die Nachhaltigkeitskonferenz im letzten Jahr mit angestoßen hat. Aber auch aufgrund der Anhörung, die der Landtag hier durchgeführt hat, wird es möglich sein,ein Energiekonzept mit ganz konkreten Zielen zu erstellen.

Ich habe vor, erst einmal Menschen mit zu berufen, die mit uns gemeinsam die Erarbeitung des Energiekonzepts vergeben, damit dort zunächst einmal die Rahmenbedingungen klar herausgearbeitet werden, unter denen, und zwar ganz konkret, bis zum Jahr 2020 ein Anteil von 20 % an erneuerbaren Energien in Hessen erreicht werden kann. Sie wissen genau, dass es eine Herausforderung ist, sicherzustellen, dass auf der einen Seite die Energieeffizienz massiv erhöht wird und auf der anderen Seite die erneuerbaren Energien mit ihrem entsprechenden Anteil einfließen.

Die Funktion eines solchen Energiekonzepts ist dabei sehr vielschichtig. Zum einen skizziert es die zukünftige Energieversorgung, die auf verschiedenen Säulen aufbauen muss. Das heißt Versorgungssicherheit,Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hammann?

(Ministerin Silke Lautenschläger: Ja!)

Frau Ministerin, Sie laden zur Mitarbeit ein. Sind Sie denn in der Lage, unser Konzept zur Energiepolitik vorurteilsfrei in Ihre Überlegungen mit einzubauen?

Frau Kollegin Hammann, ich werde gleich skizzieren, wie ich mir ein Energiekonzept vorstelle. Daran werden Sie feststellen, dass es nicht irgendwo in einem stillen Kämmerlein geschrieben wird, sondern wir Experten einbeziehen wollen, um bis Ende des Jahres – so viel Zeit braucht es, wenn es vernünftig strukturiert ist – ein Konzept vor

liegen zu haben, wie wir das in den nächsten Jahren umsetzen.

Frau Ministerin, gestatten Sie jetzt noch eine Zwischenfrage der Kollegin Schulz-Asche?

Nein,ich möchte erst einmal kurz ausführen.Danach können Sie gerne noch einmal eine Frage stellen. Aber es macht vielleicht Sinn,dass ich Ihnen jetzt erst einmal sage, was sich die Koalitionsfraktionen vorstellen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Macht doch einmal eine Bürgersprechstunde!)

Ein Energiekonzept besteht aus verschiedenen Bausteinen. Das ist zum einen die Beschreibung der Istsituation im Energiesektor für das Bundesland Hessen.Dabei muss sowohl das Erzeuger- als auch das Energienutzerverhalten sehr differenziert dargestellt werden. Es muss dabei deutlich werden, welcher Energiebedarf und welches Energieangebot bestehen. Wir brauchen natürlich – das ist aus meiner Sicht in der Debatte viel zu kurz gekommen – auch die Trennung zwischen Strom- und Wärmesektor. Das ist von wesentlicher Bedeutung dafür, wie wir die Bevölkerung in Zukunft versorgen können.

Der zweite Punkt ist die Potenzialentwicklung aller erneuerbaren Energien. Wir haben in weiten Bereichen schon viele Grundlagen, die für die Potenzialermittlung von erneuerbaren Energien einbezogen werden können. Aber klar ist auch, neben der Potenzialermittlung ist es eine Grundlage für ganz konkrete Maßnahmenplanung.

Zum Dritten gehören dazu die Ermittlung und die Bewertung der bestehenden Energieversorgungsnetze. Darauf möchte ich schon einmal einen ganz besonderen Wert legen und mich ausdrücklich an Sie, Frau Hammann, wenden. Sie haben vorhin gesagt: weder Kohle noch Kernkraft.Es bleibt dann nur noch das Gas.Dort haben wir besonders hohe Abhängigkeiten – neben den erneuerbaren Energien.

Sie haben auch gesagt, bei den anderen Kraftwerken bestehe keine Regelungsmöglichkeit. Zum einen – das können wir heute in dieser Debatte nicht alles abhandeln – gibt es das Thema Klimaschutzziele.Wir sollten zumindest so redlich diskutieren, dass klar ist, wenn Staudinger kommt, wird natürlich ein Mehr an Klimaschutz erreicht, weil wir keine Glocke über Staudinger haben,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was? – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eben nicht!)

sondern der Emissionshandel insgesamt dort mit zum Tragen kommt und damit für die Klimaschutzziele mehr erreicht wird.

(Beifall bei der FDP)

Zum Zweiten ist noch viel wichtiger: Wenn wir über erneuerbare Energien sprechen, dann wissen Sie, dass wir beim Thema Sonne und beim Thema Wind – in Anführungszeichen – bestimmte Peaks

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist jetzt das Neue?)

und bestimmte Zeiten haben, wann Wind weht bzw. Sonne scheint, und noch keine genügenden Speichermöglichkeiten bestehen. Wir brauchen die Möglichkeit, die Grundlast dauerhaft sicherzustellen.

Frau Ministerin, gestatten Sie mir ganz kurz den freundlichen Hinweis, dass die Redezeit für die Fraktionen, die vereinbart wurde, bereits abgelaufen ist.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und immer noch nichts gesagt! – Heiterkeit)

Dabei muss natürlich Wert darauf gelegt werden, dass wir gerade mit Steinkohle die Möglichkeit haben, über regelbare Kraftwerke zu verfügen, die darauf reagieren können, erneuerbare Energien – je nachdem, wie der Stand ist, wenn viel Wind weht und viel Sonne scheint – entsprechend einzuspeisen. Ich würde Ihnen dringend raten, diese Netzdiskussion genauso mit zu führen. Die Energieversorgungsnetze wollen wir selbstverständlich mit bewerten lassen.

Wir werden auch die Gedanken über die Frage von Mobilität aufnehmen, denn klar ist: Wenn wir mehr Elektromobilität wollen, müssen wir auch diesen Bedarf an Stromversorgung schon in ein Energiekonzept 2020 – auch wenn wir den Verkehr nicht komplett hineinnehmen – mit bedenken.

(Fortgesetzte Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie sehen, es ist eine ganze Reihe von Maßnahmen, die dabei anstehen. Es geht nicht, dass man einfach nur sagt, was man alles nicht will, sondern wir müssen klare Vereinbarungen treffen, wie wir nachhaltige Energiepolitik für die Zukunft machen wollen. Die Landesregierung wird das mit dem Konzept aufgreifen.

Sie wird dazu unabhängige Wissenschaftler berufen, die schon die Ausschreibung begleiten. Sie sind herzlich eingeladen, innerhalb der Nachhaltigkeitskonferenz, die dieses Thema aufgerufen hat, in die wir das Konzept einspeisen werden, daran teilzunehmen. Ich glaube, nur wenn wir alles gemeinsam aufnehmen, können wir sowohl aus den Grabenkämpfen herauskommen, als auch Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig eine sichere, umweltverträgliche und dauerhafte Versorgung der Bevölkerung erreichen.

Das ist unser Ziel. Dafür werden wir den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 % und damit spürbar steigern und gleichzeitig die Energieeffizienz erhöhen, um diese Ziele zu erreichen. Das ist ein sehr weitgehend angelegtes Projekt. Das ist durchaus auch sportlich zu sehen.

(Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ja!)