An der Armut von Kindern und Jugendlichen wird auch das Bildungspaket nichts Wesentliches ändern. Ohnehin ist noch unklar, an welche Antragsmodalitäten die Teilhabe an diesen Sachleistungen gekoppelt ist. Sehr wahrscheinlich wird es eine Bedürftigkeitsprüfung geben. Je nachdem, wie rigide und umfassend diese ausfallen wird, wird die Anzahl der Inanspruchnehmenden sehr begrenzt sein.
Meine Damen und Herren, der geistige Vater des HartzIV-Gesetzes ist das hiesige sogenannte Hessische OFFENSIV-Gesetz. Sein Vorbild sind die Verhältnisse in Wisconsin und die dortige Praxis von „Welfare to Work“.
Vor der Einführung des OFFENSIV-Gesetzes und des Hartz-Konzeptes wurde auf den Ansturm auf die Armenspeisungen in Wisconsin hingewiesen, die dort nach der Einführung vonstattenging. Inzwischen haben wir in Hessen ebenfalls Armenspeisungen. Überwiegend nennen wir sie Tafeln. Die Zahl der Besucherinnen und Besucher wurde im November 2010 vom Sozialministerium mit 48.500 angegeben. Im Newsletter vom Januar 2011 waren es dann schon 54.000.
Da steht kein Wort davon, dass die Hessische Landesregierung für diese Missstände mit verantwortlich ist und dass sie diese Missstände mit herbeigeführt hat. Es ist keine Spur davon zu finden, dass und wie die Landesregierung diesen Missständen abhelfen möchte.
Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Zustände werden sogar noch gelobt. Es wird gesagt, das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafeln mache unsere Gesellschaft freundlicher, solidarischer und menschlicher. Die Landesregierung freut sich, zu diesen in ihren Augen idyllischen Zuständen einen Beitrag mit einem Investitionszuschuss in Höhe von 15.000 € zur Modernisierung einer Ausgabestelle leisten zu können. Das ist ihr Verständnis davon, wie man mit armen Menschen umgeht.
Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Mitglieder der CDU, der CSU und der SPD im Bundestag wird Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern leben, ab dem 25. Lebensjahr der Regelsatz um 73 € gekürzt. Die Koalition und die SPD haben diese beschämende Entscheidung nicht zurückgenommen, sondern lediglich in einer Protokollerklärung festgehalten:
Der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 3 wird mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen, überprüft.
Das heißt also, er wird erst einmal eingeführt, und irgendwann einmal wird das überprüft. Die Erfolgsmeldung der SPD, dass die Kürzung der Regelsätze für Menschen mit Behinderungen vom Tisch sei, entpuppt sich schon jetzt als Lüge.
Die Begründung der Kürzung bei den Behinderten durch die Schuldenbremse zeigt, wohin der Weg gehen wird, wenn sich innerhalb und außerhalb der Parlamente dagegen kein Widerstand entwickelt. Die von den vier HartzIV-Parteien in Hessen befürwortete Schuldenbremse ist der Hebel für weiteren, härtesten und in seiner Rücksichtslosigkeit bisher selbst von Rot-Grün nicht erreichten Sozialabbau.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich hier heute für Ihre Verhandlungserfolge loben werden, ist das Blendwerk. Ja, 8 € sind mehr als 5 €, und der Kompromiss ist besser als der Entwurf der Regierung. Aber damit wird noch nichts gut. Konsequent wäre es gewesen, an dieser Stelle endlich für eine Wende und eine Abkehr von den menschenverachtenden Hartz-IV-Gesetzen zu sorgen. Sowohl Anlass als auch Möglichkeit waren gegeben.
SPD und GRÜNE haben wieder eine Chance verstreichen lassen. Fehler in der eigenen Vergangenheit einzusehen, zu benennen und sie dann zu verändern, ist schwierig. Hier wäre die Möglichkeit dazu gewesen. Da waren Ihnen aber die ganz kleinen Erfolge vor der Wahl dann doch wichtiger als der große Wurf.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einmal den vorhergehenden Beitrag freundlich kommentieren.
Die Einigung im Vermittlungsausschuss über die HartzIV-Regelsätze und die folgenden Beschlüsse im Bundestag und im Bundesrat sind für die Arbeitslosengeld-IIEmpfänger erfreuliche Signale, deren Grundsicherungen jetzt rechtssicher und transparent nachvollziehbar gesichert sind. Die Kinder in Familien, die Arbeitslosengeld II oder Wohngeld beziehen, erhalten eine Zukunftsperspektive, die dahin geht, dass sie im Erwachsenenalter nicht mehr Hartz IV beziehen müssen. Die kommunale Familie, die die Grundsicherung für alle Menschen übernimmt, wird bundesweit bis zum Jahr 2015 mit 12,2 Milliarden € entlastet werden.
Ich möchte jetzt auf die drei Punkte im Einzelnen zu sprechen kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2009 die Berechnung der Regelsätze, die durch die damalige rot-grüne Regierung vorgenommen wurden, als nicht nachvollziehbar kritisiert. Es hat eine transparente Berechnung gefordert. Dem wurde jetzt mit dem Ergebnis exakt Folge geleistet, dass die Regelsätze jetzt um 5 € monatlich und Anfang nächsten Jahres um weitere 3 € monatlich erhöht werden.
Damit beziehen die Arbeitslosengeld-II-Empfänger nach Berechnungen der Bundesagentur – das umfasst also die Regelsätze plus Miete und Heizung plus Kranken- und Pflegeversicherung – insgesamt folgende Transferleistungen netto: Alleinstehende erhalten 806 €, Alleinerziehende mit einem Kind erhalten 1.168 €, ein Paar mit einem Kind erhält 1.565 €, und mit zwei Kindern erhält es 1.866 €.
Mir ist es wichtig, diese Zahlen in den Blickpunkt der Diskussion zu stellen. Das sind Beträge, die das menschenwürdige Existenzminimum und die Teilhabe an der Gesellschaft so sichern, wie es vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben wurde. Das sind steuerfinanzierte staatliche Leistungen, die von den Beziehern niedriger Einkommen auch noch akzeptiert werden können. Allerdings ist das nur dann der Fall, wenn die Hartz-IV-Empfänger alle Anstrengungen unternehmen, baldmöglichst wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen,
vorausgesetzt, sie sind dazu gesundheitlich in der Lage, und vorausgesetzt, die Jobcenter fördern sie dabei.
In einem Punkt stimme ich meiner Vorrednerin zu. Sie hat gesagt, dass die Hessische Landesregierung der geistige Vater dieser Reform sei. Das ehrt uns. Dazu stehen wir auch.
Dazu muss das Grundprinzip der Hartz-IV-Reformen der Regierung Schröder, nämlich das Fördern und Fordern, eindeutig von allen demokratischen Parteien weiterhin getragen werden.
Um zu verdeutlichen, dass die Transferleistungen Akzeptanz erfahren können, seien den 1.866 €, die eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Kindern bezieht, die durchschnittlichen Einkünfte gemäß dem Statistischen Bundesamt folgender Berufsgruppen gegenübergestellt. Zum Teil gibt es dort Mindestlöhne entsprechend dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Gastronomieangestellte erhalten einschließlich Kindergeld für zwei Kinder 1.544 €, Pfleger im Altenheim erhalten 1.817 €, und Angestellte eines Wach- und Schließdienstes 1.732 €.
Bei allem Respekt vor den sozialdemokratischen Spitzenpolitikern, die beim Kompromiss der Regelsätze mitgewirkt haben – die GRÜNEN kann ich an dieser Stelle leider nicht erwähnen, weil sie vorher ausgeschieden sind –, muss ich zum Thema Konsens der demokratischen Parteien bei dieser Reform auf der Basis des Förderns und Forderns noch zwei Anmerkungen machen.
Erstens erhebt sich die Frage: Warum sind die GRÜNEN in der Endphase der Verhandlungen ausgestiegen?
Wollen Sie weiterhin einen Regelsatz von 420 € vertreten und sich in die Gruppe der Linkspopulisten einreihen? Meine Damen und Herren, das muss geklärt werden.
Zweitens muss auch Folgendes geklärt werden. Der Vorsitzende der SPD, Gabriel, äußerte unmittelbar nach den Verhandlungen in der „Bild am Sonntag“, er habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelsätze. Er habe nur keinen Sinn mehr darin gesehen, mit der Regierung weiter zu verhandeln.
Mir kam das so vor, dass er plötzlich Angst vor der Verantwortung bekommen hat: Hilfe, ich habe entschieden, holt mich hier wieder raus.
Deswegen sind wir enttäuscht darüber, dass sowohl der SPD in ihrem Punkt 9 als auch die GRÜNEN die Verfassungswidrigkeit mit aufgenommen haben und damit der LINKEN den Ball für diesen Setzpunkt zugespielt haben. Unter Solidarität der demokratischen Parteien untereinander verstehe ich etwas anderes.
Meine Damen und Herren, wie soll ich das Ganze denn verstehen? Will sich Herr Gabriel etwa der Linkspartei annähern?
Oder gilt das, womit die hessische SPD unter der Kollegin Ypsilanti bekannt geworden ist, die seinerzeit die Proteste gegen Hartz IV innerparteilich initiiert hat. Sie sagte kürzlich gegenüber „NGO-Online“ gefragt nach den Konsequenzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV:
Dabei kann es nicht nur um Reparaturmaßnahmen gehen, sondern um eine grundsätzlich neue Verständigung über die Rechte innerhalb eines Sozialstaates.... Es gibt die These der Regierung, Hartz IV dürfe nicht teurer werden, es müsse der Bevölkerung nur besser erklärt werden. Da erwarte ich von meiner Partei Widerstand.
Meine Damen und Herren, für den früheren Bundeskanzler Schröder waren dies noch Äußerungen einer Frau XY. Ich würde die Kollegin nie so bezeichnen, aber ich frage schon: Welchen Stellenwert hat eine solche Äußerung heute in der SPD?
Zum Zweiten, zum zentralen Punkt. Das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder in der Grundsicherung von Kinderzuschlagsempfängern und Wohngeldempfängern gibt 2,5 Millionen Kindern die Chance, nach Schul- und Berufsausbildung nicht zu ALG-II-Empfängern zu werden. Der Hartz-IV-Status soll nicht an die nächste Generation weitergegeben werden.