ein gefährlicher Paradigmenwechsel. In dieser Frage gibt es kein „Sowohl-als-auch“: Sozialdemokratische Politik erfordert gesellschaftsverändernde Handlungsperspektiven …
Meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD, Ihre heute gezeigte uneindeutige Haltung zu diesen Aussagen macht mich betroffen. Ich fordere Sie auf, sich klar zu unserem demokratischen Staat mit seiner Wirtschafts- und Sozialordnung zu bekennen.
Ich fordere Sie auf, als Konsequenz daraus die Liebäugelei mit einem sogenannten demokratischen Sozialismus zu unterlassen. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse haben in der Debatte um Gesine Lötzsch deutliche Worte gefunden. Diese deutlichen Worte hätte ich auch von Ihnen im Zusammenhang mit den Äußerungen Ihrer Kollegin Ypsi lanti erwartet.
Ich frage mich, wie es möglich ist, die Illusion eines demokratischen Sozialismus oder der Diktatur des Proletariats zu verbreiten, mit den Ängsten und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger derart achtlos umzugehen.
Sozialismus ist und wird immer untrennbar verbunden bleiben mit einem diktatorischen und gar totalitären Regime. Deshalb: Wer an dem Begriff demokratischer Sozialismus festhält, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Demokratie und Sozialismus werden sich nie miteinander vereinbaren lassen, denn das ist ein Paradoxon, ein Widerspruch in sich. Der Sozialismus wird nämlich, wie es Rosa Luxemburg forderte und wie es alle Machthabenden in real existierenden sozialistischen Systemen vorgeführt haben, alle demokratischen Elemente in sich aufnehmen, sie also insoweit verstümmeln, dass nur noch eine leere Hülle, eine Worthülse übrig bleibt.
Sie können die Augen vor der Geschichte nicht verschließen. Wir sind es den Millionen Opfern der kommunistischen und sozialistischen Diktaturen schuldig, uns mit der jüngsten Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr als 40 Jahre sozialistische Diktatur in Osteuropa sollten Ihnen verdeutlicht haben, dass es im Sozialismus keine demokratischen Parteien und keinen Pluralismus von politischen Konzepten mehr gibt. Gerade Sie von der Sozialdemokratischen Partei müssten doch wissen, welches Schicksal Parteien in einem sozialistischen System ereilen kann.
Das Schicksal der ostdeutschen SPD sollte Ihnen eine Mahnung sein, auch Ihnen Herr Grumbach. Mitglieder Ihrer Partei – daran brauche ich Sie nicht zu erinnern, aber wir sollten es der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang sagen – wurden Opfer der kommunistischen Diktatur. Viele wurden verfolgt, inhaftiert, aus dem politischen Leben entfernt und zum Verlassen der DDR gezwungen.
Gerade deswegen, Herr Grumbach, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hätte ich erwartet, dass Sie heute eine klare Trennlinie zu Kommunismus und Sozialismus ziehen würden.
Meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege SchäferGümbel, bevor Sie wieder reflexartig auf die Rolle der Blockparteien verweisen: Wir wissen um deren Rolle in der Geschichte. Diese ist uns eine Mahnung. Wir werden Freiheit und Demokratie umso entschlossener gegen jeden Angriff verteidigen.
Die Sehnsucht nach Freiheit hat die Menschen in der DDR und in den Ostblockstaaten Ende der Achtzigerjahre getrieben. Sie hat ihnen den Mut gegeben, sich gegen die sozialistischen Regime in ihren Ländern aufzulehnen. Dies wird heute von vielen vergessen – oder sagen wir besser: verdrängt –, wenn sie einen neuen Sozialismus oder Kommunismus fordern. Gerade deswegen ist es erforderlich, die Freiheit, die mehr ist als die Abwesenheit von Unfreiheit, als besonderes Gut herauszustellen. Sie zu schützen, bleibt unser Hauptauftrag.
Meine Damen und Herren, die Losung gegen alle Bestrebungen zur Restauration des real existierenden Sozialismus, gegen die unsäglichen Äußerungen von Frau Lötzsch, Frau Ypsilanti und heute von Frau Wissler muss lauten: Es lebe die Freiheit!
Herr Abg. Grumbach, ich habe eine Frage an Sie und bitte Sie, sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Mir wurde mitgeteilt – ich habe es hier vorne nicht gehört, die Kollegen haben es auch nicht gehört –, dass Sie, bezogen auf den Redner von der FDP, gerufen haben sollen, die FDP sei Mittäter und habe Beihilfe bei der Verfolgung von Sozialdemokraten geleistet. Ist das zutreffend?
Meine Damen und Herren, das ist die Aussage von Herrn Grumbach. Wird von Ihrer Seite ein Antrag gestellt? – Herr Blum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung. Der Ältestenrat hat getagt und hat sich mit der Angelegenheit beschäftigt. Ich erkläre Ihnen folgenden Sachverhalt.
Wir haben festzuhalten, dass ich dem Ältestenrat nach erfolgter Debatte über den Sachverhalt selbst erklärt habe, dass ich grundsätzlich auch für Sie alle in Zukunft zum Vorwurf einer Mittäterschaft festhalten möchte – im Protokoll wird das noch zu lesen sein, was verstanden worden ist, dass Herr Kollege Grumbach beim Redebeitrag von Herrn Greilich unter anderem „Mittäter“ im Zusammenhang mit der Verfolgung der Sozialdemokraten im SEDStaat zugerufen hat –: Der Begriff „Mittäterschaft“ ist grundsätzlich von dem Präsidium in klar anerkanntem Zusammenhang zu rügen.
Mittäterschaft ist der Vorwurf, Teil eines Verbrechens gewesen sein zu können bzw. gewesen zu sein. Dieses ist, sofern nicht richterlich festgehalten, auf alle Fälle nicht erlaubt. Das gilt für die Zukunft. Ich bitte, darauf zu achten. Die Frage einer Mitverantwortung, die Frage der Darlegung von mitverantwortlichen Dingen, die beweisbar sind – das ist alles nicht das Thema, sondern die exponierte Aussage der Mittäterschaft ist weder in dem vorgenannten Falle zu rechtfertigen, noch grundsätzlich überhaupt.
Deswegen, so auch die Verständigung mit dem Abg. Grumbach, rufe ich Herrn Abg. Grumbach wegen dieser Aussage zur Ordnung. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich muss sagen, das, was Sie eben vorgetragen haben, Herr Präsident, ist im deutschen Parlamentarismus klar. Herr Kollege Grumbach, was ich bedauere und was ich eigentlich nicht verstehe, ist, warum Sie nicht hierher kommen und ganz schlicht erklären, was Sie meinten, was ich unterstelle, ohne dass Sie eine ganze Partei nicht nur im Zweifel, sondern ganz bewusst in die Mittäterschaft von Verbrechen stellen. Das sollte hier nicht sein.
Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt dran. Der Ministerpräsident hat das Wort, und danach geht die Debatte weiter. Ich will nur eines tun, was ich bewusst eben nicht getan habe, nämlich Details aus dem Ältestenrat zu berichten. Herr Kollege Grumbach hat sich dazu dahin gehend geäußert, dass er mit diesem Begriff nicht die westdeutsche, respektive die aktuelle FDP gemeint habe. Insofern hat er das relativiert. Aber
das ist das Einzige, was dazu in Bezug auf die Diskussion zu sagen ist. Danach hat das zu einem von ihm akzeptierten Ergebnis geführt, das ich vorgetragen habe. – Danke schön.
Nehmen Sie eine Zwischenfrage des Abg. – – Zur Geschäftsordnung? – Einen Augenblick bitte, Herr Ministerpräsident. Es gibt einen Geschäftsordnungsantrag
ich bin noch gar nicht fertig, Herr Abgeordneter –, der aber nicht während einer Rede, sondern nach der Rede kommt.