Protocol of the Session on December 16, 2010

Insofern ist das Argument auch überhaupt nicht überzeugend.

Ein dritter Punkt, den ich noch ansprechen wollte, ist folgender: Das dritte Ausbildungsjahr wurde bisher vom Bund bezahlt. Das fällt jetzt weg. Hier hat die Landesregierung schnell und unbürokratisch Mittel gefunden, um diese Zahlungen zu überbrücken. Das heißt, ab nächstem Jahr wird das Land einspringen. Aber es ist klar, dass wir das auf Dauer nicht allein stemmen können. Deswegen sind wir da noch in Verhandlungen. Vielleicht wird Herr Staatsminister Grüttner gleich noch etwas dazu sagen. Aber die Tatsache ist auch hier zu konstatieren, dass das Land aktiv handelt. Deshalb sind diese Schreckensszenarien, die Sie hier aufmalen, falsch.

Aber ich gebe Ihnen recht: Das reicht alles nicht aus. Deswegen werden wir auch weitere Maßnahmen ergreifen. Das findet nicht nur auf Landesebene statt, sondern auch auf Bundesebene. Wir hatten letzte Woche beispielsweise von unserem Bundesgesundheitsminister den Pflegegipfel organisiert. Er wird sich auch damit befassen, die Pflegeversicherung auf eine nachhaltige Finanzierung umzustellen, nämlich auf die kapitalgedeckte Versicherung. Das ist ein Punkt. Die Pflegeausbildung wird modernisiert werden. Wir müssen feststellen, dass viele Menschen, die in dem Bereich arbeiten, im Schnitt nur acht Jahre in diesem Bereich tätig sind. Das heißt, wir müssen die Wechselmöglichkeiten erleichtern und die Flexibilität erhöhen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wenn die Leute nach acht Jahren keine Lust mehr auf den Beruf haben, dann müssen wir – –

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die Ausbildung muss so gestaltet werden, dass es den Leuten möglich ist, rauszugehen, aber auch wieder einzusteigen. Das ist ein Problem, das wir anpacken werden.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ja, das ist auch schön. Auf Arbeitsbedingungen und Mindeststandards komme ich gleich. – Frau Müller, Sie haben das gefordert. Sie sagen auf der einen Seite, Bürokratie soll abgebaut werden. Auf der anderen Seite sollen die Personalstandards erhöht werden. Das steht in einem Widerspruch. Denn wenn Sie die Standards erhöhen, wird das natürlich auch mit einem Mehr an Bürokratie einhergehen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Altenpflege ist also Bürokratie?)

Insofern müssen Sie sich entscheiden, was Sie da wollen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir zu wenige Leute haben, wird natürlich die Erhöhung der Standards dazu führen, dass wir noch weniger Stellen besetzen können. Insofern ist das absolut kontraproduktiv. Es ist gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht. Eine Erhöhung von Standards wird natürlich erst einmal dazu führen, dass wir noch weniger Stellen besetzen können.

Dann kommt das Thema Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Das hatten wir auch in anderen Zusammenhängen, z. B. in der Integrationspolitik oder in der Arbeitsmarktpolitik. Hier ist dieses Thema ganz besonders virulent. Es gibt viele Menschen gerade aus Osteuropa, die von dort eine Ausbildung haben und die hier arbeiten möchten. Das wäre eine Möglichkeit, schnell und unbürokratisch die freien Plätze zu besetzen. Auch hier muss mehr getan werden. Da haben Sie recht. Aber auch hier wird schon einiges getan. Da sind wir ganz klar noch nicht am Ziel. Aber wir machen uns zumindest auf den Weg.

Es ist einiges gesagt worden, was richtig ist. Wir haben zu wenige Leute. Das ist klar. Wir arbeiten daran, dass es mehr werden. Aber sich einfach hierhin zu stellen und zu behaupten, die Landesregierung und die Bundesregierung täten nichts, das ist zu billig. Das kann man in der Opposition machen. Sie wollen auch weiter in der Opposition bleiben. Insofern ist das nur konsequent.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber wir können auf jeden Fall sagen, die Landesregierung handelt hier mutig und entschlossen. Insofern bin ich davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren hier auch entscheidende Verbesserungen sehen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Mick. – Frau Schulz-Asche, Sie haben jetzt die Gelegenheit, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu sprechen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ befasst sich der Hessische Landtag mit dem Thema der zunehmenden Nachfrage nach Altenpflege auf der einen Seite und der mangelnden Ausbildung von Altenpflege auf der anderen Seite. Der Hessische Pflegemonitor bestätigt jetzt genau diese Befürchtungen, die schon damals aufgeschrieben wurden: Bis 2015 fehlen 1.500 Vollzeitstellen im Bereich der Altenpflege, und bis 2020 sind es 2.800 Vollzeitstellen. Derzeit werden 3.626 junge Menschen ausgebildet. Wir wissen aber, dass dies höchstens ausreicht, ausscheidendes Personal zu ersetzen. Noch dazu wissen wir, dass in diesem Bereich auch sehr viel Teilzeitarbeit gewünscht wird.

Von daher haben wir tatsächlich ein extremes Problem, einen Fachkräftemangel, der hier auf uns zukommt und der bei Weitem höher sein wird als das, was wir im ärztlichen Bereich haben werden. Deswegen stellt sich die wichtige Frage: Was ist zu tun? – Wir haben jetzt zum einen glücklicherweise einen Mindestlohn. Dieser wird nicht per se dazu führen, dass der Beruf attraktiver wird, er führt aber zumindest dazu, dass der weitere Verfall der Attraktivität nicht zunimmt.

Deswegen begrüßen wir es als zweiten Schritt auch, dass die Landesregierung durch die dreijährige Finanzierung der Ausbildung im Bereich der arbeitslosen und langzeitarbeitslosen Menschen auch hier versucht, dafür zu sorgen, dass überhaupt ausreichend ausgebildet werden kann. Entscheidend ist aber, wie ich glaube: Wir brauchen nicht einzelne kleine Maßnahmen, sondern ein Gesamtkonzept, weil wir wissen, dass wir mehr Menschen haben werden, die auf Pflege angewiesen sein werden; und wir werden immer weniger Menschen haben, die dafür unter Umständen zur Verfügung stehen. Deswegen brauchen wir ein grundsätzlich neues Konzept. Das besteht meiner Meinung nach vor allem im Abräumen bisheriger Hemmnisse:

Erstens. Dazu gehört, was auch Herr Mick schon gesagt hat, den Wiedereinstieg zu erleichtern, Abschlüsse anzuerkennen und das ganze Potenzial, das im Moment schon vorhanden ist, überhaupt erst wieder einmal richtig einsetzen zu können.

Zweitens. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, auch das ist angesprochen worden, wie wir die Deckelung der landesgeförderten Ausbildungsplätze in Höhe von 3.500 Ausbildungsplätzen aufheben. Ich sage aber ausdrücklich in Richtung von SPD und Linkspartei dazu, dass dann auch klar sein muss, wie diese Deckelungsaufhebung finanziert werden muss. Das kann man tun, da muss man rangehen. Man kann aber nicht einfach nur sagen, dass man den Deckel aufheben sollte, sondern das muss auch anständig finanziert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Drittens. Richtig daran ist, dass wir ganz dringend, und zwar so schnell wie möglich, mehr Ausbildung brauchen. Wir brauchen aber auch mehr Effizienz in der Ausbildung. Meines Erachtens ist es an der Zeit, endlich zu einer grundsätzlichen Reform der Alten- und Krankenpflege zu kommen, die dazu führt, dass tatsächlich bedarfsgerecht und von hoher Qualität ausgebildet werden kann und dass dies auch vernünftig gegenfinanziert ist.

Viertens. Meiner Meinung nach brauchen wir auch mehr Effizienz in der Pflege selbst. Dazu gehören eine Neube

stimmung und Aufwertung sowohl der Alten- als auch der Krankenpflege. In diesem ganzen Bereich der Qualitätsorientierung ist noch sehr viel zu tun. Da sind wir gerade – das gilt für alle hier im Hause – noch ganz am Anfang.

Meine Damen und Herren, wir brauchen fünftens natürlich auch mehr Einnahmen. Auch darüber muss geredet werden. Wir brauchen eine Pflegeversicherung, die in der Lage ist, diesen steigenden Bedarf sowohl an qualifizierter Ausbildung als auch an qualifizierter Pflege bei steigenden Fallzahlen zu finanzieren, und deswegen brauchen wir dringend eine Reform der Pflegeversicherung hin zu einer Bürgerversicherung, um diesen Anforderungen überhaupt gerecht werden zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen glaube ich, dass das Thema so umfassend und gründlich bearbeitet werden muss, dass es für eine Aktuelle Stunde nicht geeignet ist; und auch die Pressemitteilungen der Landesregierung reichen da nicht mehr aus. Wir brauchen endlich ein umfassendes Konzept. Wir brauchen endlich ein umfassendes Handeln, und zwar sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Als Nächster spricht Herr Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Beseitigung des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege ist eine Herausforderung für die Gesellschaft und alle politischen Ebenen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Torsten Warn- ecke (SPD))

Einige wenige Zahlen, die die Ausgangslage beschreiben: Die Zahl der Pflegebedürftigen in Hessen ist in den letzten zwei Jahren um 6,2 % gestiegen. In einer Generation müssen wir bundesweit eine Million neue Pflegekraftstellen besetzen. Auf dem letzten Hessischen Krankenhaustag in Darmstadt wurde dargelegt, dass die Zahl der unbesetzten Pflegestellen in den nächsten 20 Jahren exponentiell ansteigen wird. Dieser Fachkräftemangel oder Fachkräftebedarf kann durch die Erstausbildung in diesen Berufen allein nicht gedeckt werden. Hessen hat diese Herausforderung längst erkannt. Im Hessischen Pflegemonitor, der bundesweit einzigartig ist, erfolgt die Dokumentation, um Maßnahmen einleiten zu können. Wir würden diese Debatte gar nicht führen können, wenn Hessen nicht diesen Pflegemonitor erstellt hätte.

Innerhalb des Konjunkturpakets II konnte von 2009 auf 2010 die Zahl der Umschüler in Pflegeberufe verdoppelt werden. Hessen kämpft nach Auslaufen der Bundesförderung darum, die Förderfähigkeit in der Altenpflege im dritten Ausbildungsjahr zu erhalten, und übernimmt ab Januar 2011 für alle Umschüler die Kosten. Wir verweisen hier auch auf den Etat und die Haushaltsanträge der Regierungsfraktionen.

In Modellprojekten werden Arbeit suchende Zielgruppen angesprochen, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht haben. Im Programm Ausbildung junger Menschen mit

Migrationshintergrund zum Altenpfleger werden seit Juli zehn junge Männer in einer dreijährigen Projektlaufzeit zu Altenpflegern ausgebildet. In einem weiteren Modellprojekt werden junge Frauen und Männer mit geringen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt in der Altenpflege ausgebildet. Die Finanzierung erfolgt mit Landesmitteln und Mitteln des Europäischen Strukturfonds. Hessen ist bei der Bewältigung des Pflegekraftmangels Vorbild und Vorreiter. Auch der hessische Weg als Land der Optionskommunen führt dazu, möglichst viele Arbeitsuchende in den ersten Arbeitsmarkt und eben auch in Pflegeberufe zu bringen.

Auch bundesweit wird das Problem jetzt kraftvoll angegangen. Der Bundesgesundheitsminister leitet Imagekampagnen für die Pflegeberufe ein. Junge Menschen müssen angesprochen werden. Es müssen gezielt Migranten angesprochen werden. Es müssen Berufswiedereinsteiger motiviert werden. Gerade Menschen, die in der Aufschwungphase nicht von anderen Branchen angeworben werden, muss vermittelt werden, dass sie hier gebraucht werden und eine zukunftssichere Ausbildung beginnen können. Man kann sagen, dass das alles nicht genug ist. Hessen ist hier aber wirklich Vorreiter, und wir glauben auch, dass dies auf Bundesebene Schule macht.

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir benötigen den Antrag und die Aktuelle Stunde der LINKEN wirklich nicht. Es war eine CDU/FDP-Regierung, Bundeskanzler Helmut Kohl und Arbeitsminister Blüm, die die Pflegeversicherung als weitere Säule der Sozialsysteme eingeführt hat. Denken Sie von den LINKEN einmal einen Moment daran, dass die nötige Sanierung des maroden Gesundheitssystems der ehemaligen DDR noch heute die Kosten aller Sozialsysteme belastet. Erinnern Sie sich, dass Sie von den LINKEN zuletzt vorges tern den Berufsalltag in den Pflegeberufen hier so schlechtgeredet haben, dass man da wirklich niemanden motivieren kann, in diese Berufe zu gehen. Das sollte aufhören.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Alle potenziellen Bewerber hören da natürlich auf DIE LINKE!)

Wir sehen es als eine Herausforderung an, dass die Menschen in Hessen qualifiziert und zugewandt gepflegt werden. Wir werden dieser Herausforderung nachgehen, und ich bin ganz sicher, dass die Erfolge bereits im nächsten Pflegemonitor sichtbar werden. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Hinterherlaufen können Sie!)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einzigartigkeit des Hessischen Pflegemonitors ist schon mehrfach dargestellt worden. Deshalb ist es auch relativ schwierig, einen Vergleich mit anderen Ländern herbeizuführen. Aber eines macht der Pflegemonitor deutlich – das ist auch klar gesagt worden –: Wir haben einen Bedarf an Pflegekräften, und wir müssen verschiedene Maßnahmen ergreifen und diese in ein Bündel packen, um diesem Bedarf auch zukünftig Rechnung tragen

zu können. Das können wir mithilfe des Pflegemonitors, auch im Hinblick auf eine zielgerichtete Bedarfssteuerung, sehr regionalisiert tun, weil uns der Pflegemonitor sehr regionale Daten zur Verfügung stellt.

Ich bin Herrn Bundesminister Rösler sehr dankbar, dass er gesagt hat, dass auch im nächsten Jahr die Fragestellung wesentlich im Fokus stehen wird, wie man der Herausforderung eines zunehmenden Pflegekraftmangels vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung begegnen kann.

(Vizepräsidentin Sarah Sorge übernimmt den Vor- sitz.)

Wir haben in Hessen schon eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Ich will hier nicht alle im Einzelnen aufführen, sondern ich will versuchen, an zwei Beispielen deutlich zu machen, wo noch Handlungsbedarf ist. Aber ich will auch betonen, dass die Frage der Pflegeausbildungsplätze in Hessen auch in der Verantwortung der Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Denn im gestern verabschiedeten Haushalt ist bei den Ausbildungskosten eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Regierungsentwurf vorgenommen worden, sodass wir die 3.500 Ausbildungsplätze auch finanziell im nächsten Jahr abgesichert haben.

Zur Wahrhaftigkeit gehört mit hinzu, dass wir es in diesem Jahr erstmalig geschafft haben, annähernd die 3.500 Plätze zu besetzen, unabhängig davon, dass wir massiv dafür geworben haben. Wenn wir die Umschüler und die, die mit Bildungsgutscheinen der Bundesregierung ausgestattet worden sind und für die der Bund die Ausbildungskosten bis zum Ende übernommen hat, hinzunimmt, haben wir in diesem Jahr einen historischen Höchststand bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen in der Altenpflege in einer Größenordnung von weit mehr als 4.000 Personen, die diesen Beruf anstreben.