Protocol of the Session on December 16, 2010

Aber wir werden von einer CDU/FDP-Regierung geführt – und deshalb ist so gut wie nichts geschehen.

Alles, was die CDU/FDP-Landesregierung getan hat, ist, solchen Teilnehmerinnen, deren Ausbildung komplett über die Bundesagentur für Arbeit gefördert wurde, diese Ausbildung gnädigerweise zu ermöglichen. Am Hauptproblem – der grundsätzlichen Deckelung der Ausbildungszahl – wurde nichts geändert. Derzeit bemühen sich die Träger der Pflegeeinrichtungen wie die Liga der Freien Wohlfahrtspflege und der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. in landesweiten Kampagnen darum, Jugendliche und Umschüler für eine Ausbildung in der Altenpflege zu werben, um ihren Beitrag zur Abwendung der Katastrophe zu leisten.

Was tut die Landesregierung? Sie teilt den hessischen Altenpflegeschulen mit, dass für das Jahr 2011 keine zusätzlichen Kurse genehmigt werden.

Deshalb ist festzustellen: Das Hessische Sozialministerium steuert sehenden Auges in die Fachkräftekatastrophe.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Grüttner, Sie wissen, was zu tun ist: Erstens muss die Deckelung der landesgeförderten Ausbildungsplätze sofort aufgehoben werden.

Zweitens müssen die Ausbildungskapazitäten umgehend gegenüber dem heutigen Stand deutlich angehoben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens darf die Altenpflegeausbildung nicht unter Haushaltsvorbehalt stehen.

Frau Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, danke, ich werde gleich zu Ende sein.

Viertens dürfen die Daten des nächsten Pflegemonitors nicht wieder ein Jahr unter Verschluss gehalten werden, sondern müssen umgehend veröffentlicht werden – damit jeder, der in der Altenpflegeausbildung arbeiten kann und möchte, dort auch eine Stelle und einen Ausbildungsplatz finden kann.

Herr Minister, reden Sie nicht – handeln Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Schott. – Als Nächste hat sich Frau Müller von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die alarmierenden Zahlen, die wir aus der Altenpflege – und nicht nur von dort – vernommen haben, kommen weder unerwartet, noch sind sie überraschend. Diese Entwicklung, mit der wir uns heute dankenswerterweise befassen, ist nicht vom Himmel gefallen.

Bei der Altenpflege stehen wir vor ernsten Schwierigkeiten. Die müssen wir jetzt lösen. Die steigende Anzahl an Pflegebedürftigen und die immer noch nicht ausreichende

Zahl an Fachkräften in der Altenpflege lassen es nicht zu, länger zuzuwarten.

Sehen wir uns die Zahlen aus dem letzten Hessischen Pflegemonitor an: Bis zum Jahr 2015 fehlen 1.500 Vollzeitstellen. Bis zum Jahr 2020 werden bereits 2.800 Vollzeitstellen fehlen.

Dabei ist – wie wir eben berechtigterweise gehört haben – zu berücksichtigen: Es werden noch mehr Menschen nötig sein, um auch nur eine halbwegs angemessene Altenpflege zu ermöglichen und zu garantieren. Denn die Erfahrung lehrt, dass die Absolventinnen und Absolventen der Altenpflegeausbildung oft in Teilzeit arbeiten.

Das sind beunruhigende Daten.

Betrachtet man die derzeitigen Ausbildungszahlen, wird deutlich: Sie können den Erweiterungsbedarf bei Weitem nicht decken, sondern sichern lediglich Ersatz für die ausscheidenden Beschäftigten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die SPD-Fraktion erkennt ausdrücklich an, dass mit dem Hessischen Pflegemonitor ein geeignetes Instrument geschaffen worden ist, das die gegenwärtige Lage und die zukünftigen Bedarfe ermittelt und dokumentiert.

Aber aus den zur Verfügung stehenden Zahlen müssen auch die richtigen Schlüsse gezogen und die geeigneten Entscheidungen getroffen werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ein richtiger Schluss ist es sicherlich, die Ausbildungskapazitäten deutlich gegenüber dem heutigen Standard anzuheben.

Dabei ist es nicht falsch, wenn sich die Landesregierung für die dreijährige Finanzierung von SGB-II- und SGBIII-Geförderten einsetzt. Viel wichtiger aber wäre noch, die Beschränkung der durch das Land geförderten Ausbildungsplätze auf maximal 3.500 endlich aufzuheben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie hätte schon längst aufgehoben werden müssen, um dem stetig steigenden Bedarf realistisch begegnen zu können. Es ist auch nicht hilfreich, wenn die etwa 600 Auszubildenden in der Altenpflegehilfe in diese Zahl mit eingerechnet werden.

Wir benötigen gut und voll ausgebildete Fachkräfte. Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehelfer können eine zusätzliche Unterstützung dieser Fachkräfte leisten. Sie dürfen aber keinesfalls die Ausbildung von Fachkräften einschränken bzw. gegen diese aufgerechnet werden.

Verheerend ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesförderung bei der Ausbildung über Bildungsgutscheine zum 31. Dezember ausläuft. Denn es liegt doch auf der Hand: Im kommenden Jahr ist die letzte Gelegenheit, den für 2015 prognostizierten Fachkräftenotstand abzumildern. Denn die 2011 beginnenden Auszubildenden werden erst ab Ende bzw. Mitte 2014 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Jedoch ist neben der ausreichenden Qualität auch die Quantität der Pflegeberufe entscheidend. Sicherlich benötigen wir bessere Bezahlungen in diesen Berufen. Genauso aber benötigen wir bessere Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Den hoch motivierten Beschäftigten, die eine aufopfernde und aufreibende Arbeit leisten, muss auch eine angemessene Wertschätzung zuteilwerden. Zu den guten Arbeitsbedingungen gehören die Entlastung von Bürokratie genauso wie Personalmindeststandards im gesamten Pflegebereich. Die Entlastung von Bürokratie dient auch dazu, dass die Beschäftigten für ihre eigentliche Kernaufgabe mehr Zeit zur Verfügung haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie würde auch helfen, die Fehlentwicklung zu beseitigen, dass die Pflege alter Menschen in einen quasi industriellen Minutentakt zerhackt wird. Hier ist ein ganzheitlicher Ansatz dringend notwendig. Mindeststandards sind nötig, um genügend Personal für eine wirklich menschenwürdige Pflege zur Verfügung zu haben.

Es ist nichts erreicht, wenn durch die hohe Arbeitsbelastung das gut ausgebildete und motivierte Personal wegen psychischer und physischer Belastung aus dem Beruf ausscheiden muss. Das sind nicht wenige.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zweifellos muss man, um diese Ziele zu erreichen, Geld in die Hand nehmen. Daran führt kein Weg vorbei. Will man eine ausreichende, gute und respektvolle Pflege unserer alten Menschen sicherstellen, was eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, müssen wir auch Finanzierungsmodelle entwickeln, die alle mit einbeziehen. Meine Fraktion steht für ein gerechtes Finanzierungsmodell. Hier sei die solidarische Pflegebürgerversicherung erwähnt. In naher Zukunft wird eine fatale Entwicklung noch stärker zutage treten. Eine steigende Anzahl von Menschen, die ihr ganzes Leben im Niedriglohnsektor gearbeitet haben und denen aufgrund der Gesundheitsreform der Bundesregierung sowieso schon Zusatzbeiträge einseitig abverlangt werden, ist außerstande, weiteres Geld für ihre Altersvorsorge aufzuwenden und zur Seite zu legen.

Frau Müller, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt umsteuern, damit wir nicht in wenigen Jahren einen echten Fachkräftenotstand und eine Pflege nach Kassenlage statt nach qualitativen Kriterien bekommen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, eine Verantwortung und eine moralische Verpflichtung, der wir uns zu stellen haben. Die SPD-Fraktion ist bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen – solidarisch und gerecht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Müller. – Ich darf Herrn Mick für die Fraktion der FDP das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bald Weihnachten. Das ist schon mehrfach angesprochen worden. Deswegen möchte ich ausdrücklich mit dem Punkt beginnen, der uns eint, und nicht mit

den Punkten, die uns trennen. Auf die Punkte komme ich später zu sprechen.

Das Problem, das hier vorhin von Frau Schott und Frau Müller beschrieben wurde, sehen wir durchaus auch. Wir alle wissen, dass wir aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren erheblich mehr an Pflegekräften benötigen werden. Das ist vollkommen klar. Ich denke, das war in diesem Hause aber auch nie umstritten. Die Sache ist nur, dass es wenig zielführend ist, sich einfach hinzustellen und zu sagen, das sei alles doof, was die Landesregierung macht, und man müsse einfach mehr Geld in die Hand nehmen, und dann würde es schon werden.

Sie wissen genau, dass wir in den letzten Jahren auch Probleme hatten, die 3.500 Plätze, die Sie angesprochen haben, zu erreichen. Das heißt: Eine Anhebung des Deckels bei 3.500 würde überhaupt nichts bringen, wenn es sowieso zu wenige Leute gibt, die sich für diesen Beruf interessieren. Das ist doch ein entscheidender Punkt, dass wir den Pflegeberuf auch attraktiver machen müssen. – Nein, keine Zwischenfragen bei der Kürze der Redezeit. – Die Behauptung, die Landesregierung würde hier überhaupt nichts tun, ist natürlich auch nicht richtig. Sie haben den Pflegemonitor angesprochen. Der Pflegemonitor ist ein Instrument, das in Deutschland einmalig ist.

(Zuruf der Abg. Regine Müller (Schwalmstadt) (SPD))

So einen passgenauen Pflegemonitor hat kein anderes Bundesland. Sie haben ja recht: Das Ergebnis kam diesmal vielleicht etwas spät. Aber vor dem Hintergrund, dass wir das einzige Bundesland sind, das so ein Instrument hat, zu sagen, wir würden hier eine gezielte Desinformationspolitik betreiben, ist hochgradig absurd.

(Beifall bei der FDP)

Insofern ist das Argument auch überhaupt nicht überzeugend.