Frau Kollegin Wallmann, nachdem Sie sehr viel über die angeblich so unspektakuläre Verlängerung der Geltungsdauer des Schulgesetzes geredet haben – dass das wegen
der Ruhe notwendig sei –, kann ich nur sagen: Frau Kollegin Wallmann, es gibt einen Unterschied zwischen Ruhe und Stillstand. Was Sie seit 15 Monaten in der Bildungspolitik machen, ist schlicht und ergreifend Stillstand.
Ich darf in Erinnerung rufen: Seit der Landtagswahl haben wir im Bereich der Bildung keinerlei Initiativen gesehen. Frau Henzler ist jetzt seit 15 Monaten im Amt. Wir stellen fest: kein Aufbruch für die Schulen, keine 105-prozentige Lehrerversorgung, keine Ausweitung der Schulsozialarbeit,
keine Schritte zur selbstständigen Schule, keine Bildungsstandards, keine Schritte zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention, keine neue Ganztagsschulrichtlinie, kein ausgearbeitetes Konzept zur Mittelstufenschule – dabei ist die Ihnen doch angeblich so wichtig –,
Dass Ihnen das peinlich ist, dass Sie da nichts hinbekommen, das sieht man schon daran, dass die Ministerin das nicht offensiv vertritt, nicht an die Öffentlichkeit geht und sagt: Ich brauche noch ein bisschen Zeit. – Stattdessen wird das in einem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Fünftes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften versteckt.
Aber unsere Schulen bräuchten dringend Klarheit. Es gibt eine Menge von Projekten, bei denen die Schulen endlich wissen müssten, wie es da jetzt weitergeht, welches die neuen gesetzlichen Grundlagen sind. Frau Ministerin, das sind sogar Projekte, bei denen Sie weite Teile dieses Hauses über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg hinter sich haben: die selbstständige Schule. Wenn wir die einführen wollen, dann müssen wir den Schulen endlich Klarheit geben, wie es funktioniert, was sie dürfen, welche Freiheiten sie haben. Das müssen wir dann auch endlich gesetzlich regeln.
Die UN-Behindertenrechtskonvention, seit Langem von der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern ratifiziert – hier erwarten die Eltern und die Schulen endlich Klarheit, wie es gehen, wie es umgesetzt werden soll.
Zu alldem aber liegt weiterhin überhaupt nichts vor. Deshalb drängt sich immer mehr die Frage auf: Frau Henzler, was machen Sie eigentlich den ganzen Tag in Ihrem Kul
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Grei- lich (FDP):Arbeiten!)
Frau Kollegin Wallmann, wenn Sie sagen: „Das ist nicht so schlimm, das kommt irgendwann später, irgendwann Anfang 2011 wird es schon irgendwie klappen“, dann kann man so in der Jungen Union Politik machen, das ist okay.
Man kann vielleicht auch Herrn Kollegen Irmer zum Ehrenvorsitzenden der Jungen Union machen. Auch das kann man machen, das ist alles in Ordnung.
Frau Kollegin Wallmann, Sie sagen, Sie kriegen es nicht hin, weil es diese Kultusministerin wieder nicht hinbekommt. Sie verschieben es auf irgendwann, Anfang 2011, und gleichzeitig sagen Sie, es soll aber zum Schuljahr 2011/2012 in Kraft treten. Genau da aber fängt das Problem an.
Der Zeitraum zwischen der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes und dem neuen Schuljahr wird dadurch unglaublich knapp. Die Zeit für die Schulen, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen, wird auch unglaublich knapp.
Deshalb sind die Schulen erneut die Leidtragenden dessen, dass es die Kultusministerin nicht hinbekommt und sich diese Koalition nicht auf eine neue Schulpolitik einigen kann. Die Schulen müssen es wieder ausbaden und Ihr Gesetz dann überstürzt umsetzen – weil Sie es hier nicht hinbekommen.
Jetzt sagt der stellvertretende Ministerpräsident: „Wir einigen uns doch nicht.“ – Solche Einblicke in die Koalition hatte ich heute gar nicht erwartet: dass Sie sich nicht einigen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Jörg-Uwe Hahn: Das haben Sie doch ge- rade gesagt!)
Herr stellvertretender Ministerpräsident, vielleicht einigen Sie sich erst einmal mit Ihrem Bundesvorsitzenden, auch das wäre vielleicht eine gute Maßnahme.
Meine Damen und Herren, so geht es aber nicht. Das Kultusministerium, die Kultusministerin patzt, und die Schulen müssen dann wieder überstürzt das ausbaden, was diese Koalition erst verspätet hinbekommt. Die Leidtragenden dieser schwarz-gelben Schulpolitik sind einmal mehr die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Das aber kann es nicht sein. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hahn, Ihr Versuch, hier schnell einmal etwas zu verstecken, hat offensichtlich nicht geklappt.
Ich glaube, wir müssen noch einmal herausarbeiten, dass Sie versuchen, mit der Einbringung dieses Sammelgesetzes Ihrem Auftrag wieder nicht gerecht zu werden.
Wir sollten uns erinnern, warum diese Befristung von Gesetzen vereinbart wurde und warum sie auch sinnvoll ist: zum einen zum Evaluieren – ob das Gesetz mit der gewünschten Intention greift –, zum Zweiten aber, um neue Entwicklungen zu berücksichtigen, ohne dass wir in ein bestehendes Gesetz eingreifen müssen.
Wenn wir über neue Entwicklungen reden,so schauen wir uns doch einmal den Zeitplan an, seit wann es in dem hier schon angesprochenen Schulgesetz eine UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen gilt. Neueste Entwicklungen?
Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde am 30. März 2007 – 2007! – unterzeichnet. Im Dezember 2008 erfolgten die Zustimmungen des Bundestages und des Bundesrates, 2008. In Kraft getreten ist diese Konvention am 26. März 2009. Damit ist sie völkerrechtlich verbindlich geworden, nach meinem letzten Kenntnisstand auch für das Bundesland Hessen.
Es ist vereinbart und vollkommen klar,dass eine sofortige Umsetzung dieser UN-Behindertenrechtskonvention notwendig wäre. Unverzüglich hat der Gesetzgeber zu handeln – ohne schuldhaftes Verzögern. Genau das ist das Problem mit der Hessischen Landesregierung.Das Tempo der Umsetzung, in diesem Fall der UN-Behindertenrechtskonvention, ist eben nicht den Vertragsstaaten überlassen, sondern es muss unverzüglich, ohne schuldhaftes Verzögern passieren. Genau das tun Sie in Hessen nicht.
Wir haben übrigens im Gegensatz zu Vorrednern ähnliche Probleme mit dem zweiten Gesetz, das Sie nicht mit einer vollen Frist verlängern wollen, mit dem OFFENSIV-Gesetz. Aber meine Ausführungen zum Schulgesetz sollen hier ausreichen, um deutlich zu machen: Sie werden Ihrer Verpflichtung als Vorschlagender für den Gesetzgeber nicht gerecht. Sie versuchen, etwas zu verstecken. Das können wir so nicht durchgehen lassen. – Ich bedanke mich.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das hätte man alles in einem Satz sagen können!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss sagen, auf der einen Seite bin ich überrascht, auf der anderen Seite auch wieder nicht,dass dieses Thema heute doch so ausführlich diskutiert wird. Denn eigentlich ist der Gesetzentwurf, das hat auch Frau Wallmann schon gesagt, nicht wirklich spektakulär.