Protocol of the Session on April 28, 2010

Meine Damen und Herren, wenn ich mir diese Zahlen betrachte, dann frage ich mich:Wo war die FDP eigentlich in den letzten zehn Jahren? Wo hat die FDP die letzten zehn Jahre verbracht? Die Steuersätze sind so niedrig wie nie zuvor in Deutschland seit 1958. Vor zehn Jahren, da mag Ihr DreistufensmModell – so hieß es damals noch – sicher eine wichtige Überlegung gewesen sein, wie man die damals zu hohen Steuersätze absenken könnte.Aber, meine Herren von der FDP, die Welt hat sich seitdem weitergedreht. Es hat die Absenkung gegeben, wie ich sie Ihnen vorgetragen habe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie halten krampfhaft an einem überholten Konzept fest. Denn auch der von Ihnen so hochgelobte Stufentarif wird das Problem der Sprünge von einer Stufe auf die nächste nicht lösen.Auch da haben Sie diese Probleme.Aber er ist teuer. Er ist unendlich teuer. Er wird die Haushalte in Bund und Ländern stark belasten. Er wird ihnen Geld entziehen, Geld, das wir dringend benötigen.

Meine Damen und Herren,16 Milliarden c – wir haben es mehrfach gehört – hat sich die FDP als Steuersenkungsvolumen bis 2012 auf die Fahnen geschrieben. Sie bleiben Ihrem Konzept treu. Das muss man Ihnen zugutehalten. Das Konzept ist: „Wer hat, dem wird gegeben.“ Denn die 2-%-Pauschale für die Werbungskosten – anders kann ich mir das nicht erklären – ist ein Beispiel dafür, wie man sozusagen auch die am höchsten entlastet, die am meisten haben. Da sind Sie sich treu geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg.Bar- bara Cárdenas (DIE LINKE))

Man kann das auch sehr schön in den verschiedensten Darstellungen in den Zeitungen nachlesen, z. B. kürzlich in der „Frankfurter Rundschau“. Da ist ausgerechnet worden: Den größten Nutzen haben die Menschen, die mehr als 53.000 c im Jahr versteuern. Da haben wir nämlich eine Steuerersparnis von mehr als 1.500 c. Geringverdiener, die weniger als 10.000 c im Jahr verdienen, bekommen lediglich 36 c an Entlastung, wenn es nach dem Konzept der FDP geht. Meine Damen und Herren von

der FDP, ich kann Ihnen nur die sorgfältige Lektüre des VhU-Papiers zur Schuldenbremse empfehlen, das wir am Montag übersandt bekommen haben.

GRÜNE und VhU, das ist die neue Phalanx! Der Unternehmerverband hat auf Seite 14 eine sehr schöne Feststellung getroffen: „Starke Schultern können mehr tragen als schwache Schultern.“ Richtig, kann ich nur sagen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – HansJürgen Irmer (CDU): Das machen wir schon!)

Das ist ein Satz, der mir sehr gut gefällt und den wir GRÜNE oft benutzen. – Ja, Herr Rentsch, würden Sie es doch einmal umsetzen, nicht nur freundlich klatschen.

(Florian Rentsch (FDP): Haben wir Flat Tax gefordert, Frau Kollegin? Haben Sie das irgendwo gelesen? – Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Rentsch, nein, das haben wir nicht gelesen. Aber ich habe Ihr Konzept sehr sorgfältig gelesen. Ich habe nichts gefunden, was diesen Satz umsetzbar macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Reinhard Kahl (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich kann Ihnen die Lektüre des Papiers des hessischen Unternehmerverbandes weiterhin anempfehlen. Auf Seite 14 – Sie merken, das ist die Schlüsselseite des Papiers – steht ein weiteres sehr wichtiges Zitat, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Dort heißt es:

Angesichts der immens großen Aufgabe, vor der das Land Hessen nach jahrzehntelanger Verschuldungspolitik steht, ist an mehreren Hebeln anzusetzen. Dazu gehören erstens Kürzung der Ausgaben, zweitens Steigerung der Einnahmen und drittens Steigerung der Effizienz der Erbringung öffentlicher Dienste.

Ich finde, da ist sehr schön zusammengebracht, dass die hessischen Haushalte in den letzten Jahren immer über ihre Verhältnisse gelebt haben und dass man dieses Problem nicht mit weiteren Steuersenkungen in den Griff bekommen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir GRÜNE haben Ihnen mit unserem Konzept zur Schuldenbremse eine etwas andere Gewichtung vorgelegt. Wir setzen andere Schwerpunkte. Aber etwas ist doch hoch spannend. Der Verband der hessischen Unternehmer sieht keinen Spielraum für Steuersenkungen. Darüber finden Sie kein Wort in diesem Papier. Ganz im Gegenteil, er sieht es als wichtig an, auf dem Weg zur dringend nötigen Konsolidierung der Haushalte die Einnahmen zu steigern.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Was macht die FDP? Es wird das Steuersenkungsmantra aufgesagt – ohne Rücksicht auf reale Gegebenheiten. Meine Herren von der FDP, Sie sollten erkennen, es hat sich in den letzten zehn Jahren in der Steuerpolitik viel geändert, auch wenn ich persönlich nicht immer mit allem zufrieden war. Aber es ist nicht die Zeit – da sollten Sie

Realismus einkehren lassen –, weiter dieses Mantra aufzusagen. Sie haben Verantwortung für den hessischen Landeshaushalt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

In diesem hessischen Landeshaushalt ist in den letzten Jahren ein Schuldenrekord nach dem anderen aufgestellt worden. Das Land Hessen hat die Pflicht, bis 2020 die Haushaltslage so in den Griff zu bekommen, dass keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das schaffen, wenn Sie den öffentlichen Haushalten immer weiter Mittel entziehen? Ich glaube, so, wie Sie das vorhaben, funktioniert das nicht.

Wir haben gehört, wenn die Vorstellungen der FDP Realität werden, werden dem Landeshaushalt round about 600 Millionen c zusätzlich fehlen. Dagegen sind die jetzigen Sparvorschläge, die Finanzminister Weimer mit dem Haushaltsaufstellungserlass an die einzelnen Fachressorts gegeben hat, ein laues Lüftchen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Wie wollen Sie das schaffen? Wie wollen Sie den Spagat zwischen Schuldenbremse und weiteren Steuersenkungen hinbekommen? Ich glaube, darüber müssen Sie noch einmal ganz gehörig nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich frage Sie: Wie wollen Sie die Finanzierung der Kommunalfinanzen sicherstellen? Auch dazu findet sich kein Wort, zumindest nicht in dem Parteitagsbeschluss. Allerdings haben Sie in der hessischen FDP gemerkt, dass es nicht ganz so einfach ist mit den Absenkungen im Kommunalen Finanzausgleich, die Sie im Koalitionsvertrag mit der CDU beschlossen haben.So haben die Spitzen der FDP, die wohl gemerkt haben, dass es überall rumpelt, nach einer Präsidiumssitzung eine Presseerklärung herausgegeben, die ich mit großem Interesse gelesen habe.

Dort heißt es nämlich, es komme jetzt zentral darauf an, durch Veränderungsvorschläge den geplanten Eingriff in den Kommunalen Finanzausgleich zu vermeiden, da ansonsten besonders finanzschwache Kommunen betroffen wären. – Das stimmt. Durch den Eingriff sind besonders finanzschwache Kommunen betroffen. Aber ich frage mich, wie denn diese Presseerklärung des Präsidiums der hessischen FDP zu verstehen ist. Wollen Sie jetzt mit sich selbst verhandeln, oder wollen Sie mit dem Finanzminister noch einmal neu in Verhandlungen eintreten, um zu klären, wie denn die Kürzungen im KFA gemeint sind? Sie haben zumindest gemerkt, dass es für die Kommunen schwierig wird. Eine Lösung habe ich aber noch nicht gehört. Ich bin sehr gespannt, ob der Kollege Blum, der wahrscheinlich nach mir reden wird, dazu etwas sagen kann.

Frau Erfurth, Sie kommen bitte zum Schluss.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss. – Ich möchte abschließend einen Appell an die FDP richten: Sammeln Sie Ihr weltfremdes Steuersenkungskonzept ein. Und an die CDU: Lassen Sie den Unsinn nicht durchgehen, denn wir haben gemeinsam Verantwortung

für den hessischen Landeshaushalt. Denken Sie daran: Die Steuersenkungen von morgen sind die Gebührenerhöhungen in den Kommunen von übermorgen. Das sollten wir verhindern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Erfurth. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Blum zu Wort gemeldet.

(Wolfgang Greilich (FDP): Jetzt hören Sie einmal gut zu! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE):Wir sind hier nicht auf dem Parteitag!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Um sicherzustellen, dass Arbeit sich lohnt, und um die Fairness des Steuersystems zu stärken, sollten Familien und Arbeitnehmer entlastet werden …“

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dieser kluge Satz stammt nicht vom Kollegen Poß;

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja, ja!)

er stammt von Gerhard Schröder, vom 8. Juni 1999. Wer diesen Satz und die Rede des Kollegen Schäfer-Gümbel heute, am 28. April 2010, gegenüberstellt, erkennt: Die SPD ist einen weiten Weg gegangen. Aber Sie sind in die vollkommen falsche Richtung gelaufen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, dass es für die Partei der Mehrwertsteuerlüge eineinhalb Jahre nach dem Debakel um Andrea Ypsilanti immer noch so schwer nachzuvollziehen ist, dass Parteien versuchen, nach der Wahl das zu tun, was sie den Menschen vor der Wahl versprochen haben, ist schon erschreckend und dreist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das tun Sie ja nicht!)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben die Botschaft vom 27. Januar 2009 ganz offenkundig nicht verstanden. Wortbruch und Wahlbetrug haben eine Heimat gefunden, und die ist bei der hessischen SPD.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber wir sind immer wieder gern dankbar,

(Zuruf von der SPD: „Immer wieder gern dank- bar“?)

dass Sie uns mit solchen Anträgen die Gelegenheit geben, in öffentlicher Debatte auf fundamentale Unterschiedliche zwischen unserem und Ihrem Politikverständnis hinzuweisen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sagen Sie etwas zur Finanzpolitik!)

Frau Kollegin Fuhrmann, ich gebe zunächst einmal gern einen Tipp von Frau Kollegin Faeser an Sie zurück, damit auch Sie beschäftigt sind: Man trägt in diesem Jahr drinnen keine Sonnenbrillen mehr. Kümmern Sie sich erst einmal um das Problem, und dann reden wir beide an anderer Stelle weiter.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Ihr Niveau ist nicht zu unterbieten! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Das ist so dümmlich!)

Es ist eben ein fundamentaler Unterschied zwischen uns im Verständnis des Verhältnisses von Bürger und Staat. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Ihr Staats- und Gesellschaftsverständnis und damit eben auch Ihr Politikverständnis sind geprägt von tiefem Misstrauen des Staates gegenüber dem Bürger. Es ist für Sie einfach nicht einsehbar, dass wir in die Bereitschaft, in den Willen und in die Fähigkeit des Einzelnen Vertrauen setzen können und sollen, für sich, sein Umfeld und seinen Nächsten in eigener Verantwortung selbst Sorge zu tragen, wenn wir ihm dazu nur den Handlungsspielraum lassen. Das ist offensichtlich für Sie nicht verständlich.