Protocol of the Session on March 29, 2010

Herr Siebel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Am Schluss sage ich etwas, wo wir uns alle einig sind. Natürlich wollen wir den Standort Rhein-Main und den Standort Eschborn gestärkt und entwickelt wissen. Wir wollen dies tun, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Wir wollen dies tun, weil die GTZ in Eschborn eine große Nähe zum Flughafen und natürlich zur KfW hat. Das ist gut und richtig für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit und die Initiativen der GTZ in Eschborn.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Danke schön, Herr Siebel. – Frau Wissler, Sie haben sich für die Fraktion DIE LINKE als Nächste zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man die Berufung Dirk Niebels zum Bundesentwicklungsminister glatt als einen Scherz der Bundeskanzlerin verstehen; denn nachdem sich Niebel im Bundestagswahlkampf noch dafür ausgesprochen hat, das BMZ aufzulösen, ist er jetzt Leiter eines Ministeriums, das er eigentlich für überflüssig gehalten hat.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Herr Lenders, unter den Mitarbeitern und auch bei den entwicklungspolitischen Netzwerken hat die Ernennung von Herrn Niebel nicht gerade Begeisterung hervorgerufen – um es ganz vorsichtig zu sagen. Seine Personalpolitik hat die Zweifel eher erhärtet: zu viele Externe, davon zu viele Parteifreunde mit zu wenig Sachkenntnis, jedenfalls im Entwicklungsbereich.

Herr Niebel will jetzt umsetzen, was schon zu Zeiten der schwarz-roten Koalition strategisch diskutiert wurde. Die deutsche Außenpolitik soll gebündelt und stärker auf die eigenen Interessen ausgerichtet werden.Der Anspruch an die Entwicklungshilfe, nämlich historische Ungerechtigkeiten auszugleichen oder zu einer nachhaltigen Verringerung von Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Armut beizutragen, rückt dabei leider in den Hintergrund.

Man will eine engere Verzahnung der Politik in den Bereichen Entwicklung, Sicherheit und Außenwirtschaft, und so rücken die strategischen Interessen in den Vordergrund.Ausgaben für den Afghanistaneinsatz werden z. B. plötzlich als Teil der Entwicklungshilfe deklariert, und so schafft die Bundesregierung eine Erhöhung der Entwicklungshilfe um 256 Millionen c.

Herr Bouffier, er ist gerade nicht da, konnte sich vor Kurzem vor Ort in Afghanistan ein Bild machen. Er war dort, um die Ausbildung der afghanischen Polizei zu begutachten. Ich weiß nicht, ob er da vielleicht auch Ratschläge zur Besetzung von Ämtern bei der Polizei gegeben hat. In Sachen Vetternwirtschaft ist die Hessische Landesregierung ja international anerkannt.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Jetzt geht es also um die Neustrukturierung der Entwicklungshilfe. Gegen eine Vermeidung von Doppelstrukturen und Regiekosten in der Entwicklungszusammenarbeit ist nichts zu sagen. Im Gegenteil: Das Zusammenlegen der drei staatlichen Organisationen der deutschen

Entwicklungszusammenarbeit, nämlich GTZ, Inwent und DED, könnte Mittel freisetzen, die sinnvollen Projekten in Entwicklungsländern zugutekommen könnten.

Aber es muss vermieden werden, dass die Umstrukturierung auf dem Rücken der Beschäftigten und zulasten der drei Organisationen stattfindet.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Fachwissen und das Engagement der Beschäftigten bilden das Rückgrat der deutschen Entwicklungspolitik. Gegen sie oder ohne sie eine Neuausrichtung auf der organisatorischen oder auf der inhaltlichen Ebene vorzunehmen wird nicht funktionieren.Deshalb darf diese Umstrukturierung auch nicht zu einem Wettkampf zwischen den Standorten werden. Das wäre ein Geburtsfehler der neuen Organisation, die aus den drei jetzt bestehenden Organisationen entstehen soll.

Wenn wir in der Außenpolitik von der Standortkonkurrenz zur Kooperation kommen wollen, können wir nicht damit anfangen, die Beschäftigten vor Ort gegeneinander auszuspielen. Die Belegschaften und ihre Interessenvertretungen sind kompetente Partner bei der Beratung über die Fusion ihrer Organisationen.

(Beifall bei der LINKEN)

Egal, wie entschieden wird, letztendlich sollte auf Augenhöhe verhandelt werden. Die Mitarbeiter sind in den Verhandlungsprozess aktiv einzubeziehen. Es ist nicht die Aufgabe der Politiker, bei den Beschäftigten Ängste zu schüren und sie durch Äußerungen in der Presse zu verunsichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht darum, ob die Arbeitsplätze in Eschborn – also in Hessen – oder in Nordrhein-Westfalen abgebaut werden.Wir brauchen eine Sicherung aller Arbeitsplätze, um möglichst zu einer qualitativen Aufwertung der deutschen Entwicklungshilfe zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die anstehende Umstrukturierung sollte vor allem genutzt werden, um die ausufernde Prekarisierung der Arbeit in diesem Bereich zurückzudrängen. Wer sich heute für globale Gerechtigkeit einsetzen will, steht vor einer unsicheren Lebensperspektive: Er muss Arbeitsverträge über zwei Jahre oder weniger und wechselnde Einsatzorte – nicht nur international, sondern auch innerhalb Deutschlands – hinnehmen. Wenn wir Entwicklungshilfe ernst nehmen, müssen wir feststellen, dass das ein unhaltbarer Zustand ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, 260.000 c für Entwicklungszusammenarbeit in den Landeshaushalt einzustellen bedeutet allerdings nicht, dass man die Entwicklungshilfe ernst nimmt.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die neue Organisation – wie immer sie auch heißen mag – könnte die gesteigerte Effizienz direkt in eine Verbesserung ihres internationalen Engagements umsetzen, wenn die anstehende Umstrukturierung ohne Standortschließung und ohne Arbeitsplatzabbau geplant wird. Dafür sollte sich der Hessische Landtag einsetzen, nicht aber für einen Wettkampf, welcher Standort am meisten zur Ader gelassen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen, Frau Wissler. – Herr Lenders wird jetzt für die Fraktion der FDP das Wort ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN ist an etlichen Punkten von nichts anderem als von Selbstverständlichkeiten die Rede. Wer würde denn in diesem Haus widersprechen, wenn es hieße, dass die staatliche Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag zu einer auf gerechte Weise ablaufenden Globalisierung, zur Wahrung der Menschenrechte, zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zur sozialen Entwicklung darstellt? Natürlich soll die Entwicklungshilfe insbesondere den Gesellschaften und den Menschen in den gering entwickelten Regionen der Welt helfen, in denen Armut und Hunger herrschen und es keine oder nur eine sehr eingeschränkte medizinische Versorgung gibt.

Doch etwas ganz Wichtiges wird in dem Antrag der GRÜNEN nicht erwähnt. Die staatliche Entwicklungshilfe soll und muss auch zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Nicht umsonst heißt das Ministerium „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“. Es geht hier zwar um humanitäre Hilfe, aber auch um Hilfe beim Aufbau wirtschaftlicher Prozesse, insbesondere beim Aufbau regionaler wirtschaftlicher Kreisläufe.

Unser Verständnis von Entwicklungshilfe ist deutlich weiterentwickelt. Wir wollen in prekären Situationen mit Nahrung, Medikamenten und Kleidung helfen. Aber das reicht noch lange nicht. Entscheidend ist, den Ländern so zu helfen, dass sie sich selbst helfen können.

(Beifall bei der FDP)

Die Menschen in diesen Ländern wollen keine Almosenempfänger sein, sondern selbst für sich sorgen. Das ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Das schafft Selbstachtung, stiftet Sinn und trägt dazu bei, die einheimische Kultur zu bewahren.

Deshalb – das sage ich sehr deutlich – ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit die entscheidende Brücke, über die der Weg in eine selbstbestimmte Zukunft der Länder führt, die heute Entwicklungshilfe bekommen. Dieser Grundsatz fehlt unserer Meinung nach in dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN. Ich bin gespannt auf die kommenden Beratungen im Ausschuss.

Als weltweit tätiges Bundesunternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit die Bundesregierung bei der Verwirklichung ihrer entwicklungspolitischen Ziele. Weltweit beschäftigt das Unternehmen knapp 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind fast 10.000 einheimische Kräfte. In der Zentrale in Eschborn und an weiteren Standorten in Deutschland arbeiten rund 1.700 Personen.

Zutreffend ist,dass Entwicklungsminister Niebel eine Reorganisation der staatlichen Entwicklungshilfe anstrebt. Die Entwicklungshilfe soll effizienter organisiert werden. Die knappen Ressourcen sollen dafür genutzt werden, den entwicklungspolitischen Auftrag besser umzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Richtig ist, dass es im Entwicklungsministerium Überlegungen gab, die GTZ mit den anderen Entwicklungshilfeinstituten des Bundes zusammenzulegen, um die Verwaltungskosten zu senken und die Entwicklungshilfe schlagkräftiger zu machen. Der stellvertretende Hessische Ministerpräsident, Jörg-Uwe Hahn, hat mit dem Bundesentwicklungsminister mittlerweile Gespräche über Struktur und Standort geführt und sich dabei für den hessischen Standort eingesetzt. Das Gleiche gilt für Nicola Beer, Staatssekretärin im Ministerium der Justiz, für Integration und Europa. Bereits im Februar hat sich unser Kollege Fritz Krüger beim Bundesminister für den Standort Eschborn eingesetzt. Das ist in enger Abstimmung mit Wirtschaftsminister Dieter Posch geschehen,und somit ist eine erneute Aufforderung an die Landesregierung völlig überflüssig.

(Beifall bei der FDP)

Herr Lenders, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Schulz-Asche?

Nein, Herr Präsident, nicht bei fünf Minuten Redezeit. – Eschborn wird weiterhin der Hauptstandort der GTZ bleiben. Das hat der Bundesminister unserem Kollegen Fritz Krüger bereits schriftlich mitgeteilt. Es wird auch keine Pflichtumzüge von Eschborn nach Berlin geben. Nun wird im Ministerium die rechtliche Struktur der neuen Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit entwickelt.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Dann hätte er alle erwähnen können, die mit dem Bundesminister geredet haben!)

Ich kann doch nichts dafür, dass sich so viele für den Standort eingesetzt und sich um die Sache bemüht haben, während Sie irgendwelche Anträge formulieren, die kein Mensch braucht.

(Beifall bei der FDP)

Die Entwicklungspolitik ist in guten Händen. Die Umstrukturierung der deutschen staatlichen Entwicklungshilfegesellschaft wird zu einer effizienten Hilfe für die Länder führen, vor allem für diejenigen, die dringend Hilfe benötigen.

Frau Wissler, da Sie das eben angesprochen haben: Mir ist ein Minister lieber, der diese Institution als Oppositionsabgeordneter kritisiert hat und dann, statt das anderen zu überlassen, in dieses Ministerium geht, um die Aufgabe zu übernehmen, von der er vorher immer geredet hat. Das verdient unseren Respekt. Das ist eine mutige und wichtige Botschaft.

(Beifall bei der FDP)

Herr Lenders, Sie müssen zum Schluss kommen.

Die Botschaft lautet auch, dass die Entwicklungshilfearbeit weiterhin von Hessen – Eschborn – aus gesteuert wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)