Meine Damen und Herren, inzwischen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass räumlich begrenzte Experimente oder Modellversuche gegenüber einem weiteren Stillstand in dem seit über 25 Jahren diskutierten Thema zu bevorzugen sind. „Die bislang sehr erfolgreichen Modellversuche liefern Erfahrungen für Zugänge zu dauerhaften Konstruktionen“ – so heißt es in der Erklärung „Islamischer Religionsunterricht als Chance für Integration und Dialog“ des Gesprächskreises „Christen und Muslime“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken vom 16. Oktober 2008.Das Präsidium des Zentralkomitees der
deutschen Katholiken hat sich diese Erklärung zu eigen gemacht, und ich tue das auch. Ich bin gespannt, was die Kolleginnen und Kollegen in der Regierungskoalition und die Ministerin heute zu der Frage Modellversuch sagen werden.
Eine weitere Maßnahme – auch das hat Frau Kollegin Öztürk angesprochen –, die unverzüglich angepackt werden muss, ist die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Religionspädagogik an einer der Hochschulen des Landes und eines entsprechenden Studiengangs; denn der Erfolg eines Unterrichtsangebots und seine Akzeptanz hängen in hohem Maße davon ab, ob es gelingt, dauerhaft qualifiziertes Lehrpersonal zu finden. U + auf Islamisch wäre jedenfalls nicht wirklich eine überzeugende Lösung.
Meine Damen und Herren, eine Anmerkung zu Punkt 3 unseres Antrags. In vielen Teilen des Landes stellt die Gruppe der religiös oder konfessionell ungebundenen Menschen mittlerweile die Mehrheit. Es handelt sich dabei keineswegs um Menschen, die Fragen der Werte, der Ethik und der Moral und auch Fragen der Religion gleichgültig gegenüberstehen. Meist ist das Gegenteil der Fall. Vielerorts fehlt aber ein der jeweiligen Altersstufe entsprechendes Angebot. Das gilt insbesondere für die Grundschulen. Für Eltern, deren Kinder in die dritte Klasse kommen, bleibt meist nur die Alternative: konfessioneller Religionsunterricht oder Abmeldung des Kindes. Das ist ein unbefriedigender, kein guter Zustand, und wir sollten im Zuge der weiteren Beratungen gemeinsam überlegen, wie auch solchen Kindern und Eltern ein überzeugendes Unterrichtsangebot gemacht werden kann.
Ich will an dieser Stelle ein Missverständnis, das aufgetaucht ist, gleich korrigieren. Wir plädieren nicht für ein neues Unterrichtsfach, wie es etwas fälschlich im Text heißt, sondern für ein Unterrichtsangebot, das auf den bestehenden Fächern fußt, aber sozusagen altersspezifisch, stufenspezifisch angepasst werden muss.
Meine Damen und Herren, ich komme zurück zum Thema islamischer Religionsunterricht. In der bereits zitierten Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken heißt es:
Die angestrebte Einführung von islamischem Religionsunterricht hat eine innermuslimische, schulische und gesellschaftliche Dynamik in Gang gebracht.Alle Beteiligten sollten die damit verbundenen Chancen nutzen. Allerdings ist der islamische Religionsunterricht kein Allheilmittel für an anderer Stelle vernachlässigte Integrationsmaßnahmen oder fehlende interreligiöse Verständigung. Es besteht jedoch die begründete Hoffnung, dass der islamische Religionsunterricht eine neue Phase des Zusammenlebens mit Muslimen in Deutschland einleitet und das friedliche Miteinander der Religionen gestärkt wird.
In diesem Sinne sehen wir der Ausschussberatung und der weiteren Entwicklung mit gespannter Erwartung und dem klaren Bekenntnis zur konstruktiven Mitarbeit entgegen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Merz. – Herr Bauer, Sie haben nunmehr Gelegenheit, die Vorstellungen der CDU-Fraktion vorzutragen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es bei den hier eingebrachten Anträgen darum geht, dass wir das Thema Integration stärker in den Vordergrund rücken, dann darf ich bei dieser Gelegenheit auf die Erfolge in Hessen verweisen, wie sie erst kürzlich in der Integrationsstudie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung belegt wurden.
Wir wollen und werden uns darauf nicht ausruhen,aber es ist notwendig, dass wir bei diesem wichtigen Thema keine Schwarzmalerei betreiben. Hessen hat sich in den vergangenen Jahren zum bundesweiten Innovationsmotor in der Integrationspolitik entwickelt.
In keinem anderen Bundesland verlassen mehr Migrantenkinder die Schule mit dem Abitur als in Hessen.Das ist eine sehr gute Entwicklung.
Diese erfolgreiche Arbeit führen wir in dieser Legislaturperiode mit klar umrissenen Maßnahmenpaketen fort. Wir werden die frühe Sprachförderung als Schlüssel zur Integration weiter ausbauen. Wir werden die Eingliederung von Migranten in den Arbeitsmarkt und in ehrenamtliche Strukturen auch in Zukunft verbessern. Darüber hinaus sollen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund verstärkt im öffentlichen Dienst eingestellt werden.
Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um von den weiteren Herausforderungen bei der Dauerbaustelle Integration abzulenken. Ich sage das, um vor überzogenen Erwartungen an den jetzt zu diskutierenden Islamunterricht als Allheilmittel der Integrationspolitik zu warnen.
Wir werden uns dem Thema Islamunterricht kritisch stellen und es einer sachgerechten Lösung zuführen. Das gilt im Übrigen auch für die Ermöglichung des Schulbesuchs von Kindern ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Hier gilt es,die Spannung zwischen dem Recht auf Beschulung und dem Ziel der Bekämpfung des illegalen Aufenthalts sinnvoll aufzulösen.
Ich sage aber auch gleich zu Beginn meiner Ausführungen, dass es nicht allein in unserer Macht und in unserer Verantwortung liegt, dass wir dem Ziel, islamischen Religionsunterricht an hessischen Schulen einzurichten, einen
Schritt näher kommen. Es liegt vor allem auch – darauf werde ich noch ausführlich zu sprechen kommen – an den Ansprechpartnern auf muslimischer Seite.
Als CDU-Fraktion schlagen wir vor, dass wir uns auf den Weg machen, die Voraussetzungen für eine Vereinbarung zur Erteilung islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache zu schaffen. Wir sagen aber zugleich auch, dass dieser Weg steinig und schwer werden wird und es gilt, zahlreiche Klippen zu umschiffen.
Die CDU-Fraktion spricht sich deshalb dafür aus, dass die Landesregierung prüfen möge, ob die Kriterien zur Durchführung islamischen Religionsunterrichts erfüllt sind. Ausgangspunkt und Maßstab hierfür ist unser Grundgesetz. Gemäß Art. 7 Abs. 3 ist der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Der Religionsunterricht muss mit den Kriterien des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung im Einklang stehen und der deutschen staatlichen Schulaufsicht unterliegen. Ordnung und Durchführung von Religionsunterricht sind staatliche Aufgaben und Angelegenheit. Die uneingeschränkte Akzeptanz unserer Gesellschaftsund Rechtsordnung ist nicht verhandelbar.
Nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz wird der Religionsunterricht unbeschadet dieses staatlichen Aufsichtsrechtes in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Gegenstand des Religionsunterrichts ist der Bekenntnisinhalt,nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Daraus ergibt sich, dass es zur Durchführung des islamischen Religionsunterrichts eines für die Religionsgemeinschaft autorisierten, dauerhaften und repräsentativen Ansprechpartners bedarf.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist die Kultusministerin schon weiter!)
Unstrittig ist ferner, dass die Unterrichtserteilung in deutscher Sprache erfolgen muss und dass die Unterrichtserteilung durch qualifizierte Lehrkräfte auf der Grundlage eines deutschen Lehramtsstudiums erfolgt. Dafür sind weitreichende Voraussetzungen zu schaffen. Dies betrifft die Universitäten und Hochschulen, die entsprechende Studiengänge für die Ausbildung der zukünftigen Lehrer zu schaffen haben.
Neben dem Aspekt der Gewinnung qualifizierter und entsprechend legitimierter Hochschulkräfte dürfen wir an dieser Stelle auch nicht die Augen davor verschließen, dass es innerhalb der islamischen Theologie – ich nenne an dieser Stelle nur den Bereich einer kritischen Koranexegese – noch gewaltige Kontroversen gibt. Voraussetzungen müssen natürlich auch an den Studienseminaren geschaffen werden, welche im zweiten Teil der Lehrerausbildung die fachdidaktische und pädagogische Begleitung zu gewährleisten haben.
Meine Damen und Herren, unser ehemaliger Frankfurter Landtagskollege Turgut Yüksel scheut sich nicht, am 17. Februar in einer Presseinformation der „Initiative von säkularen und laizistischen Bürgerinnen und Bürgern aus islamisch geprägten Herkunftsländern“ auch auf Probleme und weit verbreitete Irrtümer zu diesem Thema hinzuwei
Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass das Angebot zur Einbringung der Verbände in allen Fällen zur Demokratisierung ihrer Strukturen führt,weil der Einfluss überwiegend aus den Herkunftsländern kommt.
Meine Damen und Herren, diese Einschätzung sollte uns zu denken geben. Gleichwohl teile ich auch die Bewertung von Kultusministerin Henzler, die ich in der „Frankfurter Rundschau“ vom 25. Februar lesen konnte. Ich zitiere:
Wir können nicht tatenlos zusehen, dass in Hessen 60.000 Kinder in Koranschulen von türkischen Imamen unterrichtet werden.
Es ist aber sehr fragwürdig, wenn damit der Eindruck erweckt wird, dass mit der Einführung des Islamunterrichts an hessischen Schulen auch nur eine einzige dieser Koranschulen mit ihren türkischen Imamen verschwinden würde. Turgut Yüksel schreibt im Namen der säkularen Muslime, und ich wünschte, er könnte das heute von diesem Pult aus zu uns sagen – ich zitiere –:
Weiterhin ist es ein Irrtum,zu glauben,dass die Einführung des islamischen Religionsunterrichts an den Schulen die Korankurse der Verbände verdrängt, weil beide Angebote sich ergänzen und nicht ersetzen würden.
Meine Damen und Herren, ich sagte zu Beginn meiner Ausführungen, dass der Weg zum Islamunterricht steinig und schwer ist. Manche dieser Steine lassen sich nur vonseiten der Betroffenen aus dem Weg räumen. Darauf sollten wir aber Wert legen, denn es darf keine Durchlöcherung der Maßstäbe des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz geben. Das dort zugrunde gelegte Verhältnis der kooperativen Trennung von Staat und Religion ist für unsere Kultur nicht verhandelbar. „Gleiches Recht für alle“ bedeutet auch „gleiche Pflicht für alle“. Deshalb müssen wir darauf bestehen, dass sich die islamischen Religionsvertretungen in die Pflicht nehmen lassen. Ein runder Tisch mit islamischen Verbänden kann dazu ein erster Schritt sein. Gleichwohl bringt schon dieses Ansinnen einige Probleme mit sich, weil man bei einigen dieser Gruppierungen erhebliche Zweifel an deren Verfassungstreue hegen muss.
Wir sollten darüber nachdenken, ob es ein Etappenziel sein kann, dass muslimische Kinder die Möglichkeit bekommen, an öffentlichen Schulen über Religion informiert zu werden. Sie sollen Kenntnisse über Geschichte und Gegenwart des Islam sowie die unterschiedlichen Glaubensrichtungen erlangen und lernen, religiöse und kulturelle Inhalte zu verstehen und zu deuten. Diese Alternative eines aufklärenden religionskundlichen Islamunterrichts entspricht dem Wunsch einer großen Mehrheit der hier lebenden muslimischen Bevölkerung. Die CDU-Fraktion spricht sich aus diesem Grund dafür aus,
als weiteren, als vorläufigen Schritt im Fach Ethik eine verpflichtende religionskundliche Unterweisung in islamischer Religion einzuführen. So sieht es nämlich der Koalitionsvertrag von CDU und FDP vor. Zunächst ist eine Prüfung und Klärung der entsprechenden Rahmenbedingungen erforderlich. Dazu kann ein runder Tisch einberufen werden. Dann muss ein legitimierter Ansprechpartner für eine Vereinbarung gefunden werden. Sollte dies nicht gelingen,kann eine religionskundliche Unterweisung eine vernünftige Lösung sein. Ein solcher Unterricht würde eine weitere Grundlage für ein integratives Zusammenleben schaffen. Dass es uns als Christdemokraten bei diesem integrativen Zusammenleben auch um eine Anerkennung unserer Rechtsordnung, unserer gewachsenen Kultur und religiösen Identität geht, muss an dieser Stelle nicht eigens betont werden.
Wer allerdings, wie Kollege Merz – so habe ich es jedenfalls in einer Pressemitteilung gelesen –, von „fantasierten Parallelgesellschaften“ spricht und behauptet, es gebe keine Parallelgesellschaften in Deutschland,