Ich denke, dass es sich gleichwohl lohnen würde, sich an anderer Stelle einmal mit seinen Thesen durchaus auseinanderzusetzen. Aber das ist hier nicht der Punkt. Die Frage, die die LINKEN aufgeworfen haben, lautet, ob die Einladung Herrn Sarrazins in das hessische Justizministerium ein fatales Signal für die Integration in Hessen darstellt. Das ist die Frage, um die es hier geht.
Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich auf ein Erlebnis hinweisen, das wir gestern hatten. Wir hatten gestern eine Besuchergruppe aus Frankfurt da. Es waren vor allem Senioren, und es waren auch einige Frankfurter Kollegen wie Herr Bocklet, Herr Grumbach und Herr Staats
Da habe ich wieder einmal gemerkt, dass die Integrationspolitik, wie wir sie betreiben und wie sie auch von allen Fraktionen in diesem Hause getragen wird, in bestimmten Teilen der Bevölkerung noch nicht so ankommt, wie wir uns das in unserem doch recht elitären Zirkel, in dem wir als Abgeordnete hier doch zusammensitzen, manchmal wünschten. Wir wurden dort von älteren Leuten angesprochen, die wirklich gesagt haben, das mit den Ausländern könne doch nicht so weitergehen, und da müsse etwas passieren. Da haben wir wirklich fraktionsübergreifend argumentativ dagegengehalten. Das zeigt doch, dass in der Bevölkerung bestimmte Befindlichkeiten bestehen
Herr Kollege Schaus –, und wir wurden auch damit konfrontiert, dass diese Leute gesagt haben, es traue sich keiner zu sagen, es seien Wahrheiten, und keiner traue sich, sie auszusprechen. Ich finde, wir dürfen nicht zulassen, dass in einem bestimmten Teil der Bevölkerung das Gefühl vorherrscht – sei es an Stammtischen oder wo auch immer –, dass bestimmte Wahrheiten nicht ausgesprochen werden dürfen und dass bestimmte Politiker, die diese angeblichen Wahrheiten öffentlich verkünden, sozusagen einen Maulkorb auferlegt bekommen. Das wäre für die Integration fatal.
Vor diesem Hintergrund finde ich es auch richtig, wenn man Personen des öffentlichen Lebens, die – so kontrovers ihre Äußerungen auch sind – diese Gegenpositionen vertreten, durchaus einmal einlädt und sich mit diesen Positionen öffentlich argumentativ misst.
Dieses Aneinanderreiben der verschiedenen Positionen trägt auch langfristig dazu bei, diese bestimmten integrationspolitischen Positionen vielleicht auch bei den Skeptikern zumindest in einem positiveren Licht erscheinen zu lassen oder ihnen zumindest das Gefühl zu geben, dass man ihre Ängste ernst nimmt; denn darum geht es. Wir werden keine erfolgreiche Integrationspolitik in diesem Lande machen können, wenn ein bestimmter Teil der Bevölkerung das Gefühl hat, dass er nicht ernst genommen wird und dass diese Ängste nicht angesprochen werden.
In diesem Sinne, denke ich, wird es am kommenden Dienstag sicherlich eine spannende Veranstaltung werden. Ich gehe davon aus, dass sich Herr Staatsminister Hahn mit Herrn Sarrazin duellieren wird und dass es eine sehr gute Veranstaltung werden wird. Ich finde, die Frage, ob diese Veranstaltung der Integrationspolitik in Hessen schadet, ist ganz klar mit Nein zu beantworten. Die Integrationspolitik im Lande Hessen hält das aus,und ich füge hinzu: Sie muss es auch aushalten. In diesem Sinne freue ich mich auf eine lebhafte und spannende Diskussion am Dienstag. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, aus der Einladung zu der hier besprochenen Veranstaltung: Ich freue mich auf „lebhafte und offene Diskussionen mit namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die ihre Erfahrungen einbringen, Stellung beziehen und so zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen“. So steht es in der Einladung zu den Wiesbadener Diskursen,einer Veranstaltungsserie,die bewusst aktuelle Themen und Themen, die die Menschen umtreiben, aufgreift und sicher auch kontrovers diskutiert. Darauf hat mein Vorredner bereits hingewiesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere diejenigen, die diese Aktuelle Stunde beantragt haben, seien wir doch froh, dass unsere freiheitlich-demokratische Ordnung dies hergibt.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Hessische Landtag es sich zur Aufgabe machen soll, die Zusammensetzung anstehender Diskussionsrunden zu besprechen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass es eine böswillige Unterstellung ist, dem zuständigen Minister, dem zuständigen Ministerium und der Landesregierung zu unterstellen, sie hätten ein fehlendes Interesse an der Integration.
Die Bilanz der bürgerlichen Mehrheit in diesem Politikfeld seit 1999 und die aktuelle Tagespolitik zeigen anschaulich und nachvollziehbar die Stellung und Wertschätzung, die das Thema Integration zu Recht genießt. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Integrationsbeirat, Integrationslotsen, die finanzielle Unterstützung der agah, die bundesweit ihresgleichen sucht, Sprachkurse, die anfangs im Hessischen Landtag in der Diskussion waren, eine Kooperation mit „Hürriyet“, zahlreiche Unterstützungsangebote, Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Arbeitsprogramme. Ich nenne als aktuelle Beispiele den Integrationsgipfel, die Einführung der Modellregionen, zusätzliche Mitarbeiter in der Regierung, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Insofern brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht bei diesem wichtigen Thema.
Bei dem Thema Hartz IV, das auch immer wieder angesprochen wird, ist unsere hessische Position aus Fördern und Fordern, aus Helfen und Aufpassen, dass der Steuerzahler nicht über den Tisch gezogen wird, auch bekannt. Wir sind in der Lage, die Balance zu wahren, die gerade in einer sozialen Marktwirtschaft im Gegensatz zu planwirtschaftlichen Systemen möglich ist und hier erfolgreich praktiziert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erfreulicherweise leben wir in einem freien Land, in dem Pluralität und Meinungsfreiheit die Eckpfeiler einer Demokratie sind. So, wie die Veranstalter entscheiden, welches Thema aufgerufen wird, welcher Rahmen gewählt wird, welche Referenten eingeladen werden, so entscheiden die potenziellen Besucher, ob sie hingehen, früher gehen oder bis zum Schluss bleiben.
Vor allen Dingen entscheiden sie, Frau Kollegin Wissler, ob sie mitdiskutieren wollen, ob sie Stellung beziehen wollen, ob sie widersprechen wollen. Das ist bei uns möglich, und das ist auch gut so.
Ich sage genauso deutlich, dass ich nicht jede seiner Einschätzungen teile. Ich bin auch der Meinung, dass gerade bei sensiblen Themen der Ton die Musik macht. Aber gerade bei sensiblen Themen – ich habe gerade zwei angesprochen – ist die Bereitschaft wichtig, auf der einen Seite Gemeinsamkeiten herauszustellen und auf der anderen Seite Trennendes, Unterschiedliches beim Namen zu nennen, um es entweder abzubauen oder es klar zu umreißen. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Herrn Sarrazin zu bewerten, zu charakterisieren. Das ist eher eine Sache der SPD, in der er über 37 Jahre sozialisiert wurde, wo er reüssierte, wie wir hörten.
Wie sonst konnte er einen solchen Weg gehen, Karriere machen, als SPD-Senator in der Bundeshauptstadt für die Finanzen zuständig sein?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Zusammenfassung sind wir der Meinung, dass durch die Antragsteller dieser Aktuellen Stunde dieser Diskurs zu Unrecht skandalisiert wird. Es wird ein roter Socken aufgeblasen, und das schadet unseres Erachtens auch diesen sensiblen Themen. – Besten Dank.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Darin haben Sie Erfahrung! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Auf dem rechten Auge sind Sie ein bisschen blind!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Herr Bellino, ich glaube schon, dass man darüber diskutieren muss, wen man zu welcher Veranstaltung einlädt und was das Ziel dieser Veranstaltung ist. Ich will dabei ausdrücklich noch einmal betonen: Natürlich kann Herr Sarrazin sagen, was er sagen will. Natürlich ist das die Meinungsfreiheit. Solange er das Gesetz nicht bricht, kann er sagen, was er will.
Die Frage ist aber: Ist uns das zuträglich, was er sagt? Bringt uns das in der Integrationspolitik einen Schritt weiter?
Ich nehme mir im Gegenzug die Freiheit, zu sagen, dass seine Äußerungen populistisch sind, dass sie abstoßend sind und dass sie rassistisch sind. Warum laden wir einen Menschen ein, der beispielsweise in dem „Lettre International“ auch Folgendes gesagt hat?
Man muss davon ausgehen, dass menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich. Der Weg, den wir gehen, führt dazu, dass der Anteil der intelligenten Leistungsträger aus demografischen Gründen kontinuierlich fällt.
Sehr verehrter Herr Minister Hahn,Sie müssen sich schon fragen lassen,was Ihr Interesse ist,diesen Menschen überhaupt einzuladen und ihm das Forum zu geben, diese seine Äußerungen noch breiter zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass das die sachliche Debatte um die Integrationspolitik einen Schritt weiter bringt. Im Gegenteil, ich glaube, dass Herr Hahn nächsten Dienstag eigenhändig seine Integrationspolitik in seinem eigenen Ministerium mit dem Teilnehmer Sarrazin begraben wird, bevor sie überhaupt gewachsen ist.
Es würde niemanden in diesem Haus verwundern, wenn Herr Irmer Herrn Sarrazin im „Wetzlar Kurier“ und beispielsweise auch auf anderen Veranstaltungen lobt.
Ich hatte es aber so verstanden, dass die FDP eine andere Integrationspolitik fahren will, dass die FDP eine Willkommenskultur entwickeln will. Welche Willkommenskultur kann man entwickeln, wenn ein Herr Sarrazin Folgendes sagt?
Ständig werden Bräute nachgeliefert:Das türkische Mädchen hier wird mit einem Anatolen verheiratet, der türkische Junge hier bekommt eine Braut aus einem anatolischen Dorf. Bei den Arabern ist es noch schlimmer.
Danke schön, Herr Hahn, dass Sie dem auch noch ein Forum bieten. Damit enttäuschen Sie die Menschen mit Migrationshintergrund, die versuchen, endlich einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Sie stecken alle in einen Pott und versuchen mehr oder weniger, mit einer Keule draufzuhauen. Das finde ich leider ein bisschen daneben. Ich werde am nächsten Dienstag an der Veranstaltung teilnehmen, mir natürlich anhören, was noch Konstruktives zu leisten sei.