Im Wirtschaftssektor hat die Breitbandnutzung nicht nur die Produktivität gesteigert und Innovationen erleichtert, sie hat auch eine völlig neue Generation von Unternehmen und Geschäftsmodellen hervorgebracht. Einige der größten Erfolgsgeschichten der zu Ende gegangenen Dekade, beispielsweise iTunes, Skype und YouTube, wären ohne Breitband niemals möglich gewesen. Es herrscht nach wie vor eine ungeheure Dynamik in diesem Sektor. Erst gestern ist in Köln eine Studie der Unternehmungsberatung Arthur D. Little vorgestellt worden, die nachweist, dass die Unternehmen der deutschen Internetwirtschaft im Jahre 2008 einen Umsatz von 46 Milliarden c erwirtschaftet haben. Es ist doch kein Zufall, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grad der Breitbandversorgung und der Höhe des Bruttoinlandsprodukts festgestellt worden ist.
Jenseits der gewerblichen Nutzung steht privaten Nutzerinnen und Nutzern durch ein leistungsfähiges Breitbandnetz eine um ein Vielfaches größere Informationsmenge ständig zur Verfügung, und sie können sich untereinander zunehmend einfacher auch über sehr große Entfernungen vernetzen. Moderne Netzanwendung mit einem stetig steigenden Grad an Interaktivität, wie sie heute von Nutzerinnen und Nutzern nachgefragt wird, verlangt eine immer höhere Datenübertragungsrate. Die Nachfrage nach dem Zugang zu leistungsfähiger Breitbandversorgung wird also weiter wachsen.
Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, dass gerade in diesem sehr dynamischen Markt das Mantra, der Profitanreiz regele das vorhandene Defizit wie alles andere, schon aus privatwirtschaftlicher Sicht leider nicht greift. Das liegt unter anderem daran, dass mit der Breitbandversorgung dünn besiedelter Gebiete, wenn überhaupt, nur auf lange Sicht Profite erzielt werden können, die aber mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sind.
Genau diesem Problem, dieser Wirtschaftlichkeitslücke – Herr Lenders hat sie bereits angesprochen – müssen wir auch in Hessen mit geeigneten politischen Strategien entgegenwirken. Andere nationale Regierungen tun das bereits in weit größerem Umfang als die deutsche. Sie betrachten ein modernes Breitbandnetz als Teil eines langfristigen volkswirtschaftlichen Investments, vergleichbar
mit dem Bau von Schulen oder Verkehrswegen, und deshalb investieren sie direkt oder indirekt in dessen Ausbau. Die häufig geäußerte Generalkritik an staatlichem Engagement in einem eigentlich als privatwirtschaftlich betrachteten Sektor lautet, der Staat sei nun einmal kein guter Unternehmer, er verstehe die Dynamik des Marktes nicht, er wisse nicht um die Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung. Abgesehen davon, dass ich das für zu einfach gedacht halte: Selbst wenn diese Kritik griffe, im Sektor der Breitbandkommunikation werden die Schwächen des Marktes offensichtlich. Es sind diese Schwächen, die den Aufbau leistungsstarker Netzwerke verzögern, die der Markt eigentlich verlangt und die wir dringend brauchen.
Deshalb kommt es doch jetzt darauf an, als politisch Verantwortliche durch den konzentrierten Einsatz von Ressourcen die Hürden zu beseitigen,die den Aufbau dieser wichtigen Infrastrukturmaßnahme behindern.
Herr Kollege Klose, heißt das denn im Umkehrschluss für Sie,dass wir das überall dort,wo es für Unternehmen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, Glasfaserkabel zu verlegen – wenn wir uns soweit darauf verständigen können,dass das die nachhaltigste Lösung ist –, mit Einsatz von Steuergeldern realisieren sollen?
Im Ausschuss unterhalten wir uns über diese konkrete Frage auf der Grundlage der Anhörung und der beiden Anträge sicherlich weiter.Ich würde nicht pauschal sagen, dass das im Umkehrschluss so gemacht wird. In bestimmten Gebieten kann – ich sage ausdrücklich „kann“ – es das bedeuten.Aber das ist keine zwingende Schlussfolgerung.
Um ernsthaft darüber diskutieren zu können, müssen wir zunächst einmal eine Analyse dessen zulassen, was in den letzten Jahren in Hessen in diesem Bereich getan oder leider unterlassen wurde.Das ist etwas,was wir in Ihrem Antrag leider vermisst haben und was uns letztlich veranlasst hat, einen eigenen Antrag in das Verfahren einzubringen.
In Hessen wurde in den vergangenen Jahren eine weitgehend beobachtende Haltung eingenommen, was den Breitbandausbau betrifft. Die monetäre Förderung des Netzausbaus wurde jahrelang vernachlässigt. Bis 2007 hat sich die Hessen-Agentur trotz zahlreicher Initiativen betroffener Kommunen darauf beschränkt, Informationsveranstaltungen durchzuführen und ansonsten auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen.
Was ist zur gleichen Zeit woanders geschehen? Wir stehen nicht alleine vor dieser Herausforderung. Im Gegensatz zu Deutschland – also auch zu Hessen – wurde in Ländern wie Japan und Südkorea, mit denen wir wirtschaftlich direkt konkurrieren, die Einführung eines Breitbandnetz
werks der nächsten Generation durch ein ganzes Bündel von Fördermaßnahmen beschleunigt. Südkorea hat heute eine Verbreitung leistungsfähiger Glasfasernetzwerke von rund 50 %.
In Schweden und in Norwegen unterstützen die Regierungen durch Anreizmodelle mit großem Erfolg den Aufbau kommunaler Netzwerke. Das war auch in der Anhörung angesprochen.Dort wurde gleichzeitig durch Steuernachlässe der Ausbau des Breitbandnetzes in dünner besiedelten Gebieten gefördert. Das ist tatsächlich eine sinnvolle, zukunftsorientierte Steuererleichterung in volkswirtschaftlichem Interesse – ganz im Gegensatz zu der, die dem Hotelgewerbe zuteil wurde.
2008 hat die EU angekündigt, immerhin 141 Millionen c für die Breitbandversorgung in Deutschland bereitzustellen. Die Landesregierung wollte davon ganze 450.000 c jährlich nach Hessen lenken und um Landesmittel in Höhe von 300.000 c aufstocken.Von den 2008 vom Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Hessen zur Verfügung gestellten rund 450.000 c hat das Land nach Auskunft der Bundesregierung 2008 nichts abgerufen.
Zwei Wochen vor der Landtagswahl 2009 hat der Ministerpräsident gefordert, den flächendeckenden Ausbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes in das Konjunkturprogramm des Bundes aufzunehmen. Als es so weit war, hat die Landesregierung diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen.
An Hessen führt kein Weg vorbei. Es führt jedenfalls kein Weg daran vorbei, festzustellen, dass dieses Thema leider lange vernachlässigt wurde.
Herr Lenders, seitens meiner Fraktion begrüße ich ausdrücklich, dass Sie und die Mitglieder der Landesregierung jetzt aufwachen. Allerdings – das wissen Sie selbst – werden die 2010 zur Verfügung gestellten 5 Millionen c den Bedarf bei Weitem nicht decken. Setzt man das beispielsweise zu der Summe ins Verhältnis, die gleichzeitig in Betonpisten gesteckt wird, stellt man fest, es wird ganz und gar absurd.
Herr Lenders, gerade weil die Skepsis im Hinblick auf die nachfolgende Sache Ihnen und den übrigen Mitgliedern Ihrer Fraktion auf die Stirn geschrieben steht:Würden Sie die 30 Millionen c, die vor allem die Union einem völlig überdimensionierten Wolkenkuckucksressort in Beberbeck hinterherwerfen will, in den Breitbandausbau stecken, täten Sie der wirtschaftlichen Entwicklung in Nordhessen einen weit größeren Gefallen.
Wir brauchen das Rad gar nicht neu zu erfinden. Neue Geschäftsmodelle, direkte oder indirekte Investitionen in den Netzausbau und Maßnahmen zur Stimulierung des Marktes – der erfolgreichen Beispiele gibt es international viele, übrigens gerade auch bei der Aufgabenstellung, vor der wir stehen, dass es nämlich für die klassischen Anbieter wirtschaftlich nicht attraktiv ist, in dünner besiedelten Gebieten tätig zu werden.Auch die bestehenden Modellprojekte in Hessen liefern weitere wertvolle Hinweise. In Hessen fehlt uns bisher eine klare Strategie. Genau dahin müssen wir, dahin wollen wir.
In diesem Sinne, Herr Staatssekretär, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hoffe ich sehr, dass wir in den Ausschussberatungen konstruktiv und ohne Tabus über alle möglichen Modelle zur Stimulierung des Breitbandausbaus diskutieren werden, inklusive beispielsweise der Frage, ob man die Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts nicht anpassen müsste, und der Frage, wie wir auch gegen den Widerstand manches privaten Anbieters eine höhere Markttransparenz erreichen können.Wir GRÜNE werden uns gern konstruktiv daran beteiligen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Siebel das Wort.Bitte schön,Herr Siebel.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich mir heute Morgen überlegt habe, was ich sagen soll, habe ich mich gefragt: Legst du die Rede persönlich an oder kontrovers? Ich habe mich entschieden, mit Persönlichem anzufangen.
Ich habe mich deshalb dafür entschieden, weil ich finde, dass es um ein ernstes Thema geht. Es geht nach unserem Verständnis um eines der größten Infrastrukturprojekte, die wir im Land Hessen in den nächsten Jahren zu schultern haben. Das ist nicht irgendein Infrastrukturprojekt, das, wie der Flughafen Frankfurt, an einem bestimmten Ort angesiedelt ist,sondern es ist ein Infrastrukturprojekt, im Rahmen dessen etwas hergestellt wird, was zumindest für die Kultur und die Tradition des Landes Hessen von großer Bedeutung ist.Es geht nämlich um die Herstellung von vergleichbaren Lebensbedingungen im gesamten Land Hessen.
In diesem Zusammenhang spielt der Ausbau des Breitbandnetzes eine ganz besondere Rolle,und deshalb ist das Thema so wichtig. Deshalb muss in diesem Haus auch ein großer Konsens hergestellt werden.
Meine Damen und Herren, es ist eine Frage, inwieweit es uns gelingt,mit diesem Projekt auch den ländlichen Raum mit seinen Entwicklungspotenzialen voranzubringen. Das ist ein wesentlicher Punkt.Wenn wir da eine Entwicklung verschlafen, ist es nicht so – wie das in dem einen oder anderen Beitrag zu hören war –,als ob wir irgendwo ein kleines Dorf mit 200 Seelen abhängten.
In dem Zusammenhang möchte ich sagen – ich habe hier irgendwo einen Artikel gefunden –: In einem anderen Land – wo war es denn?;ich glaube,es war in Island – werden sogar Inseln mit nur 200 Einwohnern mit Breitband versorgt. Da wird tatsächlich eine Entwicklung vorangetrieben. Herr Lenders, insofern finde ich es überhaupt nicht witzig, wenn man davon spricht, dass irgendwo ein kleines Kaff angeschlossen wird.Wenn es dort eine Firma gibt, die es braucht, muss natürlich auch ein Dorf mit 200 Einwohnern angeschlossen werden.
Aber wir haben in großer Einvernehmlichkeit gesagt – dafür bin ich insbesondere Herrn Abg.Arnold sehr dankbar –: An manchen Punkten wissen wir selbst nicht so
recht, wo es langgehen soll, insbesondere bei der Frage, welche Finanzierungsvolumina notwendig sind.
Deswegen haben wir gesagt: Lasst uns eine Anhörung im Hessischen Landtag machen,damit wir gemeinsam klüger werden. – Ich darf mich für dieses Vorgehen ganz herzlich bedanken. Ich möchte an der Stelle sagen, die Anhörung hat ergeben, dass die Kolleginnen und Kollegen im hessischen Wirtschaftsministerium und auch in der HessenAgentur im Rahmen der Möglichkeiten, die sie haben – also im Rahmen der Finanzvolumina,die zur Verfügung stehen, und im Rahmen der Richtlinien, die gegeben sind –, eine ordentliche Arbeit geleistet haben.
Meine Damen und Herren, es geht aber jetzt darum, die Weichen zu stellen und die richtigen Impulse zu setzen. Deshalb müssen wir uns noch einmal anschauen, wie eigentlich die politischen Rahmenbedingungen gestaltet sind.
Herr Kollege Lenders, ich habe eigentlich ein bisschen mehr erwartet, als ich gehört habe, dass Sie das zum Setzpunkt machen wollen.
Herr Lenders, auch Sie waren doch bei der Anhörung dabei. Es waren doch nicht die Mitglieder der LINKEN, die dort von einem Versagen des Marktes gesprochen haben. Vielmehr waren das die Vertreter des Odenwaldkreises. Wenn Sie denen nicht glauben,dann glauben Sie vielleicht den Vertretern der IHK. Sie haben gesagt: Unter den Bedingungen, wie sie momentan existieren, und mit den Firmen, die in den unterschiedlichen Segmenten agieren, bekommen wir maximal eine Abdeckung von 70 % hin. 30 % fehlen dann noch.– Das haben die Vertreter von Vodafone und der IHK so gesagt.
Wenn wir das aufgreifen wollen, dann ist das richtig, was Sie gesagt haben:Wir müssen einen bestimmten Mix herstellen. – Gegenstand der Anhörung war aber auch, dass wir unter den momentanen Bedingungen, wie am Markt agiert wird, eine der Möglichkeiten, um in eine fasergebundene Breitbandversorgung einzusteigen, nämlich die Refinanzierung aus der schnellen Einführung der Funkversorgung zu erzielen, nicht hinbekommen werden.
Das meine ich mit der Setzung der Rahmenbedingungen. Das ist mehr als die Beseitigung der Investitionshemmnisse, wie es Ihr Antrag glauben machen möchte.
Ich möchte auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen. Wir sollten anerkennen, dass die Versorgung mit dem Breitbandkabel eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist.