Protocol of the Session on January 26, 2010

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, ist es zugleich ein wichtiges Signal für die Städte und Gemeinden, die es bisher unterlassen haben, ihren Mitbürgern professionelle bibliothekarische Dienstleistungen anzubieten.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Um es abschließend klar und deutlich zu formulieren: Die Forderung der Enquetekommission, öffentliche Büchereien als bislang freiwillige Leistung in eine Pflichtaufgabe zu überführen, haben wir nicht in unseren Gesetzentwurf übernommen. Ich stehe dazu: Das wäre wünschenswert, aber ich weiß, dies ist derzeit nicht machbar.

Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss und bitte Sie, dieser Gesetzesinitiative zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lenz. – Als Nächste hat Frau Kollegin Wissler das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist“, sagte einmal ein berühmter Dichter. Der berühmteste Hesse, nämlich Hermann Hesse, meinte einmal: „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste.“

In diesem Sinne war ich wirklich erfreut, als ich in Ihrer Pressemitteilung gelesen habe, dass die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag mit Herrn Lenz einen bibliothekspolitischen Sprecher hat – die FDP hingegen hat mit Herrn Hahn nur einen videothekspolitischen Sprecher.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Zu Videotheken ist keine Aussage von Hermann Hesse überliefert.

Meine Damen und Herren,Bibliotheken sind als Orte des freien Zugangs zu Wissen, Lernen und Forschen unersetzliche Bildungseinrichtungen. In Bibliotheken werden Lesefreude und -begeisterung geweckt. Sie dienen der Aus

und Weiterbildung,der Pflege des kulturellen Erbes sowie der kulturellen und sozialen Integration.

Braucht Hessen ein Bibliotheksgesetz? – Eindeutig: Ja.

Die Regierungsfraktionen stellen zu Recht fest, dass die Bibliotheken „zentrale Orte für die Realisierung des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit“ sind. Schon im Jahr 2007 hat die Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht die mangelnde rechtliche und strukturelle Präzisierung der deutschen Bibliothekslandschaft festgestellt und den Ländern empfohlen, eigene Bibliotheksgesetze zu erlassen.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf aber wird diesem Problem nicht gerecht. Zwar beziehen Sie sich auf die Empfehlungen der Enquetekommission, kommen diesen Empfehlungen im Gesetzentwurf aber überhaupt nicht nach. Was nützt es, ein Bibliotheksgesetz einzuführen, ohne die geforderten Inhalte? Ihr Gesetz regelt nichts, es ist frei von Inhalten.

Zwar verkündet Ihr bibliothekspolitischer Sprecher, mit diesem Gesetz bekämen die Bibliotheken einen soliden rechtlichen Rahmen zur Regelung ihrer Aufgaben und Funktionen, tatsächlich aber finden sich in Ihrem Gesetzentwurf weder Mindeststandards noch Regelungen zu verbindlichen Finanzierungen.

Meine Damen und Herren, mehr als die Hälfte der über 800 Bibliotheken in Hessen ist in kommunaler Trägerschaft. Kommunale Bibliotheken sind Kultureinrichtungen und zählen zu den sogenannten freiwilligen Aufgaben der Kommunen, d. h. ihre Existenz und ihr Entwicklungsstand sind letztendlich abhängig von der finanziellen Leistungskraft der Trägergemeinde. Angesichts der Krise der öffentlichen Finanzen sind in den vergangenen Jahren viele Bibliotheken – aber auch Theater und Musikschulen – den Sparzwängen geopfert worden.

Zum Leidwesen vieler Kommunalpolitiker sind die Bibliotheken keine Pflichtaufgaben. Deshalb ist eine Gemeinde in finanzieller Not gezwungen, zwar die Gemeindestraße weiter zu teeren, die Gemeindebibliothek aber zu schließen. Zu einer funktionsfähigen Infrastruktur gehören aber nicht nur Verkehrswege, sondern dringend auch Kultur- und Bildungseinrichtungen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg.Michael Sie- bel (SPD))

Deshalb heißt es auch im Schlussbericht der Enquetekommission, ich darf zitieren:

Öffentliche Bibliotheken sollen keine freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg.Michael Sie- bel (SPD))

Diese Forderung erhebt auch der Deutsche Bibliotheksverband, dessen Vorsitzender in Hessen Sie, Herr Lenz, sind.Auch die Gewerkschaft ver.di fordert, dass Mindeststandards und die Verbindlichkeit der Finanzierung zu regeln sind.

Zur Finanzierung heißt es bei Ihnen: „Die Bibliotheken werden von ihren Trägern finanziert.“ Meine Damen und Herren, um das festzustellen, brauchen wir kein Gesetz. Und weiter: „Darüber hinaus fördert das Land im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel die öffentlichen Bibliotheken“. „Im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ bedeutet angesichts der Neuverschuldung minus

3 Milliarden c im hessischen Landeshaushalt. Sie stellen die Mittelzuweisung also ausdrücklich unter einen Haushaltsvorbehalt. Mit dieser Formulierung machen Sie klar, dass die Kommunen keine zusätzliche Unterstützung zu erwarten haben. Dem Land Hessen sind die kommunalen Bibliotheken ganze 1,5 Millionen c wert. Wenn wir beispielsweise an die EBS denken, stellen wir fest: Da gibt das Land das Zehnfache aus. Aber da sitzt auch ein Herr Rentsch im Vorstand. Vielleicht sollten Sie sich einmal in dem Förderverein einer kommunalen Bibliothek engagieren, dann wäre das Land Hessen vielleicht spendabler.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Gott- fried Milde (Griesheim) (CDU) – Florian Rentsch (FDP): Der Förderverein des Landes!)

Ihr Gesetzentwurf ändert für die Kommunen und Bibliotheken nichts an der jetzigen Mangelsituation. Meine Damen und Herren, aber die geplante Steuerentlastung der schwarz-gelben Bundesregierung für Reiche und Unternehmer kostet die hessischen Kommunen über 100 Millionen c,und das zusätzlich zu den ohnehin geplanten Kürzungen des Kommunalen Finanzausgleichs. Ihre Klientelpolitik ist ein Vernichtungsprogramm für kommunale Bibliotheken, Schwimmbäder und Jugendzentren. Die Kommunen brauchen mehr Geld, um ihre Aufgaben in Hessen erfüllen zu können; ihnen helfen keine Schaufenstergesetze.

(Beifall bei der LINKEN)

Eckpunkte für ein inhaltlich sinnvolles Bibliotheksgesetz wären, dass Bibliotheken öffentlich und barrierefrei zugänglich sind, dass ihre Nutzung unentgeltlich ist und dass Gemeinden ab 3.000 Einwohnern verpflichtet sind, Bibliotheken einzurichten. Bibliotheken brauchen eine entsprechende Ausstattung. Sie brauchen qualifiziertes Personal, und sie müssen Teil eines bildungs- und kulturpolitischen Gesamtkonzepts sein.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. In der Anhörung sollten wir auch über Standards reden,über Mindeststandards, was die Medieneinheiten und Bestandsaktualisierung angeht, aber auch darüber, dass die Kinder- und Jugendarbeit in den Bibliotheken eine wichtige Rolle spielen sollte. Der freie Zugang zu Informationen ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für die demokratische Gesellschaft.In diesem Sinne bin ich sehr gespannt auf die Anhörung und die Ergebnisse, die diese zutage bringen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Wissler. Die Frage nach dem berühmtesten Hessen müssen wir noch einmal in aller Ruhe diskutieren. – Herr Paulus hat sich für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausgehend von der Frage, was der Begriff genau beinhaltet und welche Aufgaben öffentliche,aber auch private Bibliotheken in unserer Gesellschaft übernehmen, ist festzustellen, dass der Begriff „Bibliothek“ nicht eindeutig und abschließend definiert ist. Der bis heute in der Bibliothekswissenschaft gebräuchliche Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern „biblios“ und „theke“ her,

und frei übersetzt bedeutet dies: Sammlung bzw. Aufbewahrungsort von Büchern.

(Lachen der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine Bibliothek ist heutzutage jedoch eindeutig mehr als eine reine Büchersammlung. Sie hat sich zu einem Dienstleistungszentrum, zu einem Forschungs- und Bildungsort und zu einer Kultureinrichtung weiterentwickelt und vereint die unterschiedlichsten Aufgaben in sich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dieser Entwicklung wird mit dem Gesetzentwurf für ein Hessisches Bibliotheksgesetz Rechnung getragen.So werden Bibliotheken nicht nur als systematisch geordnete und erschlossene Sammlungen subsumiert, sondern es wird auch dem Selbstverständnis, eine Bildungseinrichtung, ein Partner beim lebensbegleitenden Lernen, aber auch ein Dienstherr zu sein, Rechnung getragen.

Deutschlandweit gibt es über 11.500 Bibliotheken. Davon existieren allein in Hessen 437 öffentliche Bibliotheken, die sich zumeist in der Rechtsträgerschaft von Städten, Kreisen und Gemeinden befinden. Darüber hinaus gibt es in Hessen eine Vielzahl, nämlich rund 100 wissenschaftliche Bibliotheken, die der wissenschaftlichen Forschung, der wissenschaftlichen Lehre, dem Hochschulstudium und der Weiterbildung dienen. Elf wissenschaftliche Bibliotheken werden derzeit vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Diese übernehmen teilweise landesbibliothekarische Aufgaben und sammeln, bewahren und erschließen verschiedene Medienformen mit hessischem Bezug, um unser historisches Erbe zu sichern und zugänglich zu machen. Grundsätzlich sind die Bibliotheken öffentlich zugänglich, sodass alle Bevölkerungsschichten jedes Alters, jeder Bildungsschicht und jeder Herkunft die zahlreichen Angebote der Bibliotheken nutzen können und individuellen Zugang zu Wissen erhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mit dem Gesetzentwurf für ein Hessisches Bibliotheksgesetz realisieren wir ein zentrales Anliegen der bibliothekarischen Verbände aus den vergangenen Jahren, das auch in das Strategiekonzept „Bibliothek 2007“ Eingang gefunden hat. Unser Gesetzentwurf beinhaltet die zentrale Forderung, eine gesetzliche Absicherung der Bibliotheken zu erreichen. Mit dieser gesetzlichen Regelung greifen wir auch die Schlussfolgerung der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ aus dem Jahre 2007 auf.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese erörterte auch die Fragen nach der Bedeutung und den Aufgaben von Bibliotheken, den Rahmenbedingungen und empfahl den Ländern unter anderem, die Aufgabe und Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken zu regeln.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Frank Lortz und Aloys Lenz (CDU))

Lassen Sie mich an dieser Stelle auf den zuletzt genannten Aspekt eingehen und darauf verweisen, dass die Landesregierung die öffentlichen Bibliotheken aus Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs mit 1,25 Millionen c jährlich fördert. Hinzu kommen die Entrichtung von Bibliothekstantiemen und die Kopierabgabe in Höhe von knapp 900.000 c.Für die wissenschaftlichen Bibliotheken wird darüber hinaus seit dem Jahr 2000 – von Ruth Wagner entwickelt – ein Bibliothekssonderprogramm mit ei

nem Volumen von jährlich rund 1,28 Millionen c zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ein Zehntel!)

Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch betonen, dass wir bewusst darauf verzichtet haben, die Kommunen durch das Gesetz finanziell in die Pflicht zu nehmen; denn der vorgelegte Entwurf beachtet das Konnexitätsprinzip. Wenngleich den Städten und Gemeinden keine neuen Pflichtaufgaben übertragen werden, so wird durch das Gesetz bereits Bestehendes gesichert.

Abschließend ist demzufolge festzuhalten: Das Hessische Bibliotheksgesetz sichert langfristig den Bestand unserer öffentlichen, wissenschaftlichen, aber auch Schulbibliotheken, definiert die Aufgaben und hebt die Bedeutung der Büchereien für unsere Gesellschaft hervor

Herr Paulus, Sie müssen zum Schluss kommen.

und trägt zur aktiven Gestaltung der Zukunftsfähigkeit der Bevölkerung unseres Landes bei.