Protocol of the Session on December 22, 2009

(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)

Höre ich da etwa Gerichtsschelte am VGH heraus, das sich nicht an die höchstrichterliche Rechtsprechung gehalten hat und doch tatsächlich Ihrem Landesentwicklungsplan große Bedeutung beigemessen hat? – Eigentlich müssten Sie sich doch freuen, dass Ihrem Landesentwicklungsplan als dem sogenannten hessischen Spezialgesetz Vorrang vor dem Luftverkehrsgesetz eingeräumt wurde.Warum freuen Sie sich dann nicht?

Ich weiß, es soll Rechtsklarheit in einem Jahr für alle bestehen. Das ist angeblich Ihr zentrales Motiv. Herr Ministerpräsident, wenn Sie aber davon ausgehen, dass im Ergebnis wenige, wahrscheinlich deutlich weniger als 17 Nachtflüge herauskommen, bedarf es dann keines Planänderungsverfahrens mehr, gegen das erneut geklagt wer

den könnte und wo die vermeintliche Rechtsunsicherheit noch weiter und noch länger bestünde?

Meine Damen und Herren, so viel zum Thema Offenheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Die kann nach diesem Interview bei Ihnen aber nicht infrage gestellt werden; denn Sie haben schließlich, wie Sie darstellen, den Wählerinnen und Wählern wenige Wochen vor der Landtagswahl 2008 gesagt, dass Sie 17 Nachtflüge genehmigen müssen. Mit Verlaub, ich habe selten in einem Interview so viele Verdrehungen gelesen.

Tatsache ist doch, dass Sie wenige Wochen vor der Wahl 2008 sicherstellen wollten, dass dem Wunsch von Lufthansa und Fraport entsprechend ausreichende Nachtflüge genehmigt wurden. Deshalb haben Sie auch den Sofortvollzug des Planfeststellungsbeschlusses angeordnet, deshalb haben Sie das Projekt vorangetrieben, weil Sie nicht wussten, wie die Wahl 2008 ausgeht, und sicherstellen wollten, dass der Bau der Nordwestlandebahn und die Nachtflüge genehmigt sind.

Herr Ministerpräsident, mein Opa pflegte an solcher Stelle immer zu sagen: Alles andere können Sie nur jemandem erzählen, der die Hose mit der Beißzange anzieht.

(Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): Der ist ja uralt!)

Mein Opa ist auch uralt.

Herr Ministerpräsident, Sie sind nicht Opfer, sondern Täter in diesem schändlichen Spiel; denn Sie gehen sogar noch weiter. Sie wollen auf Nummer sicher gehen und haben selbst für den Fall einer weiteren Niederlage vor dem Bundesverwaltungsgericht schon wieder Pläne auf Bundesebene geschmiedet. Die von Fraport-Vertretern bereits im März 2007 geforderte Klarstellung entspricht nämlich exakt der im Koalitionsvertrag von Union und FDP auf Bundesebene geforderten Präzisierung des Luftverkehrsgesetzes. Im Koalitionsvertrag heißt es:

Neben einer Kapazitätsentwicklung der Flughäfen werden wir insbesondere international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherstellen. Die dazu erforderliche Präzisierung im Luftverkehrsgesetz soll eine gleichberechtigte und konsequente Nachhaltigkeitsabwägung von wirtschaftlichen, betrieblichen und dem Lärmschutz geschuldeten Erfordernissen auch bei Nachtflügen sicherstellen. Die Wahrung des öffentlichen Erschließungsinteresses der Bundesrepublik Deutschland ist dabei zu gewährleisten.

Herr Posch, das ist genau das, was Sie heute in Ihrer Begründung vorgetragen haben, nichts anderes.

Meine Damen und Herren, man muss sich einmal klarmachen, was hier passiert. Es gibt reihenweise Wortbrüche von Ministerpräsident Koch und Wirtschaftsminister Posch im Zuge des Genehmigungsverfahrens. Die FDP täuscht die Wähler mit ihrer offensichtlich nur wahlkampfrhetorischen Aussage „Unser Wort gilt auch nach der Wahl“ – einzuhalten natürlich nur gegenüber Fraport und Lufthansa.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP auf Bundesebene wird auf Betreiben hessischer Regierungsmitglieder eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes mit dem Ziel angestrebt, wirksame Nachtflugver

bote bundesweit unmöglich zu machen. Sie handeln bewusst fahrlässig

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

und stellen juristische Fragen nur in den Vordergrund, um ihrem Ziel, Nachtflüge durchzusetzen und die Interessen von Fraport und Lufthansa zu bedienen,Rechnung zu tragen – in der Hoffnung, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Position mitträgt.

Um die Position unserer Fraktion noch einmal deutlich zu machen:Wenn wir von Nachtflügen reden,dann reden wir von einem Nachtflugverbot in der Zeit von 22 bis 6 Uhr. Meine Damen und Herren, da geht es um erheblich mehr Flüge – nicht um 6.000 Flüge im Jahr wie bei dem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr, sondern um 55.000 Nachtflüge. Wir streiten auch weiter für einen Stopp des Baus der Nordwestlandebahn, um auch dies hier klar zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir unterstützen weiter die Forderungen der Bürgerinitiativen und Umweltverbände nach einer Gesamtbelastungsstudie und einer Untersuchung der gesundheitlichen Schädigungen durch den Fluglärm. Das sind wir der Region und den dort lebenden Menschen mehr als schuldig, die diese Belastungen schon seit Jahren aushalten müssen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich komme zum Schluss. Die Koalition hat das Mediationsverfahren schon ad absurdum geführt und damit alle Gutwilligen und Gutgläubigen, die auf die Seriosität der politisch Verantwortlichen vertraut haben, vor den Kopf gestoßen. Sie haben schon brutalstmöglichen Wortbruch begangen und brutalstmöglichen Schaden in der Region angerichtet. Verzichten Sie endlich auf eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Herr Schaus. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Greilich das Wort. Bitte schön.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er sollte mit einer Entschuldigung für die letzte Debatte anfangen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch zwei Tage vor Weihnachten ist es eine Aufgabe, sich nach dieser mit Halbwahrheiten und reichlich beleidigenden Äußerungen gespickten Oppositionsinszenierung dem Thema mit der Sachlichkeit und Ruhe zu nähern, die es verdient.

Ich werde das trotzdem versuchen; denn das Thema ist in der Tat nicht dafür geeignet, so behandelt zu werden, wie insbesondere Sie, Herr Schäfer-Gümbel und Herr Kaufmann, das getan haben.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Judith Lannert und Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, nachdem der Verwaltungsgerichtshof am 4. Dezember 2009 den Verfahrensbeteiligten seine Urteilsbegründung zugestellt hat, wurde nach gründlicher Prüfung der Urteilsgründe in der vergange

nen Woche die Entscheidung getroffen, gegen dieses Urteil Revision einzulegen.

Diese Entscheidung war nicht einfach. Sie bedurfte sorgfältiger Prüfung des komplizierten juristischen Sachverhaltes. Diese war bei unserer letzten Debatte zu diesem Thema vor knapp zwei Wochen noch nicht abgeschlossen. Damals haben Sie sich auch beschwert. Jetzt ist sie das, und die Entscheidung wurde auch sofort offen kommuniziert – und nicht etwa in die Zeit geringerer öffentlicher Aufmerksamkeit zwischen den Jahren verschleppt,

(Zurufe der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

wie Sie von der Opposition das noch vor knapp zwei Wochen unterstellt haben.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt ist die Entscheidung gefallen, und jetzt beschweren Sie sich nicht nur in der Sache, sondern jetzt geht es Ihnen anscheinend wieder zu schnell.

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich fragen lassen, was Sie überhaupt wollen. Das ist leider nicht nur beim Flughafenausbau bei dieser Opposition weitgehend rätselhaft. – Ein Stück weit davon ausnehmen kann man die GRÜNEN, wie so oft. Bei Ihnen ist klar, es geht nicht um das Nachtflugverbot. Für Sie ist das nur ein Hilfsthema, um den Ausbau des Flughafens überhaupt weiter zu bekämpfen.

Spannender aber ist das bei der SPD. Sie erklären uns immer wieder, eigentlich wolle man den Ausbau – aber vor den notwendigen juristischen Fragen ducken Sie sich weg und verkleistern das noch mit Ihrem gestörten Verhältnis zu Rechtsfragen, das Sie gerne als „juristische Spitzfindigkeiten“ – heute Herr Schäfer-Gümbel als „juristische Ausflüchte“ – diskreditieren.

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, überlassen Sie dieses billige Niveau doch den GRÜNEN und Herrn Al-Wazir. Von der Klamaukpartei können wir schließlich nichts anderes erwarten. Von einer Partei mit der großen Tradition als Volkspartei erwarten wir mehr.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie versuchen hemmungslos, Ihre verlorenen Perspektiven auf Kosten von CDU und FDP wiederzugewinnen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei verkürzen Sie die Argumentation in unzulässiger Weise auf den Vorwurf eines angeblichen Wortbruchs, der durch die Einlegung der Revision belegt werde.

Diese Vorwürfe sind haltlos, wie jeder weiß, der sich mit diesem schwierigen Sachverhalt ernsthaft und vollständig auseinandersetzt.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind Sprechblasen!)

Tatsächlich ist – das wurde heute schon mehrfach gesagt – die Revision der einzige Weg, um dauerhaft und rechtssicher das Ziel des Flughafenausbaus mit dem Ziel des Schutzes der Menschen vor übermäßiger Belastung mit Fluglärm in Einklang zu bringen. Diese Revision ermög

licht es,die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsverfahrens zu überprüfen, das den Bürgern bereits vor der Wahl bekannt war – sogar schon vor den beiden letzten Landtagswahlen, die Sie den Bürgern unseres Landes in kurzer Abfolge geboten haben.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Planfeststellungsbehörde hat ihre Entscheidung zum Flughafenausbau und ihre vielfältigen Regelungen zum Schutz der Nachtruhe rechtzeitig vor der Wahl zum Hessischen Landtag getroffen. Wer CDU und FDP wählte, wusste, dass der Flughafenausbau mit einem weitgehenden, aber nicht totalen Nachtflugverbot kommt. Das stand seit der Unterzeichnung des Planfeststellungsbeschlusses am 18. Dezember 2007 fest, und damit rechtzeitig vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008

(Beifall bei der FDP und der CDU – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen es nicht!)

und erst recht vor der Landtagswahl nach dem gescheiterten rot-rot-grünen Experiment, nämlich der Landtagswahl am 18. Januar 2009, also vor gut elf Monaten.