Meine Damen und Herren, worum geht es? – Wir wollen, dass der Missbrauch bei Sammlungen bekämpft wird, um den vielen ehrenamtlichen Sammlern nicht das Geschäft zu verderben. Das ist der Kernansatz dieses Gesetzentwurfs, und der ist nicht zu kritisieren.
Herr Innenminister, deswegen verstehe ich nicht, dass Sie da, wo es Handlungsbedarf gibt, schlicht und ergreifend nicht handeln, und dort, wo Sie unsinnige Dinge regeln, bürokratische Monster schaffen. Insofern findet der Gesetzentwurf der GRÜNEN bei uns große Sympathie. Ein kleiner Hinweis: Sie haben gesagt, der Gesetzentwurf solle zum 31.12.2009 in Kraft treten. Das müsste man dann auf den 01.01.2010 abändern, weil das alte Gesetz noch gilt.Wenn ich mir die Koalitionsfraktionen anschaue – Herr Greilich genießt es förmlich, dass er diesen ablehnen will, aber da wird er wahrscheinlich keine große Aussicht auf Erfolg haben –, stelle ich fest: Richtig und gut bleibt er trotzdem. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Eines einmal vorneweg: Jeder mit Sinn und Verstand muss sich dagegen wehren, dass Bürgerinnen und Bürger unter Vortäuschung falscher Umstände dazu genötigt werden, für vermeintlich gute Zwecke zu spenden. Daran kann doch überhaupt kein Zweifel bestehen.
(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Da sind wir uns einig!)
Langsam. – Jetzt schauen wir uns einmal an, wie die Wirklichkeit aussieht, weil ich, mit Verlaub, den Eindruck habe, dass hier ein Bild gezeichnet wird, das mit der Wirklichkeit nahezu gar nichts mehr zu tun hat. Sie haben gefragt,ob wir das überprüft haben.– Ja,denn Sie haben den Gesetzesantrag gestellt; wir haben aber keinen Anlass gesehen, die Geltung des Gesetzes zu verlängern.Warum? – Herr Kollege Dr. Müller hat darauf hingewiesen,
dass wir alle anderen Bundesländer gefragt haben: Wie macht ihr das? Acht Bundesländer haben zum Großteil schon seit Jahren kein solches Gesetz – weil es erwiese
nermaßen nichts bringt.Welche Länder waren das? – Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, NordrheinWestfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Ich lese sie deshalb vor, weil sie in ihrer politischen Zusammensetzung so bunt sind, dass es offenkundig keine parteipolitische Fragestellung ist, sondern sie sind alle zu dem Ergebnis gekommen, dass man dieses Gesetz nicht braucht.Warum?
(Günter Rudolph (SPD): Wo hat die Evaluation stattgefunden? – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das böse Wort müssen Sie noch sagen!)
Ich spreche immer von Überprüfung. – Meine Damen und Herren, dies sage ich jetzt insbesondere für die Zuhörer:Wir kennen alle noch die Zeiten, als z. B. die Angehörigen der Bundeswehr für die Kriegsgräberfürsorge und etc. gesammelt haben; das ist keine Geschichte, die allein vor Ort gemacht wird, sondern bundesweit. Das ist auch vernünftig, und da kann man nur hoffen, dass viel in die Büchse kommt.
Die Wirklichkeit hat sich in den letzten Jahren komplett verändert. Was stand denn eigentlich im Sammlungsgesetz drin, weil Sie von Überprüfung sprechen? – Darin stand, dass man einen Antrag stellen – früher übrigens beim Regierungspräsidium – und sagen musste: Ich will für dies und jenes sammeln. – Dann haben die geschaut und gesagt: Das klingt ganz gut. – Wir sind nicht im rechtsfreien Raum, weil natürlich nach wie vor alle Strafvorschriften und auch die polizeirechtlichen Vorschriften gelten.
Meine Damen und Herren, was hat sich aber geändert? – Es wird so gut wie nichts mehr gesammelt, jedenfalls nicht in dem Bereich, der erlaubnispflichtig ist. Über 90 % aller Sammlungen sind nämlich nicht erlaubnispflichtig. Wenn Sie nichts zu genehmigen haben, brauchen Sie auch kein Gesetz. Warum ist das so? – Das ist deshalb so, weil sich die Welt, man mag es beklagen oder auch nicht, komplett verändert hat. Wissen Sie, was heute die Masse des Sammelns ist? – Das klassische Fundraising in der TV-Werbung, die Aktionen im Telefonmarketing und im Internet. Diese drei Bereiche sind es nahezu ausschließlich.
Wenn ich die Kriegsgräberfürsorge einmal weglasse, dann stelle ich fest: Man kann an der Hand abzählen, was es überhaupt noch an Sammlungen gibt. Diese Sammlungen sind natürlich nach den allgemeinen Vorschriften des Ordnungsrechts zulässig oder eben nicht. Wenn es dort Betrüger gibt, dann wollen wir nicht daran vorbeidiskutieren, dass niemand eine Tür aufmachen will, damit die betrügen können.Aber es war auch in der Vergangenheit so, dass wir nicht wussten, was die eigentlich mit ihrem Geld machen. Die haben nur einen Antrag gestellt und gesagt:Wir wollen es für gute Zwecke verwerten.
Heute sind wir viel weiter. Weil es bisher nicht erwähnt wurde und weil es mir wichtig ist, da es viele Tausend Menschen gibt, die gerade jetzt vor Weihnachten wieder zu Recht für alles Mögliche spenden, will ich darauf hinweisen, was es in Deutschland eigentlich gibt und was sich erprobt hat. Es gibt nämlich das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin. Das ist die Schlüsselstelle, wo man sich kostenlos darüber informieren kann, wer wo für was sammelt, in der Regel steuerbegünstigt.
Dieses vergibt ein entsprechendes Siegel. Das Siegel nennt sich das DZI-Spendensiegel. Dieses Siegel gibt es, wenn es eine wahre, eindeutige und sachliche Werbung ist – gerade jetzt vor Weihnachten –,wenn die Mittel sparsam
und satzungsgemäß verwandt werden, wenn eine eindeutige und nachvollziehbare Rechnungslegung erfolgt – das hatten wir im Sammlungsgesetz alles nicht drin –, wenn die Jahresrechnungen bei diesem Institut von jedem zur Prüfung vorgelegt werden, der sammeln will, und wenn die – das ist ganz wichtig – interne Überwachung des Leitungsgremiums durch ein unabhängiges Aufsichtsorgan erfolgt. Das sind zusätzliche Dinge, die es früher in keinem einzigen Sammlungsgesetz so komplett gegeben hat. Diese halte ich für sinnvoll.
Wenn Sie dann noch hinzunehmen, dass der Deutsche Spendenrat – ebenfalls eine hoch anerkannte Institution – auf allen Ebenen entsprechende Auskünfte erteilt, die man auch über das Internet bekommen kann,muss ich Ihnen, meine Damen und Herren, sagen, dass Herr Kollege Dr. Müller recht hat. Ein Gesetz einfach weiterlaufen zu lassen, das faktisch, weil es heute im Regelfall elektronisch geschieht,keine Bedeutung hat und mit dem Sie den Missbrauch nicht ernsthaft bekämpfen können – den Fall in Rheinland-Pfalz haben wir im Innenausschuss schon vor Jahren miteinander diskutiert –, lässt mich zu dem Ergebnis kommen, dass der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwar gut klingt, den Missbrauch aber nicht verhindert.
Ich werbe dafür, z. B. das Deutsche Zentralinstitut für Spenden und all das, was dort erarbeitet wurde, zu unterstützen. Das ist die richtige Adresse. Ich kann nur jeden dazu aufrufen, das zu unterstützen.Wir sollten die Bürgerinnen und Bürger auch nicht verunsichern.Denn ich sage auch einmal ganz deutlich: Wenn es in zehn Jahren einen vermeintlichen Fall des Missbrauchs gegeben hat, übrigens nicht einmal in unserem Land, sondern nebenan in Rheinland-Pfalz, der Fall fand gar nicht in Hessen statt – –
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit Sitz in Frankfurt, die haben einen Sitz in Frankfurt gehabt, Herr Minister!)
Machen wir einen Strich darunter. Wir sollten dankbar sein, wenn Menschen bereit sind, für mildtätige und für alle wünschenswerte Zwecke zu spenden. Wir sollten sie aber nicht verunsichern, und wir sollten nicht an einem Gesetz festhalten, das für die heutigen Verhältnisse einfach nicht mehr brauchbar ist. Deshalb bitte ich das Haus, diesem Gesetzentwurf nicht beizutreten. – Vielen Dank.
Wir sind damit am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sammlungsgesetzes.
Herr Präsident, wir haben eben gehört, dass das Gesetz zum 31.12. dieses Jahres ausläuft, sodass eine Änderung dieses Gesetzes praktisch nicht mehr möglich ist.Wir wür
den auch aufgrund der Diskussion,die wir hier geführt haben, darum bitten, dass wir jetzt über den Gesetzentwurf in erster Lesung nach § 14 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung abstimmen. Er läuft sonst ohnehin ins Leere. Das muss man sehen.
(Minister Volker Bouffier: Es stimmt schon, wenn es kein Gesetz mehr gibt, dann macht auch ein Än- derungsgesetz keinen Sinn!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Wintermeyer, wir widersprechen Ihrem Geschäftsordnungsvorschlag. Es ist übliches Verfahren im Hause, dass, wenn eine Fraktion einen Gesetzentwurf einbringt, wir ihn in einem parlamentarischen Verfahren im Ausschuss beraten. Dann kann man den Gesetzentwurf immer noch besser machen. Da sind wir gern für Vorschläge dankbar. Aber dass Sie hier sagen, Sie wollen mit Mehrheit ein normales parlamentarisches Verfahren unterbinden und keine sachgerechte Debatte im Ausschuss zulassen, ist schon ein sehr ungewöhnlicher Vorgang.Wir sehen dazu auch überhaupt keinen Anlass. Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Sie können das hier sicher mit Mehrheit beschließen. Aber wir appellieren auch an die Kolleginnen und Kollegen der Partei, die sich Liberale nennt, sich zu überlegen, ob das ein sinnvoller Umgang mit diesem Parlament ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, es bleibt bei den grundsätzlichen Feststellungen des Kollegen Wintermeyer, dass, wenn wir das normale Verfahren betreiben, dieser Gesetzentwurf zu einem Zeitpunkt beraten wird, zu dem das Ursprungsgesetz, das geändert werden soll, selbst nicht mehr existiert.
Ich würde vorschlagen, auch wenn es ein wenig aus dem Bauch heraus ist, um einen gewissen Kompromiss zu finden: Heute Abend tagt ohnehin der Innenausschuss. Herr Staatsminister, wenn wir den Gesetzentwurf heute Abend im Innenausschuss beraten, kommt die Beschlussempfehlung dazu noch in dieser Runde zurück. Vielleicht wird der Ausschuss in seiner Weisheit heute Abend feststellen, dass das Gesetz nach dem 31.12. nicht mehr existent sein wird. Dann können wir am Donnerstag damit umgehen. Das wäre ein Vorschlag, um eine gewisse Form des normalen parlamentarischen Verfahrens beizubehalten, trotz
Ganz kurz, Herr Präsident. Ich halte den Vorschlag, den der Kollege Blum gemacht hat, für sinnvoll. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die GRÜNEN es selbst beantragt hätten. Es ist im Hause aufgefallen, dass das Gesetz nach Ablauf von fünf Jahren im September nicht mehr in erster Lesung eingebracht worden ist.
Wir können das heute Abend im Innenausschuss miteinander zur Vorbereitung der zweiten Lesung beraten. Dann müssen wir am Donnerstag über diesen Gesetzentwurf abstimmen. Eine dritte Lesung können die GRÜNEN gerne beantragen. Aber dann beantragen sie eine Lesung für einen Gesetzentwurf, für den es kein Ursprungsgesetz mehr gibt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, wenn wir uns schon Spielregeln durch die Geschäftsordnung geben, dann sollten wir uns auch daran halten. Es war bisher guter Brauch, dass, wenn Fraktionen Gesetzentwürfe einreichen, diese vernünftig in den Ausschüssen beraten werden. Es bleibt der politischen Mehrheit unbenommen, sie abzulehnen. Das wissen wir selbst. Das machen Sie zur Genüge. Es ist im Grunde genommen egal, was Oppositionsfraktionen einreichen: Das lehnen Sie ab. Aber Sie sollten wenigstens eine gewisse Form wahren, und nicht sagen: „Mehrheit ist Wahrheit“. Herr Wintermeyer, Sie sollten nicht mit Geschäftsordnungstricks arbeiten. Wenn sich Fraktionen die Mühe machen, etwas vorzutragen, dann sollten Sie wenigstens die Beratungsfristen einhalten.
Sie wollen das Gesetz auslaufen lassen. Das ist der eine Punkt.Andere wollen etwas anderes.Da kommt es auf ein paar Tage nicht an. Selbst wenn ein Gesetz abgelaufen ist, kann man irgendwann wieder neue Gesetze in Kraft treten lassen.
Damit würde keine Verwaltung untergehen. Es ist fairer demokratischer Brauch. Deswegen können wir nur an Sie appellieren: Sie sollten gewisse Spielregeln einhalten, auch wenn Ihnen das ganz schwer fällt. Es tut uns gemeinsam in diesem Landtag gut. – Vielen Dank.