Protocol of the Session on September 15, 2009

Ich möchte aber auch hier in Hessen eine öffentliche Debatte über die Frage führen, wie mit Gendiagnosen umgegangen wird. Wir müssen über dieses Thema diskutieren, um eine hohe Sensibilität sowohl bei den Arbeitgebern – nicht nur den öffentlichen, sondern auch den privaten –

als auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu wecken.Das ist der zweite Wunsch,den ich mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs verbinde. Lassen Sie uns möglichst breit über die Vorteile, die Chancen und die Gefahren der Genomforschung diskutieren. Ich denke, das ist eine der Herausforderungen an die gesellschaftlichen Debatten in der Zukunft. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Danke sehr, Frau Schulz-Asche. – Als Nächster hat sich Herr Reißer für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Reißer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Gendiagnostikgesetz ist von großer Wichtigkeit. Bereits 2001 hat die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag die Vorlage eines Regierungsentwurfs gefordert. Beschlossen wurde er erst in diesem Jahr. Aber mir sei erlaubt, an der Stelle zu erwähnen, dass er ohne die GRÜNEN beschlossen wurde. Das ist ein Stück weit bedauernswert.

(Beifall bei der CDU)

Nach jahrelanger Debatte konnten von der Bundesregierung erstmals Rahmenbedingungen für die genetische Untersuchung am Menschen geschaffen werden. Es ist in dem Zusammenhang wichtig, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Unantastbarkeit der Würde des Menschen besonders geschützt wird.

Den genetisch normierten Menschen darf es niemals geben. Es geht weder die Arbeitgeber noch irgendwelche Lebensversicherungen – wen auch immer – etwas an, ob jemand einen genetischen Defekt hat und ob sich das auf seine Lebenserwartung auswirkt.Das muss geschützt werden.

Begrüßenswert ist es deswegen, dass wir die Möglichkeit der Beratung aufgenommen haben. Die Hessische Landesregierung wird für die öffentlichen Dienstverhältnisse genau solche Schutzregelungen schaffen, weil das sinnvoll ist.

(Beifall bei der CDU)

Daher ist der Gesetzentwurf,der Ihnen vorliegt,inhaltlich vom Prinzip her nicht zu kritisieren. Aber wir müssen sehen, dass wir das im Rahmen einer Vorschrift machen, um zwei Punkte zu kombinieren. Wenn wir das in das Hessische Beamtengesetz aufnähmen, könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – wenn man das so sagen darf –: Wir könnten den gesamten beamtenrechtlichen Bestandteil dort aufnehmen,und es bliebe uns erspart,ein weiteres Gesetz zu machen.

(Günter Rudolph (SPD): Große Dienstrechtsreform! Da kommt alles rein!)

Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir beim Bürokratieabbau ein Stück weiterkommen wollen. Das könnte an dieser Stelle gemacht werden. Das ist der Vorteil, den wir darin sehen, wenn wir das in das Hessische Beamtengesetz mit aufnehmen. Das ist vernünftig.

Wir, die CDU, erwarten, dass das im Ausschuss noch einmal fachlich besprochen wird. Aber das wäre die richtige Möglichkeit, auch unter dem Gesichtspunkt der Würdigung des Gesetzes. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Reißer. – Frau Faeser, ich darf Ihnen jetzt für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir begrüßen – wir haben es im Bundestag mit beschlossen – das Gendiagnostikgesetz. Wir wollen es heute von derselben Seite beleuchten, von der wir es auch im Juni-Plenum betrachtet haben, nämlich von der datenschutzrechtlichen Seite. Bereits damals haben wir darüber geredet – ich erinnere daran –, dass es sehr spektakuläre Fälle gab, z. B. bei Lidl oder der Deutschen Telekom. Aber man hätte es kaum für möglich gehalten – das ist das Erschütternde daran –, dass manche Arbeitgeber bei der Einstellung von Mitarbeitern und auch während deren Tätigkeit, angeblich zum Gesundheitsschutz, Gentests vorgenommen haben.

Deswegen sind wir der Meinung, dass gerade dieser Bereich reglementiert werden muss. Zum einen dient das dem Schutz des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz, zum anderen sollte es auch der Rechtssicherheit der Unternehmen dienen – damit appelliere ich an sie –, wenn sie wissen, was erlaubt ist und was nicht:Wann kann man solche Tests machen, wann darf man es überhaupt nicht?

Leider ist das aber auch bei denen, die in Führungspositionen gearbeitet haben,häufig gemacht worden,wobei es insbesondere um die Leistungsfähigkeit ging. Da tritt ein erschreckendes Bild der Menschheit zutage; Frau SchulzAsche hat es schon angesprochen. Wenn man bedenkt, dass dabei auch Wert darauf gelegt wurde, zu erkennen, unter welchen Krankheiten Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise leiden werden, wird einem klar,dass das dringend regelungsbedürftig ist.Es darf nicht sein, dass Arbeitgeber darauf Einfluss nehmen.

Wir haben in diesem Haus auch schon über Fälle diskutiert, die in Hessen passiert sind. Deswegen ist es sicherlich richtig,dass wir heute darüber sprechen.Wir sind jetzt in der Situation, dass durch das Gendiagnostikgesetz auf Bundesebene solchen Untersuchungen ein Riegel vorgeschoben worden ist. Der Deutsche Bundestag hat dieses Gesetz am 24. April dieses Jahres verabschiedet. Er hat insbesondere in den § 19 ff. einen umfangreichen Schutz der Arbeitnehmer vorgesehen.

Wie schon gesagt worden ist, zählt zu den Grundprinzipien des Gesetzes das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu gehören sowohl das Recht, die eigenen genetischen Befunde zu kennen – das ist das sogenannte Recht auf Wissen –, als auch das Recht, diese nicht zu kennen. Also auch das Recht auf Nichtwissen gehört dazu. Mit dem Gendiagnostikgesetz werden die Bereiche der medizinischen Versorgung und der Information über die Abstammung gegenüber den Bereichen des Arbeitslebens und der Versicherungen strikt abgegrenzt. Das ist sicher der richtige Weg.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Laut Arbeitsrecht sind nun genetische Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers grundsätzlich verboten. Auch darf der Arbeitgeber die Verwendung von Ergebnissen einer in einem anderen Zusammenhang vorgenommenen genetischen Untersuchung im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen nicht bzw. nur unter ganz eng gefassten Voraussetzungen zulassen. Erstmals gibt es – das betrifft alle Bereiche des Gendiagnostikgesetzes – einen Bußgeldkatalog, sodass Verstöße gegen das Gendiagnostikgesetz geahndet werden können. Ich glaube, das ist ein bedeutender Schritt, den wir alle hier begrüßen sollten.

Allerdings sagen wir, dass das Gendiagnostikgesetz, was den Arbeitnehmerschutz betrifft, immer noch nicht ausreicht. Wir wollen ein eigenständiges Arbeitnehmerschutzgesetz, das den Datenschutz zum Inhalt hat, und sind auch sehr zuversichtlich; denn unser Arbeitsminister Scholz hat vor wenigen Tagen verkündet, dass es ein solches Arbeitnehmerschutzgesetz geben wird.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wenn er es gesagt hat!)

Wir haben in § 22 Gendiagnostikgesetz eine Regelung – Frau Schulz-Asche hat sie angesprochen –, die den Schutz von Beamtinnen und Beamten auf Bundesebene betrifft.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Tatsächlich gibt es eine Regelungslücke, was die Bediensteten des Landes Hessens angeht. Wir müssen sicherlich etwas machen, und deswegen werden wir auch das Anliegen der GRÜNEN unterstützen. Das ist ein unterstützenswertes Anliegen. Allerdings ist nicht geklärt – damit bin ich beim Kollegen Reißer –, in welcher Form das erfolgen soll.

Auch wir sind nicht unbedingt der Auffassung, dass dies in einem eigenständigen Gesetz erfolgen muss.Wir könnten das auch im Rahmen der beamtenrechtlichen Regelungen in Hessen umsetzen. Wichtig ist, dass es geregelt ist. Ich glaube, darüber sind wir uns in diesem Haus einig. Wir können abwarten, welche Empfehlungen es in der Anhörung geben wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Faeser. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Dr. Blechschmidt zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Dr. Blechschmidt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vom ersten Redebeitrag an hatte ich das Gefühl – ab dem zweiten wurde es noch etwas deutlicher –, dass wir die Diskussion im Bundestag wiederholen. Das ist nicht der Fall, wie jetzt auch deutlich gemacht worden ist.

Wir hatten im Bundestag fünf Anläufe,um ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Wie es von den Vertretern der CDU bereits erwähnt worden ist, ging der erste Gesetzentwurf von der CDU aus. Das war in der 14. Legislaturperiode. Ein weiterer Gesetzentwurf folgte in der 15. Legislaturperiode. In der 16. Legislaturperiode brachten die GRÜNEN einen Gesetzentwurf mit ein, und dann gab es einen Referentenentwurf, der in das Gesetz selbst gemündet ist.

Wir werden die Diskussion, die im Bundestag mit all den Wenn und Aber geführt worden ist – die Wenn und Aber sind hier schon deutlich geworden –, hier nicht wiederholen können. Das müssen wir auch gar nicht.

Der Antrag, der hier eingebracht worden ist, betrifft vielmehr das Dienstrecht, und deshalb spreche ich für meine Fraktion anstelle des Kollegen Rentsch, der sich eigentlich mit dem Gendiagnostikgesetz zu beschäftigen hätte. Ich spreche für meine Fraktion, weil wir den 5. Abschnitt des Gendiagnostikgesetzes in einem hessischen Gesetz umsetzen müssen.

Wir brauchen nicht die Diskussion im Bundestag zu wiederholen,in der die Vertreter aller Fraktionen unisono gesagt haben, dass sie mit dem Gesetz, so, wie es verabschiedet wurde, nicht zufrieden sind und es für verbesserungswürdig halten. Die Kollegin Faeser hat das im letzten Beitrag deutlich gemacht.

Allerdings wurde das auch in der Diskussion der GRÜNEN deutlich, die das damals moniert haben. So hat die Bioethikexpertin der Bündnisgrünen,Priska Hinz,damals gesagt, das Gesetz sei ein Torso. Es fehlten Regelungen zur Forschung, und zudem sei der Arbeitnehmerschutz lückenhaft.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Warum die Regelungen dieses Gesetzes in ein Landesgesetz münden sollen, vermag ich nicht einzuschätzen.Aber damit bin ich wieder bei Ihnen; denn ich habe den anderen zugehört.Wir wollen das auch nicht, sondern wir wollen im Rahmen der Dienstrechtsreform oder im Rahmen einer weiter gehenden Beschäftigung damit diese Debatte hier führen, um das, was im Bundestag – auch nach Auffassung der GRÜNEN – falsch gelaufen ist, besser zu machen:Wir wollen den Arbeitnehmerschutz ausbauen.

Die Kollegin Faeser hat das deutlich gemacht; die CDU hat das deutlich gemacht. Dieser Auffassung schließt sich die FDP an. Die Diskussion im Bundestag werden wir nicht wiederholen. Wir werden uns auf das Dienstrecht und den Arbeitnehmerschutz konzentrieren. Ich freue mich auf eine rege Diskussion im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Blechschmidt, danke. – Für die Fraktion DIE LINKE darf ich Herrn Schaus das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass die Überschrift des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig ist. Sie lautet: „Schutz vor genetischen Diskriminierungen …“ Dass da zu schützen ist, ist, denke ich, uns allen klar. Es stellt sich somit nur die Frage, in welchem Umfang und vor allen Dingen auf welcher Grundlage dieser Schutz vor genetischer Diskriminierung vorgenommen werden kann.

Auf jeden Fall ist es doch so:Wenn man die Arbeitnehmer mit den Beamtinnen und Beamten vergleicht, dann muss man insbesondere das besondere Dienst- und Treueverhältnis berücksichtigen. Aufgrund dieses besonderen Dienst- und Treueverhältnisses sollte dieser Schutz bei

den Beamtinnen und Beamten in einem gewissen verstärkten Maß gegeben sein.

Ich stelle mir vor, dass es durchaus Dienstherren geben könnte,die diese Möglichkeiten nutzen,wenn es um einen Wechsel in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geht. Dann könnte die Frage nach dem Gesundheitszustand und nach der entsprechenden Prognose durchaus in die Überlegungen einbezogen werden. Da kann ein stärkeres Verlangen danach gegeben sein, als dies im klassischen Fall der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Fall ist.

Die Fragestellung, inwieweit Einfluss auf medizinische oder psychologische Gutachten usw. genommen wird, ist im politischen und gesellschaftlichen Raum sowieso gegeben. Das muss natürlich durchaus auch im Zusammenhang gesehen werden.

Nun stellt sich die Frage,wie dieser Schutz vor genetischer Diskriminierung erreicht werden kann. Da ist es natürlich richtig, auf die vorgesehene Dienstrechtsreform zu verweisen. Wir erleben mittlerweile allerdings, dass bei allen Fragen auf die Dienstrechtsreform verwiesen wird.Das ist durchaus ein richtiger Ansatz.

Wir, die Mitglieder der LINKEN, sind jedoch persönlich der Meinung, dass es durchaus sinnvoll ist, dieses gesetzliche Neuland möglichst zügig und schnell zu betreten und das in der Art und Weise umzusetzen,wie das auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geregelt ist. Da sind wir auf der Seite der GRÜNEN und denken,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr gut!)

es muss nicht alles im Rahmen einer überfrachteten Dienstrechtsreform erfolgen, von der niemand weiß, zu welchem Zeitpunkt sie tatsächlich verwirklicht werden wird.Wir sind durchaus der Meinung, dass dies ein Thema ist,das in der Form geregelt werden könnte,wie es der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorsieht. Das würde dann in der gleichen Art geregelt.