Protocol of the Session on July 8, 2009

Mehr Fraktionen haben wir nicht.– Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Wagner, es ist in der Tat so, dass es im Juli auch noch abends um 21 Uhr hell ist.Von daher glaube ich, dass die Diskussion über diesen Antrag auch morgen bei Tageslicht stattfinden wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Volker Hoff (CDU): Darüber können wir abstimmen!)

Es gibt keinen Grund – ich habe auch an dieser Stelle nichts gehört –, über diesen Antrag nach dem Setzpunkt Ihrer Fraktion zu diskutieren.

Erstens haben wir an dieser Stelle noch mehrere Gesetzeslesungen auf der Agenda. Es ist eben auch die Aufgabe des Landtags, sich mit Gesetzentwürfen zu befassen und Gesetze zu beschließen.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist eine abenteuerliche Begründung!)

Von daher sollten wir zunächst einmal dieser Aufgabe nachkommen.

Ihr Antrag wird debattiert wie alle anderen Anträge auch. Er ist auf die Tagesordnung gesetzt worden wie alle anderen Anträge auch. Es ist kein einziges vernünftiges Argument genannt worden, warum jetzt über diesen Antrag debattiert werden muss. Morgen Abend ist es noch hell. Morgen Abend tagt dieser Hessische Landtag immer noch öffentlich. Es wird auch morgen Abend keine Geheimsitzung geben. Morgen Abend haben alle die Möglichkeit, sich die Argumente für und gegen eine IBA anzuhören. Bei einem so großen Projekt mit einer solchen Bedeutung, wie sie diesem Projekt von Ihrer Seite beigemessen wird, mit einem solchen Volumen und vor allem mit einem solchen Zeithorizont, angelegt auf über ein Jahrzehnt, ist es unschädlich,

(Günter Rudolph (SPD): Keine Inhalte, zur Geschäftsordnung!)

wenn wir nicht heute, sondern erst morgen darüber diskutieren. Es wird der IBA und der Entscheidungsfindung in diesem Haus keinen Abbruch tun,und so werden wir auch beschließen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Blum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von der SPD-Fraktion ist ein Antrag zur Änderung der Tagesordnung gestellt worden,nämlich dass Tagesordnungspunkt 82 nach Tagesordnungspunkt 53 aufgerufen werden soll. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE.Wer ist dagegen? – Die Fraktionen der CDU und der FDP. Damit abgelehnt, damit bleibt es bei Tagesordnungspunkt 82 in verbundener Debatte mit der Beschlussempfehlung.

Dann darf ich, wie verabredet, Tagesordnungspunkt 53 aufrufen:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend ideologische Politik und Beratungsresistenz der Landesregierung – Drucks. 18/862 –

Zu Wort gemeldet hat sich der Fraktionsvorsitzende, Herr Kollege Al-Wazir. Die Redezeit ist zehn Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor etwas über einem Jahr ist dieser neue Plenarsaal

des Hessischen Landtags seiner Bestimmung übergeben worden. Es war viel vom neuen Landtag die Rede. Das hatte nicht nur etwas mit dem neuen Gebäude zu tun,sondern auch mit einem neuen Stil,den sich damals jedenfalls alle versprochen hatten. Wir wissen, dass das auch etwas damit zu tun hatte,dass in dieser Situation keine Koalition eine Mehrheit hatte.Aber ich will noch einmal sagen:Was war eigentlich der neue Landtag? – Vier Prinzipien:

Erstens. Der eine hört dem anderen zu.

(Axel Wintermeyer (CDU): Dafür sind Sie das beste Beispiel!)

Zweitens. Herr Wintermeyer, es wird nicht mehr ständig dazwischengeplärrt.

(Axel Wintermeyer (CDU): Dafür sind Sie auch bestes Beispiel! – Wolfgang Greilich (FDP): Herr Al-Wazir, wen sprechen Sie da an, Herrn Wagner?)

Drittens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wurde damals noch von allen unglaublich gelobt: Über die eigene Positionierung sollte nicht mehr die Frage entscheiden, wer einen Antrag einbringt, sondern was drinsteht. Dazu gehört logischerweise auch, dass man Anträge und Gesetzentwürfe liest, bevor man ihnen zustimmt oder sie ablehnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das einmal so sagen darf: Brutalstmögliches Aufeinander-Eindreschen sollte nicht mehr stattfinden. So war das vor etwas über einem Jahr im sogenannten neuen Landtag.

(Petra Fuhrmann (SPD): Da hatten wir auch andere Mehrheitsverhältnisse!)

Wir hatten am 18.Januar dieses Jahres eine Landtagswahl. Wir haben am 5.Februar den neu gewählten Landtag konstituiert und gleichzeitig eine alte Regierung im Amt bestätigt. Wir müssen feststellen: Das erste Halbjahr ist herum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wieder so wie vor 2008. Es ist so, als hätte es das, was wir uns im letzten Jahr vorgenommen haben, nie gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es wird nicht mehr zugehört. Die Grundhaltung der Mehrheit ist: „Mehrheit ist Wahrheit.“

(Axel Wintermeyer (CDU): Es kommt immer darauf an, was man sagt!)

Die Vorschläge der Opposition hält die Mehrheit aus Prinzip erst einmal für Quatsch, völlig egal, was darin steht. In den Ausschüssen wird fast immer die vorher festgelegte Linie durchgezogen, unabhängig von der Diskussion im Ausschuss und meistens auch völlig unabhängig davon,was Expertinnen und Experten von außen,also die Anzuhörenden, dazu zu sagen haben. Bei den Reden und den Presseerklärungen der Mehrheit hat man manchmal das Gefühl – ich sage Ihnen ganz ehrlich,unser letzter Anlass, dass wir diesen Antrag eingebracht und zum Setzpunkt gemacht haben,war die Rede des Kollegen Irmer in der letzten Plenarsitzung –,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wo ist er eigentlich?)

dass sich die Mehrheit wieder so verhält,als würde sie sich fast den Kalten Krieg zurückwünschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Schwach, schwach!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen auch sagen, woran sich das festmacht. Sie sitzen wieder in Ihrem ideologischen Bunker. Ich will Ihnen an ein paar Beispielen die Frage stellen, wer oder was außer ideologischer Verbohrtheit Sie zu folgenden Entscheidungen gezwungen hat.

Ich frage Sie: Wer oder was hat Sie dazu gezwungen, die Neugründung von integrierten Gesamtschulen zu erschweren, obwohl alle – ich wiederhole: alle –, von den Kommunen bis zur Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, gesagt haben, wir haben eine gute Regelung?

Ich frage Sie: Wer oder was hat Sie dazu gezwungen, die Aussetzung der Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertagesstätten auf Seite 3 einer Presseerklärung zu verstecken, statt hier eine Debatte über diese Frage zu führen? Wir sind auch zu konstruktiven Diskussionen über Kommunen und deren Belastungen bereit, wir sind zu konstruktiven Diskussionen über den Erziehernotstand bereit. Wer oder was zwingt Sie, so etwas klammheimlich einzukassieren, ohne jede öffentliche Debatte?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich frage Sie, und ich frage auch die Vertreter des Wirtschaftsministeriums sehr ernsthaft: In Zeiten wie diesen, wie immer so schön gesagt wird, haben wir eine Rekordverschuldung.Wir haben im Laufe dieses ersten Halbjahres Geld ausgegeben wie noch nie in der Geschichte des Landes Hessen. Warum muss man in Zeiten wie diesen, wo jeder, der papp sagt, noch Geld bekommt und das Ganze keynesianisch begründet wird, aus ideologischen Gründen die Entwicklungszusammenarbeit des Landes Hessen um 50.000 c kürzen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Erklären Sie es einmal. Es ist die alte Haltung: Wer nicht zu unseren Unterstützerinnen und Unterstützern gehört, wer nicht automatisch als zugehörig empfunden wird, ist auf der anderen Seite, ist sozusagen der Feind, mit dem man nichts mehr zu tun haben will und den man im Zweifel auch rasieren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle Ihnen die Frage: Die Geschäftsordnungsdebatte, die wir gerade hatten, war sozusagen die Bestätigung dieses Tagesordnungspunktes. Wir haben im letzten Jahr interfraktionell eine Debatte über eine Internationale Bauausstellung angefangen, jenseits aller Parteigrenzen, auch jenseits der Zuständigkeiten. Wir haben die Kommunen eingebunden, wir haben eine Lenkungsgruppe eingerichtet, wir haben Ergebnisse vorgestellt. Was, um Gottes willen, zwingt Sie dazu, morgens in den Fraktionssitzungen der Koalitionsfraktionen das Ding zu killen – anders kann man es nicht ausdrücken –, das direkt in den Ausschuss zu geben und dann noch nicht einmal die Traute zu haben, tagsüber im Hessischen Landtag darüber zu diskutieren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Florian Rentsch (FDP): Was habt ihr gegen abends? Einen Kaffee können wir gern ausgeben!)

Ich frage Sie:Wer oder was außer ideologischer Rechthaberei zwingt Sie dazu, eine gut funktionierende Härtefall

kommission, in der die Zivilgesellschaft eingebunden ist und die sich in keinem Fall so verhalten hat, dass jetzt völlig absurde Sachen beschlossen würden, vor den Kopf zu stoßen und dieses Gesetz wieder zu ändern?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich frage auch die Mehrheitsfraktionen – Stichwort: ideologische Prinzipienreiterei –, warum sie noch nicht einmal die Fähigkeit besitzen, einen gemeinsamen Antrag zur besseren Unterstützung für Opfer der SED-Diktatur gemeinsam mit uns zu beschließen, nur weil die Linkspartei aus Versehen irgendwie auch dieser Auffassung ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht aus Versehen!)

Nicht aus Versehen,bitte sehr.– Es ist doch eine absurde Geschichte, dass wir es nicht mehr schaffen, in einem Punkt, wo sich alle einig sind, hier gemeinsame Anträge einzubringen. Das kann doch nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Immer mehr Menschen haben das satt.

(Florian Rentsch (FDP) und Axel Wintermeyer (CDU): Na ja!)