(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das ist unglaublich! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er belastet die Atmosphäre! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kochs Versuch, sich durch die Vermittlerrolle im interreligiösen Dialog von früheren „schmutzigen Wahlkämpfen reinzuwaschen“...
(Demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)
Meine Damen und Herren, es wird deutlich, dass Herr Kermani den interreligiösen Dialog nicht sucht. Ihr Beifall nährt in mir den Verdacht – das wollte ich zum Schluss sagen –, dass Sie die ganze Angelegenheit parteipolitisch instrumentalisieren wollen und dass es Ihnen nicht um die wechselseitige Toleranz geht.
Jedenfalls sagt Herr Kermani, das sei „gründlich in die Hose gegangen“. Herr Kermani fährt fort, wenn er sich über etwas freue, dann höchstens darüber, „dass da eine Maske gefallen ist“. – Bitte Beifall, meine Damen und Herren.
Kermani sagt weiter, bei dem Konflikt handele es sich um einen politischen Fall. Für einen säkularen Staat sei es „nicht hinnehmbar,dass ein Ministerpräsident auf Anweisung eines Kardinals so handelt“.
Meine Damen und Herren, das ist keine Sprache des Friedens. Auch das müssen wir in aller Deutlichkeit und mit allem Selbstbewusstsein feststellen.
Zwischenzeitlich hat sich Herr Kermani für ein privates Gespräch zur Verfügung gestellt. Er fügt hinzu, das Kuratorium mit Ministerpräsident Koch an der Spitze irre allerdings, wenn es meine, den Streit auf eine Meinungsverschiedenheit unter den nominierten Preisträgern reduzieren zu können.
Damit beschließe ich meine Ausführungen. Ich hätte gern noch einiges zur wechselseitigen Toleranz und auch zur Vergewisserung des eigenen Standorts gesagt. Das muss ich mir und Ihnen jetzt leider schenken.
Ich halte die Entscheidung des Kuratoriums,ein Gespräch zwischen den vorgeschlagenen Preisträgern zu organisieren, für richtig, trotz aller – wie ich finde: polemischen und ungerechtfertigten – Angriffe gegen das Kuratorium und den Hessischen Ministerpräsidenten an seiner Spitze. – Vielen Dank.
Herr Kollege Dr.Wagner, wenn Sie hier von religiöser Toleranz sprechen und davon, dass man der Religion des anderen Respekt zollen soll, muss ich sagen: Es spricht Bände, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, das Wort „Islam“ so zu betonen, wie es sich gehört.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Das ist eine intellektuelle Glanzleistung! Das war Ihre einzige „Sorge“! – Peter Beuth (CDU): Nomen est omen!)
Herr Dr.Wagner, eigentlich habe ich mich aber gemeldet, weil es vielleicht nachvollziehbar ist, dass sich die beiden Vertreter der christlichen Kirchen durch den Artikel von Herrn Kermani persönlich verletzt gefühlt haben, da sie – das ist meine Meinung – den Artikel falsch verstanden haben. Sie haben eine andere Meinung.
Es geht hier aber um eine freie Meinungsäußerung von Herrn Kermani und um unsere Bewertung. Der Skandal, um den es hier geht, ist nicht, dass sich die Vertreter der christlichen Kirchen verletzt gefühlt haben, sondern der Skandal besteht darin, dass das Kuratorium mit Roland Koch an der Spitze diese Verletztheit einer neutralen Betrachtung des ganzen Sachverhalts vorgezogen hat.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich streite mich mit Frau Sorge nicht darüber, ob das Wort „Islam“ auf der ersten oder auf der zweiten Silbe betont wird. Das ist nicht das Niveau dieser Debatte. Das ist auch kein Argument, um unterschiedliche Meinungen zu begründen.
Frau Kollegin Sorge,Sie haben sich auf den Grundsatz der freien Meinungsäußerung berufen. Das ist richtig; in diesem Staat darf man zum Glück alles sagen, was man sagen will. Es gibt nur wenige Ausnahmen strafrechtlicher Art; die lasse ich aber weg. Das soll so sein. Herr Kermani hat in diesem Staat ausdrücklich das Recht, das zu sagen, was er gesagt hat.
Aber,Frau Sorge,das ist nicht das Thema.Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass er in einem Aufsatz, der in sich nicht völlig konsequent aufgebaut ist, zwar versöhnliche Töne angeschlagen, den Christen aber auch unterstellt hat, dass im Zentrum des christlichen Glaubens eine Gotteslästerung stehe. Das Thema ist, dass dann Christen sagen: Ich fühle mich im Zentrum meines Glaubens verletzt.
Stellen Sie sich einmal vor, ein prominenter Christ würde dem muslimischen Glauben, dem Islam, unterstellen,
er sei in einem zentralen Anliegen gotteslästerlich. Stellen Sie sich die weltweiten Reaktionen darauf vor.Die will ich mir nicht ausmalen.
Deshalb bitte ich Sie:Kehren Sie zu einem Diskussionsstil der Nachdenklichkeit und der Sensibilität zurück, und nehmen Sie mit Ihren pauschalen Begriffen keine Verurteilungen vor.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wagner, nach dieser Rede habe ich wirklich den Eindruck, Sie haben den Artikel nicht verstehen und seine Aussage sowie seine Herleitung nicht nachvollziehen können.
Nach vier Monaten schwarz-gelber Regierung hat sich das Bild einer Pleiten-, Pech- und Pannenregierung langsam verfestigt. Eine Peinlichkeit folgt auf die andere. Ein Minister übertrifft einen anderen dabei.
Aber ich muss sagen, der Streit um die Vergabe des Hessischen Kulturpreises hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt.
Die Verleihung sollte in diesem Jahr unter das Motto „Interreligiöse Toleranz“ gestellt werden.Aufgrund mangelnder Toleranz der Landesregierung ist das leider gründlich schiefgegangen.
Vertreter unterschiedlicher Religionen, die sich um den interreligiösen Dialog verdient gemacht haben, sollten ausgezeichnet werden, darunter – das wurde schon gesagt – Kardinal Karl Lehmann und der frühere evangelische Kirchenpräsident Peter Steinacker als Vertreter der christlichen Kirchen, Salomon Korn als Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und der schon genannte Islamwissenschaftler Fuat Sezgin als Vertreter der Muslime. Nachdem Letzterer mit der Begründung, sein Mitpreisträger Salomon Korn befürworte die Militäraktion Israels in Gaza, seine Teilnahme zurückgezogen hatte, wurde die Auszeichnung dem muslimischen Schriftsteller Navid Kermani angetragen. Kurze Zeit später wurde sie ihm aber wieder aberkannt.
Ausschlaggebend dafür war, dass sich die christlichen Preisträger Lehmann und Steinacker kritisch zu Navid Kermani geäußert hatten. Sie nahmen Anstoß an dem schon genannten Artikel Kermanis über ein Kreuzigungsgemälde von Reni, in dem er sich in der Tat an einigen Stellen ablehnend über das Kreuz geäußert hat – was aber für einen Nichtchristen nicht völlig verwunderlich ist.
Kardinal Lehmann schrieb daraufhin einen Brief an den Hessischen Ministerpräsidenten, in dem er darlegte, dass er den Preis unter diesen Umständen nicht in Empfang nehmen könne. In dem Brief zweifelt Kardinal Lehmann darüber hinaus die Preiswürdigkeit Kermanis an,auch mit dem Verweis auf dessen „jugendliches Alter“ von 41 Jahren.
Das ist wirklich schön; ich bin so alt wie der Hessische Kulturpreis. – Aber man muss in Bezug auf Kardinal Lehmann sagen: Leider ist Alter kein Garant für Weisheit, und es schützt auch nicht vor Irrtum.
Denn, wie es häufig bei der Verständigung oder Nichtverständigung der Religionen und der Kulturen in der Vergangenheit der Fall war, das Problem besteht darin, dass die pikierten Leser den Text nicht vollständig, eingehend oder aufmerksam genug gelesen oder aber ihn nicht verstanden haben. Sie stoßen sich an einzelnen Textstellen, die im vollständigen Kontext einen ganz anderen Sinn ergeben, nämlich wie das auch in vielen Zeitungen geschrieben wurde, ein Zugehen Kermanis auf das Christentum. Das ist ein bemerkenswerter Schritt eines Muslims. Dieses Missverständnis auszuräumen, die Teilnehmer des interreligiösen Dialogs an einen Tisch zu bekommen und schließlich auf dasselbe Podium zu bringen, das wäre die Aufgabe des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei gewesen.
Wenn Kardinal Lehmann, wie er selbst beteuert, nicht auf einen Ausschluss Kermanis aus war, sondern seinen eigenen Rücktritt erwogen hat, dann wäre es doch die Aufgabe des Ministerpräsidenten gewesen, zunächst einmal den Artikel selbst vollständig zu lesen, ihn zu verstehen und den Kardinal dann davon zu überzeugen, dass er diesen Preis gemeinsam mit Navid Kermani annehmen soll.
Stattdessen ist allerdings Folgendes geschehen: Der Eindruck von Kardinal Lehmann wurde unhinterfragt übernommen. Der Vertreter der Muslime wurde kurzerhand von der Liste gestrichen, ohne ihn für würdig zu befinden, ihn rechtzeitig und termingerecht darüber in Kenntnis zu setzen. Das i-Tüpfelchen ist, dass die Hessische Staatskanzlei nach der Aberkennung des Preises ein klärendes gemeinsames Gespräch der Vertreter der vier Religionsgemeinschaften vorschlägt. Das noch vorzuschlagen, ist doch wirklich das i-Tüpfelchen, nachdem Sie für jeden erkennbar und für jeden sichtbar Position bezogen hatten.