Fast jede fünfte Person (19,8 %) in Deutschland fühlte sich 2011 nach eigener Einschätzung durch ihre monatlichen Wohnkosten wirtschaftlich stark belastet. Unter der von Armut betroffenen Bevölkerung traf das mit 33 % sogar auf jede dritte Person zu. …
Der Anteil am verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen, den Menschen für Wohnkosten aufwenden mussten, lag 2011 bei durchschnittlich 28,3 %, bei armutsgefährdeten Personen sogar bei 50 %. Am stärksten betroffen waren armutsgefährdete Alleinlebende (57,1 %) sowie armutsgefährdete Menschen in Haushalten von Alleinerziehenden (52,3 %).
Das, was das Statistische Bundesamt hier aktuell zusammengetragen hat, belegt doch sehr eindeutig, dass es notwendig ist, bei den Mietpreisen einzugreifen, und zwar mit einer Mietpreisbremse, die mehr als das bietet, was die Bundesregierung und das Bundesparlament zum 1. März dieses Jahres geschaffen haben. Sie lässt zu, dass bei Wohnungen in Regionen wie im Rhein-Main-Gebiet, in dem Wohnungsnot und ein Mangel an preiswerten Wohnungen herrschen, statt 20 % Mieterhöhungen in drei Jahren nur noch Mieterhöhungen um 15 % vorgenommen werden dürfen.
Wir sind sehr dafür, dass die Landesregierung endlich ihre Möglichkeiten nutzt, um tatsächlich zu einer Reduzierung zu kommen. Aber eine Mietpreisbremse im Sinne derjenigen, die sie brauchen, ist das nicht.
Lassen Sie mich noch zwei Zahlen nennen. Man kann die Steigerung der Lebenshaltungskosten denen der Mietkosten insbesondere für das Rhein-Main-Gebiet gegenüberstellen. Wir können dann feststellen, dass nach einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Lebenshaltungskosten im Rhein-Main-Gebiet um 1,9 % gestiegen sind, die Mietkosten aber um 4,7 %. Die Mieten steigen in den Regionen, in denen es nicht genug bezahlbaren Wohnraum gibt, also etwa um das Zweieinhalbfache gegenüber der Preissteigerungsrate.
Dass es nicht genug bezahlbaren Wohnraum gibt, hat eine Ursache. Die Ursache besteht darin, dass die Landesregierungen der letzten 20 Jahre hinsichtlich des sozialen Wohnungsbaus nicht darauf gesetzt haben, den Bestand zu erhalten. 1991 gab es in Hessen noch 206.000 Sozialwohnungen. Das ist mittlerweile auf 123.000 Sozialwohnungen zurückgefahren worden. Im Durchschnitt bedeutet das eine jährliche Reduzierung beim sozialen Wohnungsbau um 3.200 Wohneinheiten.
Das haben alle zu verantworten, auch die Kommunen. Vor allen Dingen haben es aber das Land und die Landesregierung zu verantworten, die noch nicht einmal die Fördermittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in den letzten Jahren da hineingesteckt hat. Stattdessen haben Sie sogar noch die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft, mit der jährlich 18 Millionen € bis 20 Millionen € zusätzlich für den Wohnungsbau zur Verfügung gestanden hätten.
Nun muss man natürlich Folgendes sagen: Das Notprogramm, das die Landesregierung auf dem Höhepunkt der Diskussion in der Öffentlichkeit aufgelegt hat, das vorsieht, dass lediglich 200 Wohnungen zusätzlich pro Jahr gebaut werden sollen, obwohl 3.200 Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, und mit dem 5 Millionen € pro Jahr für den Ankauf der Belegungsbindungen vorgesehen werden sollen, ist eine Notmaßnahme, die nicht greifen und nicht wirken wird.
Lassen Sie mich das noch einmal sagen. Denn, Herr Minister, Sie werden mit Sicherheit etwas dazu sagen und das preisen. Was hinsichtlich des Ankaufs der Belegungsbindungen derzeit passiert, stellt eine Verdummung der Bevölkerung dar. Denn die Belegungsbindungen werden an öffentliche Wohnungsbaugesellschaften verkauft, die ihren alten Baubestand damit versilbern.
Ich kann deren Position verstehen. Sie nutzen das Gesetz. Aber damit werden preiswerte Wohnungen im öffentlichen Bestand jetzt auch noch mit 5 Millionen € subventioniert. Das ist gut für die Wohnungsbaugesellschaften. Herr Lenders, das ist aber kein Wohnungsbauprogramm, mit dem eine einzige Sozialwohnung oder preiswerte Wohnung geschaffen wird. Von der linken Tasche in die rechte Tasche, das ist Ihre Politik. Das ist keine Wohnungsbaupolitik.
Herr Minister, Sie sind Wirtschaftsminister, und Sie sind Verkehrsminister. Diese Positionen füllen Sie immer aus. Aber Wohnungsbauminister sind Sie noch nie gewesen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat für heute eine Aktuelle Stunde zu der Situation der Mieterinnen und Mieter in unserem Land beantragt. Ich finde es gut, dass Sie das Thema aufgreifen. Ich wundere mich allerdings, dass Ihr Spitzenkandidat, Herr SchäferGümbel, bei dem Punkt, den Sie selbst aufgerufen haben und den Sie für wichtig halten, der Debatte heute wiederum nicht folgt. Gestern war es bei der Debatte um den Finanzplatz genauso.
Jeder muss seine Schwerpunkte selbst setzen. Uns ist jedenfalls die Situation der Mieterinnen und Mieter in unserem Land wichtig. Deswegen haben wir ein großes Programm geschaffen, um die Lage der Mieterinnen und Mieter zu verbessern.
Wir haben in Hessen die Situation, dass sich 95 % des Bestands der Wohnungen in privatem Eigentum befinden. Das heißt, sie gehören Privatpersonen oder privaten Wohnungsbaugesellschaften. Wir sind denjenigen dankbar, die in unserem Land investiert haben, sei es, dass sie die Wohnung selbst nutzen, sei es, dass sie investiert haben, um Wohnungen zu vermieten. Wir meinen, dass das eine gute Entscheidung ist und dass das wichtig ist.
Wir wissen aber auch, dass der aktuelle Wohnungsmarkt in Hessen sehr unterschiedlich ist. Wir haben Gebiete in Hessen, in denen die Vermieter nicht mehr in der Lage sind, faire und auskömmliche Mietpreise zu erzielen. Wir haben aber auf der anderen Seite insbesondere in den Ballungsräumen die Situation, dass es Engpässe gibt, die dazu geführt haben, dass es dort Mieterhöhungen in teilweise beachtlichem Umfang gibt. Aber das bezieht sich sehr auf den Ballungsraum, und dort wiederum auf bestimmte Stadtteile.
Deswegen müssen wir eine passgenaue Politik machen. Unser Anspruch ist es natürlich, eine Politik zu machen, damit alle Menschen in Hessen zu angemessenen Bedingungen in angemessenen Räumen leben können.
beispielsweise die Einführung einer zusätzlichen Wasserabgabe, wenn Sie weiterhin sagen, das EEG könne nicht reformiert werden, und damit die Strompreise weiter steigen, wenn Sie eine Vermögensabgabe planen, eine Vermögensteuer – die die Wohnungseigentümer natürlich dann auf die Mieten umlegen werden –, dann betreiben Sie Mietpreistreiberei. Das lehnen wir ab. Die Mieterinnen und Mieter in unserem Land haben es nicht verdient, dass die Kosten weiter erhöht werden mit der Konsequenz, dass Mietpreise steigen. Das wäre das Falsche.
Wir haben ein Programm aufgelegt, das die zugespitzte Situation im Ballungsraum genau aufnimmt. Dadurch werden in erheblichem Maße zusätzliche Investitionen durchgeführt. Unsere Idee ist es immer, dass wir versuchen, mit 1 € öffentlichem Geld möglichst viele private Euros zu aktivieren, die in den Wohnungsbau hineinfließen.
Das ist die intelligenteste Lösung, mit öffentlichem Geld umzugehen. Denn der Staat kann nicht alleine die Wohnungen bauen – dann könnten wir mit denselben Mitteln nur einen Bruchteil an Wohnungen bauen. Stattdessen gehen wir so vor, dass wir Anreizsysteme schaffen, etwa zinsverbilligte Darlehen, um z. B. öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten.
Herr Kollege Lenders hat darauf hingewiesen: Von der WIBank haben wir erfahren, dass die Programme, die wir aufgelegt haben, bislang keineswegs ausgeschöpft sind. Es liegt also nicht daran, dass diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen nicht die notwendigen Mittel bereitstellen, sondern die Töpfe sind voll. Es wird investiert. Der Kollege Lenders hat schon darauf hingewiesen: Natürlich haben wir im Ballungsraum in den letzten 20, 30 Jahren viel zu wenig Bauland ausgewiesen. Das hat zu einer Verknappung und zu einer Verteuerung geführt. Auch an dieser Stellschraube muss natürlich gedreht werden. Allerdings ist das primär eine kommunale Aufgabe. Aber auch hier haben die Handelnden vor Ort die Zeichen der Zeit erkannt und gehen engagiert vor.
Meine Damen und Herren, alles in allem kann man sagen: Die Wohnraumversorgung in Hessen ist gut. Dort, wo etwas getan werden muss, engagieren wir uns und tun etwas, um die Situation für die Mieterinnen und Mieter weiter zu verbessern. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lenders, von Ihrem Wortbeitrag eben war ich ein wenig überrascht,
Wenn ich mich richtig erinnere, ist es ziemlich genau vier Monate her, da hat der Herr Ministerpräsident höchstpersönlich bei Frau Illner auf dem Sessel gesessen und über die Entwicklung der Mietpreise in Deutschland diskutiert. Da hat er verkündet, er wolle Mieter beim Abschluss eines neuen Mietvertrags vor überhöhten Mieten schützen,
und er werde auch die Möglichkeiten zum Schutz von Bestandsmieten in seinem Land einsetzen. Damit meinte er nichts anderes als die Mietpreisbremse, über die wir heute diskutieren.
Herr Ministerpräsident, um das klar zu sagen: Ja, wir müssen die seit Mai bestehenden Möglichkeiten nutzen und die Mieterhöhungen bei Bestandsmieten in Gebieten mit Wohnungsnot auf maximal 15 % in drei Jahren begrenzen. Und ja, gerade bei den Neuvermietungen besteht höchster Handlungsdruck. Das haben Sie bei Frau Illner übrigens, ich darf das zitieren, „bedrückend“ genannt. Aber außer diesen salbungsvollen Worten ist seitdem in Hessen in Sachen Mietpreisbremse leider nichts passiert.
Das hat einen ganz einfachen Grund: Die CDU lässt sich zum ich-weiß-nicht-wievielten Male am wohnungspolitischen Gängelband der FDP durch die Arena führen.