Protocol of the Session on May 23, 2013

Ich bedauere außerordentlich, dass das zum Thema der Aktuellen Stunde gewählt wurde; denn wir werten damit etwas auf, was selbst vom Programm und von den aktuellen Äußerungen nicht gehalten wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich arbeite daran – wir alle sollten daran arbeiten, denn wir stehen in einem Wettbewerb –, dass der einzige Abgeordnete der AfD in einem Parlament nicht nur der erste, sondern auch der letzte Abgeordnete der AfD ist. Europa hat den Umgang mit dem Thema Währung, wie ihn der AfD betreibt, wirklich nicht verdient.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bravo!)

Ich danke für die Bravorufe und hätte mir einen besseren Arbeitstitel gewünscht, denn Ihr Arbeitstitel zeigt auf, dass Sie anscheinend das Gegenteil erreichen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Blechschmidt. – Als nächster Redner spricht Kollege Rudolph von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege Rudolph.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre sicherlich nicht uninteressant gewesen, wenn der Abgeordnete der AfD dieser Debatte beigewohnt und sich sogar an ihr beteiligt hätte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministers Michael Bodden- berg)

Er hat Fraktionssitzung, sagt Staatsminister Boddenberg. Er ist mit sich selbst noch nicht im Reinen. Das mag so sein.

Ich will zunächst sagen: Wahrscheinlich ist es für keine im Landtag vertretene Partei angenehm, wenn ein Mitglied die Fraktion verlässt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sprechen aus eigener Erfahrung mit Ihren vier Abgeordneten!)

Herr Dr. Wagner, ich weiß, welch hehre Worte Sie damals zum freien Mandat formuliert haben. Konsequenterweise gilt das auch heute, ob das einem persönlich passt oder nicht.

(Zurufe von der CDU)

Ja, Sie müssen das einmal sagen. Dann sind wir uns an der Stelle einig.

Ich will sagen, bemerkenswert an dem Vorgang ist auch, wie die FDP mit ihrem ehemaligen Abgeordneten umgeht.

Frau Henzler könnte erzählen, wie sie aus ihrem Amt als Ministerin gemobbt wurde.

(Zurufe von der FDP)

Das war in der „Hessenschau“ und auch in verschiedenen Presseorganen zu verfolgen. Das war die elegante Art von Herrn Hahn – sein ganz besonders herber Charme –, mit Kolleginnen und Kollegen umzugehen. Ich unterstelle einmal, dass das, was Herr Paulus sagt, richtig ist: Er war erkrankt, und in einem Zeitraum von acht Wochen hat man sich seitens der Fraktion noch nicht einmal telefonisch bei ihm erkundigt, wie es ihm geht. Das ist eigentlich zwischenmenschlicher Standard.

(Beifall bei der SPD)

Das sagt etwas über den inneren Zustand der FDP aus. Offensichtlich liegt da vieles im Argen. Das muss man an der Stelle auch einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wie haben Sie denn Ihre vier Abgeordneten behandelt?)

Aber das ist ein Thema der FDP. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den – vermeintlichen – politischen Zielen der AfD. Was gibt es da an Programmatik?

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN: Nichts!)

Nichts oder wenig bis nichts. – Herr Dr. Wagner, Sie versuchen ständig, die ehemalige FDJ-Sekretärin und heutige Bundeskanzlerin zu attackieren.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Was soll denn das? – Weitere Zurufe von der CDU – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ist das, was ich gesagt habe, falsch?

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN: Nein!)

Sehen Sie, das ist eine deutliche, objektive Antwort von der linken Seite: Es ist nicht falsch. – Herr Dr. Wagner, Sie versuchen ständig, der Bundeskanzlerin am Zeug zu flicken. Sie kritisieren, sie habe keine klare Linie, und sie räume Positionen, die jahrzehntelang die Programmatik der CDU ausgemacht hätten – was übrigens zu einem Großteil stimmt. Sie versuchen auch, diese Politik durchaus populistisch zu attackieren.

Vom Populismus – von Ihnen – kommen wir zur AfD. Ja, diese Gruppierung ist möglicherweise gefährlich; denn sie gibt einfache, schlichte Antworten auf die Herausforderungen der aktuellen Politik. Nehmen wir die Europa- sowie die Finanz- und Fiskalpolitik: Sich hierhin zu stellen und ernsthaft für die Abschaffung des Euro zu plädieren ist nicht bloß fahrlässig; es würde insbesondere auch den Interessen Deutschlands schaden: wirtschaftspolitisch, gesellschaftspolitisch und europäisch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Einheit Europas spielt man nicht. Wir Deutsche profitieren davon, wie ich feststelle, wenn ich mir die Export- und Wirtschaftsdaten ansehe. Richtig ist natürlich, dass wir die Prozesse, die zu Entscheidungen führen, so organisieren müssen, dass die Bürgerinnen und Bürger sie

nachvollziehen können. Ich glaube, Bundespräsident Gauck hat richtige, kluge Aussagen dazu gemacht.

Wenn ich mir die wenigen inhaltlichen Worte anschaue, stelle ich fest, die AfD will auch eine radikale Änderung des Steuersystems. Sie will einen radikalen Steuerabbau.

(Zuruf: Kirchhof!)

Ja, auf Kirchhof wird ausdrücklich Bezug genommen. – Sie verkennen dabei, dass es auch darum geht, den Staat handlungsfähig zu machen, ihn zur Finanzierung der Aufgaben zu befähigen, z. B. in der Bildung. Dazu wird keine Aussage seitens dieser Organisation gemacht, der im Übrigen viele Professoren und Wissenschaftler überwiegend aus CDU- und FDP-Kreisen, aber auch aus SPD-Kreisen angehören.

(Zuruf von der SPD: Ehemalige)

Ehemalige. – Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir uns mit dieser Gruppierung inhaltlich auseinandersetzen. Das sind nämlich die falschen Antworten auf wichtige Fragen, die wir gemeinsam erörtern müssen: Wie geht es mit Europa weiter? Die SPD ist die Partei, die immer für Internationalität und für die Einheit Europas stand.

Wir sollten diese Gruppierung also nicht überhöhen, und wir sollten nicht einzelne Abgeordnete diffamieren, sondern wir sollten den Wählerinnen und Wählern deutlich machen, das ist eine Gruppierung, bei der viele Aussagen in Rosstäuscherei übergehen und die keine Antworten auf schwierige Fragen bietet.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Deswegen sind wir für eine inhaltliche Auseinandersetzung. Aber man müsste auch bereit sein, sie zu führen. Wegzutauchen wird nicht funktionieren. Ich bin sehr sicher, das erkennen auch die Wählerinnen und Wähler. Die Alternative für Deutschland ist alles andere, nur keine Alternative für die deutsche Politik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Hessischen Landtag sitzt seit einigen Tagen der erste und hoffentlich auch letzte Landtagsabgeordnete der neu gegründeten Alternative für Deutschland. Herr Paulus hat sozusagen den Männerklub gewechselt. Er ist vom Männerverein FDP in den Männerverein AfD übergewechselt.

Es ist in der Tat nicht verwunderlich, dass das ausgerechnet in Hessen passiert ist; denn die hessische FDP versucht nicht einmal mehr, den Anschein zu erwecken, als ob sie

noch etwas mit liberalen Ideen und einer Bürgerrechtspartei am Hut hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn der Integrationsminister Thilo Sarrazin in sein Ministerium einlädt, um mit ihm über Integration zu diskutieren, und das in der FDP nicht einmal auf Kritik stößt, sagt das viel über diesen Landesverband aus.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Die Hessen-CDU hat traditionell eine offene rechte Flanke. Ein Großteil des Führungspersonals der AfD stammt aus dem rechtskonservativen Flügel der CDU, und der ist in Hessen bekanntlich besonders ausgeprägt.

Auch ich bin der Meinung, dass es Sinn macht, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen und sich anzuschauen, für was diese Partei steht. Die AfD ist aus der Wahlalternative 2013 hervorgegangen, die von unzufriedenen CDU-Mitgliedern gegründet wurde, die den Euro abschaffen wollten. Die Partei sieht sich als eine Art deutsche TeaParty-Bewegung, neoliberal, rechtskonservativ mit einem reaktionären Menschen- und Gesellschaftsbild. Sie versucht, die wachsende Unzufriedenheit mit der Wirtschaftsund Europapolitik der Bundesregierung in rechtsnationales Fahrwasser zu lenken. Formal grenzt sich die AfD zwar von Rechtsaußen ab. In ihren Reihen finden sich aber viele völkische Nationalisten. Auch auf dem Gründungsparteitag der AfD war eine Reihe von NPD-Mitgliedern anwesend. Die AfD steht für soziale Kälte und für nationale Enge. Sie fordert drastische Steuersenkungen – das hat der Kollege Rudolph bereits erwähnt –, und sie übertrifft in ihrer Marktradikalität noch die FDP. Zudem ist die AfD von einer Sozialstaats- und Demokratiefeindlichkeit geprägt sowie von einer tiefen Verachtung gegenüber Erwerbslosen.