Auch ich bin der Meinung, dass es Sinn macht, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen und sich anzuschauen, für was diese Partei steht. Die AfD ist aus der Wahlalternative 2013 hervorgegangen, die von unzufriedenen CDU-Mitgliedern gegründet wurde, die den Euro abschaffen wollten. Die Partei sieht sich als eine Art deutsche TeaParty-Bewegung, neoliberal, rechtskonservativ mit einem reaktionären Menschen- und Gesellschaftsbild. Sie versucht, die wachsende Unzufriedenheit mit der Wirtschaftsund Europapolitik der Bundesregierung in rechtsnationales Fahrwasser zu lenken. Formal grenzt sich die AfD zwar von Rechtsaußen ab. In ihren Reihen finden sich aber viele völkische Nationalisten. Auch auf dem Gründungsparteitag der AfD war eine Reihe von NPD-Mitgliedern anwesend. Die AfD steht für soziale Kälte und für nationale Enge. Sie fordert drastische Steuersenkungen – das hat der Kollege Rudolph bereits erwähnt –, und sie übertrifft in ihrer Marktradikalität noch die FDP. Zudem ist die AfD von einer Sozialstaats- und Demokratiefeindlichkeit geprägt sowie von einer tiefen Verachtung gegenüber Erwerbslosen.
AfD-Parteisprecher Konrad Adam dachte in einer Kolumne darüber nach, Erwerbslosen und Rentnern das Wahlrecht zu entziehen, damit die „Inaktiven und Versorgungsempfänger“ nicht zu viel Macht über den Staat gewinnen.
Ich hätte gerne gewusst, was Herr Paulus über dieses Zitat denkt und ob er der Position seines Parteisprechers zustimmen kann.
Der AfD-Vordenker Peter Oberender fordert gar, dass Hartz-IV-Empfänger zur Verbesserung ihrer Finanzen ihre Organe verkaufen dürfen sollen. Der stellvertretende AfDSprecher Alexander Gauland, der übrigens lange CDUMitglied und auch einmal Staatssekretär in der Hessischen Staatskanzlei unter Wallmann war, attestierte den Deutschen ein „gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt“ und empfahl Bismarcks Auffassung: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden …, sondern durch Eisen und Blut.“
Die AfD hat da wirklich ein paar ganz sympathische Kerlchen versammelt. Ein großer Teil davon kommt aus dem rechtskonservativen Flügel der CDU.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD) – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Das müssen Sie mit Ihrer Vergangenheit gerade sagen!)
Dann fragte die „FAZ“ den Parteisprecher Bernd Lucke, ob die Arbeitsmoral in Südeuropa schlechter sei als in Deutschland. Antwort Lucke: „Ja, ganz klar. Aber … wenn die Menschen in diesen Ländern weniger … arbeiten wol
Das ist vollkommen falsch. Richtig ist, dass die Griechen mehr arbeiten als die Deutschen. Die tatsächliche Wochenarbeitszeit lag vor der Krise höher als in Deutschland. Die Griechen hatten weniger Urlaubstage, und auch das Renteneintrittsalter liegt über dem deutschen Wert.
Ich finde es perfide, die Ursache der Krise eines Landes im mangelnden Fleiß der Einwohner zu suchen – als ob die Griechen die Wahl hätten, mehr zu arbeiten und damit die Krise zu beenden. Es ist doch umgekehrt: Wegen der Krise sind viele Griechen zum Nichtarbeiten gezwungen. Zehntausende Stellen wurden abgebaut. Nicht Faulheit schafft die Krise, sondern Krisen vernichten Jobs.
Es werden Ressentiments gegen angeblich faule Südeuropäer geschürt, die ihre Probleme selbst verursacht hätten und jetzt durch brutale Kürzungen wieder auf die Beine kommen sollten. So wurde teilweise auch im Bundestag argumentiert. Das wurde in den Medien so diskutiert. Das ist genau die offene Flanke für rassistische und nationalistische Argumentationen.
Dass die AfD ein großes Wählerpotenzial hat, liegt auch daran, dass die Eurokrise Unsicherheiten hervorruft. Vor diesem Hintergrund haben aggressiv-nationalistische Antworten und rechtspopulistische Parteien eine Chance. Das sehen wir in vielen Ländern Europas. Viele Menschen haben das Gefühl, dass über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird, dass Geld irgendwo versickert und sie am Ende die Rechnung zahlen. Das stimmt auch. Aber mit diesem Geld werden eben nicht Griechen und Spanier gerettet, sondern mit diesem Geld werden einmal mehr die Banken gerettet.
Deshalb hat DIE LINKE auch als einzige Partei im Deutschen Bundestag diesen sogenannten Rettungspaketen nicht zugestimmt.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die Kritik der LINKEN an der EU und am Euro ist keine egoistisch-nationalistische, sondern hat eine solidarische, antikapitalistische und internationalistische Perspektive.
(Lachen des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das hat Honecker auch schon so formuliert! Honecker und Ulbricht Originalton!)
Wir wollen ein anderes Europa. Diese Kritik wird nächstes Wochenende in Frankfurt im Rahmen der Blockupy-Proteste formuliert.
Letzter Satz. Das Programm der AfD richtet sich gegen Arbeitnehmer, gegen Erwerbslose und Rentner, es schürt
Nationalismus, es propagiert Sozialabbau und Lohnsenkungen. Deshalb ist die AfD keine Alternative für Deutschland, sondern die AfD ist eine Gefahr von rechts. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat sich Kollege Bellino von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde zeigt wieder einmal, wie ideenlos, überheblich und vergrämt die rot-rot-grüne Opposition ist.
Anstatt Ideen und Visionen zu präsentieren, ergeht sich die rot-rot-grüne Opposition in Beschimpfungen. Anstatt sich seriös mit den Argumenten für und gegen den Euro auseinanderzusetzen,
(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann, Torsten War- necke (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
betreiben Sie wieder einmal, Frau Kollegin Fuhrmann, nichts anderes als Skandalisierung und Klamauk. Anstatt sich ernsthaft den Herausforderungen in Europa zu stellen,
befassen Sie den Ältestenrat unter anderem mit der Frage, auf welcher Bank in diesem Saal ein Abgeordneter sitzen soll. Das versteht kein Mensch.
Oder, anders ausgedrückt: Diese Aktuelle Stunde braucht der Hessische Landtag genauso wenig, wie die Politik eine Alternative für Deutschland benötigt.
Das muss man sich einmal vorstellen. Für die GRÜNEN ist es mehrere Pressemitteilungen, Sitzungen des Ältestenrats und auch eine Aktuelle Stunde wert, sich über die Sitzordnung und den Stil zu beschweren. Fast eine Stunde lang sollen wir darüber diskutieren, wo ein einzelner Abgeordneter für die verbleibenden zwei, drei Sitzungen der Legislaturperiode Platz nimmt
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er sitzt aber bei uns! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
und wie man mit ihm umgegangen ist. Die SPD macht bei dieser Zeitverschwendung munter mit. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, es ist abstrus, dass sich gerade diese Opposition als Wächter des Stils aufspielt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Frank Lortz (CDU): Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Dazu haben die Moralisten nichts gesagt!)
die den Wortbruch der Hessen-SPD unter Ypsilanti und Schäfer-Gümbel nicht mitgemacht hatten, wie Sie die in die Ecke drängten, obwohl sie noch Mitglieder Ihrer Fraktion waren?
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Da haben die GRÜNEN auch nichts gesagt! – Zurufe der Abg. Michael Siebel und Lothar Quanz (SPD))
Verlassen wir dieses kleine Karo. Wenn Sie schon nicht an den inhaltlichen Auseinandersetzungen zu Europa interessiert sind, wollen wir uns doch sachlich mit den Euroskeptikern befassen. Wir nehmen deren Sorgen ernst. Wir setzen uns mit ihnen auseinander. Wir sprechen mit den Menschen. Die AfD ist in ihrer inhaltlichen Programmatik keine Alternative für Deutschland.
Wie will man denn auch eine ernsthafte Alternative sein, wenn das Parteiprogramm gerade einmal vier Seiten umfasst? Es ist kein Wunder, dass es dort auch keine belastbaren Antworten zu wichtigen Fragen der Arbeits-, der Bildungs- oder der Familienpolitik gibt, dass dort keine Aussagen zu wichtigen Politikfeldern der inneren Sicherheit, der Außen- und Verteidigungspolitik zu finden sind. Genauso wenig wie man Europa auf den Euro reduzieren darf, kann man, vorausgesetzt, man will als wählbare Alternative ernst genommen werden, mit ein paar wenigen populistischen Schlagworten die Wähler überzeugen. Die geforderte Auflösung des gemeinsamen Euroraumes würde Deutschland in eine tiefe und lang andauernde Wirtschaftskrise stürzen. Währungen wie z. B. die von Italien und Griechenland würden gegenüber der D-Mark abgewertet, die Volkswirtschaften würden weiter geschwächt.
Die Folgen: Die deutschen Waren würden teurer, die Exporte schrumpften, die Wettbewerbsfähigkeit würde sinken, Investitionen würden gestrichen, die Menschen würden arbeitslos.
So gesehen, ist die Abschaffung des Euro und die Rückkehr zur D-Mark ein Sprung ins vergangene Jahrtausend und ein gefährliches Spiel mit der Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und mit unseren Arbeitsplätzen.
Deshalb ist es auch wichtig, dass die Menschen am 22. September genau wissen, welche Alternativen sie haben und was diese bedeuten. Auf der einen Seite steht die konsequent auf Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftswachstum ausgerichtete Politik von Angela Merkel.