Obwohl einige bundesdeutsche Bildungspolitiker seit fünf Jahren ununterbrochen die Forderung erheben, öffentliche Büchereien als freiwillige Leistung einer Kommune in eine Pflichtaufgabe zu überführen, hat bis heute noch kein einziges Bundesland – weder rot-rot, noch rot-rot-grün noch schwarz-gelb, die Bundesländer sind ja allein dafür zuständig – diesen Wunsch erfüllt; denn bei einer gesetzlichen Verwirklichung der Pflichtaufgabe – was Sie immer tönen, liebe Frau Wissler, auch die SPD hat es damals bei der Beratung des Bibliotheksgesetzes gesagt – würden auf das Land Hessen vermutlich 300 bis 500 Millionen € an Kosten zukommen, erweitert durch jährliche Folgekosten in Höhe von etwa 100 Millionen €. Ich bin gespannt, ob Sie in Ihrem Wahlprogramm diese Forderung des dbv übernehmen
Sehr schön. – Wir warten darauf, ob Sie das festschreiben. Man kann nur sagen: Was Sie hier geboten haben, war eine Vorwahlkampfschau und keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem, was hessische Bibliotheken betrifft; denn davon haben Sie leider keine Ahnung. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenz. – Für eine Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE noch einmal zu Wort gemeldet. Zwei Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lenz, zum Ersten: Ich hätte sehr gern den Bibliothekstag am 13. Mai in Bensheim besucht. Leider war ich verhindert, da ich im Untersuchungsausschuss die Verfehlungen Ihrer Ministerin behandeln musste.
Ich bin aber schon etwas irritiert; denn Ihr Auftritt war nicht gerade Lobbyismus für die hessischen Bibliotheken. Sie sollten sich vielleicht noch einmal Ihre Presseerklärung vom 2. August 2012 anschauen. Wenn alles so super ist, warum sprechen Sie dann von der „ohnehin angespannten Situation der Büchereilandschaft“, die zusätzlich durch den Kommunalen Schutzschirm verschärft werde, und davon, dass die Gefahr bestehe, „dass für ein niedriges Sparvolumen Leistungen großflächig zerschlagen“ würden? – Da kann ich nur sagen: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, nicht wahr?
Wie viele Bibliotheken wurden seit 1999 neu errichtet? Das habe ich natürlich auch gefragt. Mich haben nicht nur die Schließungen, sondern auch die neu errichteten interessiert. Antwort der Ministerin: „Seit 1999 wurden sieben Bibliotheken neu gegründet und drei neue Zweigstellen eingerichtet.“ – Nachlesbar in der Drucks. 18/6777. Das heißt, die Neugründungen und Schließungen von Bibliotheken stehen in keinem Verhältnis zueinander.
Zur Frage der Zahlen. Die Zahlen, von denen Sie mir vorwerfen, ich würde sie verdrehen, kommen aus dem „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2012“. Dem ist zu entnehmen – das haben Sie ja irgendwie halbwegs eingeräumt –, dass Hessen hinsichtlich der Finanzierung von Bibliotheken pro Einwohner auf dem drittletzten Platz liegt. Wenn Sie das zufriedenstellend finden, ist die Frage, ob Sie wirklich ein Lobbyist für Bibliotheken sind.
Ansonsten glaube ich, dass viele Menschen die Bibliotheken brauchen und an ihnen hängen. Ich habe es in Frankfurt mitbekommen, mit welchen Protesten die Schließung der Stadtbibliothek Riederwald verbunden war.
Werfen Sie uns also nicht vor, dass wir hier eine parlamentarische Initiative einbringen, sondern fragen Sie sich lieber einmal, was Sie in den letzten Jahren hier parlamentarisch getan haben, um die Interessen der Bibliotheken zu vertreten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Wissler, Sie haben eben wieder bewiesen, dass Sie das Problem überhaupt nicht erkannt haben.
Hören Sie doch bitte zu. – Sie haben nach Neugründungen gefragt. 72 Bibliotheken wurden mit einem Aufwand von etwa 80 Millionen € saniert, erweitert, zusammengelegt und umgebaut. Das war die Leistung, nicht aber neue Bibliotheken, die wir in Steinau erwarten. Diese Frage haben Sie in Ihrer Kleinen Anfrage nämlich nicht gestellt. Sie fragten nur nach Neugründungen. Dazu hat die Ministerin zutreffend und richtig geantwortet.
Es gibt bessere Bibliotheken. Haben Sie das noch nicht erkannt, lieber Herr Schaus? Sie sind qualitativ besser. Wir haben von der Zahl her weniger, weil da nur 140 Bücher dringestanden haben – zwar kein Karl Marx, wie Sie es gern hätten, aber andere „alte Schinken“. Diese Büchereien brauchen wir nicht.
Sie haben nach meiner Rolle gefragt und überhaupt nicht zugehört. Wenn Herr Bökel 1991 nach 50 Jahren SPDHerrschaft erklärt, die Situation der hessischen Bibliotheken – da stand Hessen am Schluss der Länder – sei ein Skandal, dann können Sie doch nicht den Vorwurf machen, dass dies nicht jährlich gemacht wird. Die Kommunen sind dazu verpflichtet. Natürlich ist es bedauerlich, dass wir in dieser Situation sind. Ich habe als Vorsitzender des Bibliotheksverbandes auch angesichts des Schutzschirms diese Presseerklärung herausgegeben, um die Kommunen zu warnen, dass sie dies nicht machen sollen; denn die Kommunen haben die Entscheidungsfreiheit, wo sie sparen. Das Ergebnis ist doch da: fünf Schließungen von Stadtteilbüchereien bei 150 eigenständigen öffentlichen Büchereien. – Wo ist da der Skandal, liebe Frau
Wissler? Sie bauschen das auf und zeigen damit, dass Sie das Thema Bibliotheken überhaupt nicht interessiert. Für Sie ist das nur Stoff für den Wahlkampf, sonst nichts. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenz. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Feldmayer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir unterstützen die Zielrichtung des Antrags der LINKEN zum Erhalt der kommunalen Bibliotheken. Wir wundern uns auch, dass Herr Lenz hier sagt, das Thema Bibliotheken als ein wichtiges Thema der kulturellen Bildung in Hessen sei etwas, was nicht zum Setzpunkt tauge. Das Thema sei aufgeblasen, aufgebauscht.
Wir wundern uns sehr darüber, Herr Lenz, wie Sie und Ihre Fraktion sich bei diesem Thema zur kulturellen Bildung verhalten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Aloys Lenz (CDU): 52 Schließungen sind es doch, liebe Frau!)
Dann mit einem fadenscheinigen Manöver zu versuchen, von den eigenen Verfehlungen Ihrer Landesregierung abzulenken – Sie sind schon seit 15 Jahren in der Regierung –, und uns zu erzählen, was bei der SPD versäumt worden ist, das finde ich ein starkes Stück. Sie hatten mittlerweile sehr viel Zeit gehabt, diese Versäumnisse, wenn es sie gegeben hat, wiedergutzumachen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Dr. Thomas Spies (SPD): Aber Geschichten von anno dazumal hören wir immer wieder mal gerne!)
Jetzt zum Antrag der LINKEN. Ich sagte es schon, die Ziele der LINKEN decken sich mit unseren Zielen. Aber der Weg, den DIE LINKE in ihrem Antrag vorschlägt, ist uns zu pauschal. Es ist auch zu ungenau, wie die Finanzierung dann zu erfolgen hat, wenn man das in eine Pflichtaufgabe der Kommunen stecken will. Deshalb werden wir uns bei dem Antrag der LINKEN enthalten.
Wir sind uns aber, glaube ich, alle hier im Plenum einig, dass die kommunalen Bibliotheken wichtig sind für eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Medien, dass sie wichtiger Bestandteil der kulturellen Bildung in Hessen sind, dass sie Medienkompetenzen fördern, lebenslanges Lernen, alle die Dinge, die uns allen wichtig sein sollten. Deshalb finde ich es gut, dass dieses Thema heute hier diskutiert wird.
Wie schon angesprochen, ist der Erhalt der kommunalen Bibliotheken eine freiwillige Leistung. Sie wollen das ändern. Aber momentan ist es nicht so. Da die Kommunen durch das Verschulden dieser schwarz-gelben Landesregie
rung mit dem Rücken zur Wand stehen, passiert es natürlich, dass Bibliotheken geschlossen werden müssen – die Kommunen machen es nicht gerne – oder dass Standorte zusammengelegt werden müssen.
Diese Landesregierung lässt die Kommunen ausbluten, und das ist der Grund, warum wir heute darüber reden: weil sich viele die Büchereien in Hessen nicht mehr leisten können.
Beim Haushaltsabschluss für das Jahr 2012 haben die hessischen Kommunen im Bundesländervergleich mit 1,9 Milliarden € mit Abstand das höchste Defizit gehabt. Sie haben für diese unsolide Haushaltspolitik vor zwei Tagen die Quittung bekommen, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb.
Die Kommunen bauen im Zuge dieser desaströsen Finanzpolitik freiwillige Leistungen ab. Sie können es nicht mehr anders tun. Sie gehen unter den Kommunalen Schutzschirm, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Da ist es eine Doppelzüngigkeit, wenn nicht gar zynisch, wenn Herr Lenz heute hier so redet, aber in einer Pressemitteilung vom 2. August 2012 – damals noch als Vorsitzender des Hessischen Bibliotheksverbandes –
angesichts des Kommunalen Schutzschirms seine Sorge geäußert hat, dass im Gegenzug die Gemeinden „umfangreiche Sparkonzepte erarbeiten [müssen], die auch die öffentlichen Bibliotheken massiv betreffen“ können.
Genau so hat es doch Ihre Landesregierung gewollt, Herr Lenz. Erst wird bei den Kommunen gespart, dann müssen sie konsolidieren. – Was haben Sie gedacht, was da passiert, Herr Lenz?