Das heißt dann eben auch, dass das Land sie ausreichend finanzieren muss. Das fordern auch der Deutsche Bibliotheksverband und die Gewerkschaft ver.di. Wir brauchen Mindeststandards und kein Bibliotheksgesetz, das faktisch gar nichts regelt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Bibliotheken brauchen ein breites Angebot, qualifiziertes Personal und benutzerfreundliche Öffnungszeiten. Sie müssen gut erreichbar und barrierefrei sein.
Ein letzter Satz. Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste.“ – Öffentliche Bibliotheken sind für viele Menschen der Zugang zu dieser Welt. Und der darf ihnen nicht versperrt werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als nächster Redner hat sich Kollege Lenz von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, mit diesem Antrag thematisch zu einem Setzpunkt aufblasen, bleibt auf dem Niveau Ihrer Kleinen Anfrage Drucks. 18/6777 stecken. Wegen der Schließung von fünf Teilbibliotheken machen Sie einen Tagesordnungspunkt. Darauf hätten wir verzichten können. Das wäre ein zusätzlicher Gewinn an Lebensqualität gewesen.
Auf die 52 komme ich noch. – Was Sie hier zu einem parlamentarischen Antrag zusammengestrickt haben, ist eine Mischung aus Agitation, Kaffeesatzleserei, abenteuerlicher Haushaltspolitik und schlichter Naivität.
Handwerklich ist das völlig unprofessionell – so, als hätte Lieschen Wissler den Antrag unterschrieben.
Schlimm ist dabei Ihre schlichte Unkenntnis selbst einfachster Strukturen des hessischen Bibliothekswesens.
Auf der Suche nach Wahlkampfthemen suggerieren Sie ein angebliches Bibliothekssterben in diesem Land. Sie haben die Antwort der Ministerin auf Ihre Kleine Anfrage richtig zitiert, und die Antwort ist zutreffend: Die Schließung einer Zweigstelle geht nicht mit der Verschlechterung des Angebots einher.
Tatsache ist – und jetzt komme ich auf die 52 –, dass etwa 45 dieser Orts-, Gemeinde- und Stadtteilbüchereien geschlossen oder zusammengelegt worden sind wegen der Ineffektivität Ihres Angebotes.
In diesen kleinen und klitzekleinen Bücheransammlungen stehen meist nur „alte Schinken“ aus den Siebziger- und Achtzigerjahren.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Na, die liest wohl keiner mehr! Da steht am Ende noch ein Goethe, oder was?)
Und sie entsprechen schon lange nicht mehr den Ansprüchen einer öffentlichen Bücherei. Sie malen in Ihrem Antrag ein bildungspolitisches Desaster an die Wand. Alle bibliothekarischen Fachleute in Hessen erklären, es wurde Zeit, dass diese Büchereien aufgelöst wurden. Sie können ihren Nutzern kaum aktuelle Medien anbieten, haben wöchentlich nur eine oder zwei Stunden geöffnet, nicht den Ansatz einer IT-Ausstattung und werden ehrenamtlich betreut. Die Ausleihen sind äußerst mäßig. Und sie tauchen in keiner Statistik auf.
Die Schließung der genannten Stadtteilbibliotheken hat das öffentliche Bibliothekswesen in Hessen in seiner Qualität insgesamt in keiner Weise verschlechtert.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Was soll mein Geschwätz von gestern, Herr Lenz, oder?)
Bevor ich zu weiteren Punkten Ihres Antrages komme, möchte ich Ihnen Folgendes sagen, sehr geehrte Frau Kollegin Wissler: Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, wenigstens einmal in fünf Jahren Ihrer parlamentarischen Anwesenheit hier im Hessischen Landtag einen Hessischen Bibliothekstag zu besuchen – in diesem Jahr in Bensheim –, dann wären Ihnen bei genauem Zuhören wahrscheinlich die ersten Zweifel über Ihren überflüssigen Antrag gekommen. Gleichzeitig hätten Sie auch einmal Ihr Bekenntnis zu den hessischen Bibliotheken dokumentieren können.
Diese Bibliothekstage werden veranstaltet, um die Öffentlichkeit, Medien und Politik über die aktuelle Situation der Büchereien zu informieren. Bensheim ist ein Bespiel für die positive Entwicklung der hessischen Büchereien. Dort wurde die Stadtbücherei verlagert in eine strategisch günstige Zone, die Fußgängerzone, und die Besucherzahlen haben sich um über 30 % erhöht. Dies ist ein Beispiel für die Situation der öffentlichen Bibliotheken in den letzten 14 Jahren.
Sie haben ja bewusst in Ihrer Kleinen Anfrage das Jahr 1999 herausgegriffen, um zu suggerieren, seit Übernahme der Regierungsverantwortung von CDU und FDP gehe es den hessischen öffentlichen Büchereien schlechter. Genau das ist die Unwahrheit.
Denn den 52 Schließungen kleinster Büchereien, die den Namen nicht verdient haben, stehen in diesem Zeitraum von 1999 bis heute 72 Neu- oder Erweiterungsbauten von öffentlichen Stadt- und Gemeindebüchereien gegenüber. Durch die Schließung von ineffektiven und den Neubau von bedeutenden großen Büchereien in Hessen, und zwar 72 an der Zahl, hat sich die Qualität des Medienangebots in Hessen deutlich erhöht. Auch dies hätten Sie einmal eruieren können.
Ich nehme nur zehn von diesen 72 heraus. Die Baukosten dafür lagen bei etwa 25 Millionen €. Wenn Sie das hochrechnen, sind in diesem Zeitraum Investitionen im Wert von 60 bis 80 Millionen € in Hessen an öffentlichen Büchereien getätigt worden. Damit hat sich die Qualität des Bibliothekswesens in diesem Zeitraum von 1999 bis 2012 deutlich verbessert. Das ist die schlichte Wahrheit über die Situation des öffentlichen Bibliothekswesens. Sie versuchen, mit Zahlenspielen den Vorwahlkampf anzuheizen.
Unserer Verfassung gemäß ist es die originäre Aufgabe der Städte und Gemeinden – das ist so –, für die Einrichtung sowie den sachlichen und personellen Unterhalt der öffentlichen Büchereien Sorge zu tragen. Die Zahl 72 zeigt, dass die Vielzahl der Kommunen ihrer Verpflichtung mit großem Anspruch nachkommt.
Es gibt auch andere Beispiele, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich nenne nur die SPD-geführte Stadt Steinau an der Straße im Main-Kinzig-Kreis mit über 10.000 Einwohnern. Seit einigen Jahren trägt sie stolz den Namen „Brüder-Grimm-Stadt“. Steinau pflegt auch mit einem beeindruckenden Museum die Erinnerung an diese vormaligen Mitbürger. Doch wenn die Bewohner Steinaus eine Bücherei suchen, werden sie vielleicht im „Deutschen Wörterbuch“ der beiden Grimms fündig, in ihrer Kommune aber suchen sie vergeblich danach.
Wenn man die leidenschaftliche Profession von Jacob und Wilhelm Grimm bedenkt, da sie Bibliothekare waren, würden sich beide angesichts ihrer früheren Vaterstadt vermutlich im Grab umdrehen.
Aus Sympathie mit ihnen würden vermutlich auch Johann Wolfgang von Goethe und Casanova rotieren; denn beide waren auch Bibliotheksdirektoren.
Zu weiteren Fakten des Bibliothekswesens in unserem Land: Der Hessische Bibliotheksverband nennt 430 öffentliche Büchereien in kommunaler Trägerschaft. Davon erfüllen aber nur 130 die von Ihnen gewünschten Standards, nämlich dass sie hauptamtlich geleitet werden, ihren Bestand ständig aktualisieren und natürlich mit PCs ausgestattet sind, um nur die wichtigsten zu nennen. Von diesen 130 wurde keine einzige geschlossen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Übergang bei den übrigen 300 Büchereien von hervorragend ausgestattet bis zu solchen, deren Schließung eigentlich geboten wäre, ist sehr fließend.
Richtig ist – und das ist leider richtig –, dass Hessen mit seinen Büchereien und Bibliotheken nicht an der Spitze der deutschen Bundesländer steht,
Ein Beitrag dazu ist das Hessische Bibliotheksgesetz, gegen das Sie votiert haben. Mit ihm wurde eine wichtige Grundlage zur Verbesserung der öffentlichen Büchereien in Hessen geschaffen; ihr bildungspolitischer Auftrag wurde zum ersten Mal gesetzlich festgeschrieben.
Hessen, das vor 67 Jahren gegründet wurde, hat ein strukturelles Problem mit seinen kommunalen Bibliotheken. Nach über 30 Jahren SPD-Regierungsverantwortung erklärte 1980 – vielleicht ist er bei einigen noch bekannt – der damalige Kultusminister Hans Krollmann sehr freimütig:
Dass die bibliothekarische Grundversorgung in Hessen – absolut und auch im Vergleich mit anderen Bundesländern – unzulänglich ist, kann ich nicht bestreiten.
1991 beklagte der damalige Vorsitzende des Hessischen Bibliotheksverbandes, Gerhard Bökel, acht Jahre später Spitzenkandidat der SPD bei der Landtagswahl:
Was die SPD in 50 Jahren Regierungsverantwortung versaubeutelt hat – um es einmal deutlich zu sagen –, kann man nicht in zehn Jahren wieder aufholen.
Obwohl einige bundesdeutsche Bildungspolitiker seit fünf Jahren ununterbrochen die Forderung erheben, öffentliche Büchereien als freiwillige Leistung einer Kommune in eine Pflichtaufgabe zu überführen, hat bis heute noch kein einziges Bundesland – weder rot-rot, noch rot-rot-grün noch schwarz-gelb, die Bundesländer sind ja allein dafür zuständig – diesen Wunsch erfüllt; denn bei einer gesetzlichen Verwirklichung der Pflichtaufgabe – was Sie immer tönen, liebe Frau Wissler, auch die SPD hat es damals bei der Beratung des Bibliotheksgesetzes gesagt – würden auf das Land Hessen vermutlich 300 bis 500 Millionen € an Kosten zukommen, erweitert durch jährliche Folgekosten in Höhe von etwa 100 Millionen €. Ich bin gespannt, ob Sie in Ihrem Wahlprogramm diese Forderung des dbv übernehmen