Die Leute, die, als wir Schülerberge hatten, nicht in der Lage waren, zu helfen, und jetzt, wenn es Fachkräftemangel gibt, aber schreien, alle Übergangssysteme sollten abgeschafft werden – da muss man den Mut haben, ganz sachlich mit denen zu diskutieren und festzustellen, dass wir dort, wo die Möglichkeiten sind, überall schauen müssen, wo wir junge Menschen direkt in eine berufliche Erstausbildung im dualen System bringen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Spies, ich erkenne an, dass Sie in bestimmten Bereichen bestimmt Sachverstand besitzen. Aber eines glauben Sie mir einmal: Wenn es ums Thema berufliche Bildung geht, da können Sie mir die Hand nicht reichen.
Herr Kollege Spies, dort, wo wir diese Systeme minimieren können, dort, wo die schulische Arbeit im Übergangssystem eingegrenzt werden kann, werden wir es schleunigst mithilfe der Wirtschaft machen. Aber gehen Sie einmal in Regionen wie Nordhessen.
Gehen Sie einmal nach Nordhessen. Während wir hier eine höhere Berufsfachschule vielleicht schließen können, weil das duale System das ersetzen kann, haben wir in Nordhessen ganz andere Voraussetzungen. Da brauchen wir händeringend so eine höhere Berufsfachschule.
Lernen Sie endlich einmal, dass wir regionalbezogen entscheiden müssen und nicht mit der Keule kommen und sagen: Alles abschaffen, jetzt haben wir duales System, da bröselt das Ganze schon. – Es bröselt das Ganze ein bisschen auf, aber mehr auch nicht. Herr Schäfer-Gümbel, lassen Sie uns aus dem Grund vernünftig über Berufserziehung reden. Loben wir die Schulen, die schon tolle Arbeit leisten, und schauen wir, dass wir mithilfe von Mittelstufenschulen und anderen Möglichkeiten noch mehr im Rahmen der Berufserziehung leisten können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben eben gesagt, die Zahl der unversorgten Bewerber in Hessen ginge im Vergleich zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittlich zurück, was an der Stärke der hessischen Wirtschaft liegen würde. Ich finde, diesen Zusammenhang müssen Sie aber wirklich einmal erklären, wenn man bedenkt, dass nicht nur irgendwelche relativen Zahlen zurückgegangen sind, sondern dass ganz real die Zahl der Ausbildungsbetriebe in Hessen rückläufig ist.
Das heißt also, in Hessen bilden weniger Betriebe aus, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Heute bilden sogar weniger Betriebe aus, als es noch zur Zeit der Krise war. Selbst die Betriebe, die ausbilden, bilden weniger aus als in den Jahren zuvor. Deshalb ist die Ausbildungsquote rückläufig. Das habe ich alles dem Bericht des Wirtschaftsministeriums entnommen. Herr Minister, wie soll das ein Zeichen für die Stärke der hessischen Wirtschaft sein?
Das Problem ist nicht, dass Hessen auf hohem Niveau gewesen ist, sondern dass in Hessen selbst das Niveau rückläufig ist, und nicht nur im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Vielleicht sollten Sie Ihre eigenen Berichte auch einmal lesen, Herr Minister.
Herr Klein, weil Sie das eben wieder angesprochen haben: Das duale System wird doch nicht durch die Opposition im Hessischen Landtag bedroht. Das ist doch dummes Zeug. Das ist doch absurd. Wer das duale System bedroht, das sind die Unternehmen, die sich weigern, Ausbildungsplätze zu schaffen.
Das duale System lebt davon, dass die Wirtschaft ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt und Ausbildungsplätze schafft. Wenn in diesem Land die Hälfte aller Bewerber keinen Ausbildungsplatz in der dualen Ausbildung mehr findet, dann ist das doch ein Problem, das Sie nicht einfach leugnen können. Sie können sich doch nicht hierhin stellen und sagen: Die duale Ausbildung funktioniert, alles ganz prima.
Man muss doch vielmehr überlegen, ob man mit Selbstverpflichtungen und mit Appellen wirklich weiterkommt oder ob man auch Maßnahmen ergreifen muss, die die Unternehmen dazu zwingen, dieser Verantwortung nachzukommen. In den nächsten Jahren sind es doch genau diese Unternehmen, die dann jammern, dass es einen Fachkräftemangel gibt.
Es war Herr Bellino, der ist noch so ein Sozialismusexperte. Herr Irmer, es hätte von Ihnen sein können; das Niveau hat gestimmt.
Dann will ich etwas zum Thema ausländische Fachkräfte sagen, Herr Minister, weil Sie Kommentare zur Position der LINKEN gemacht haben. Ich will an der Stelle ganz klar sagen, dass DIE LINKE von der FDP ganz sicher keine Nachhilfe beim Thema Internationalismus braucht. Das ist ja wohl ein schlechter Witz, Herr Minister.
Wir LINKE stehen für internationale Solidarität. Wir stehen für offene Grenzen, was man nicht von jedem in diesem Haus behaupten kann. Und wir stehen natürlich auch für Arbeitnehmerfreizügigkeit. Aber wir wollen gleiche und faire Bedingungen, damit nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt werden können.
Deswegen dürfen ausländische Facharbeiter doch nicht als Lohndrücker missbraucht werden. Ich finde, dass Sie sich hierhin stellen und das einfach leugnen, das ist doch absurd. Sie haben doch den Fall Amazon erlebt. Spanische Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Deutschland gekommen, haben hier zu viel geringeren Löhnen als die Stammbelegschaft gearbeitet. Wir haben doch die erschütternde Reportage gesehen. Ist das denn Ihr Verständnis von Internationalismus, was Amazon da gemacht hat?
Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Deswegen sagen wir: Ja, natürlich Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber zu fairen Bedingungen. Es geht doch nicht, dass die Verzweiflung der Menschen in den Krisenländern missbraucht wird, um sie hier in Deutschland als günstige Facharbeiter einzusetzen, oder damit sich deutsche Unternehmen hier die Ausbildungskosten sparen.
Wenn sich ein junger Spanier entscheidet, dass er in Deutschland leben und arbeiten möchte, dann ist es richtig, und dann ist es gut, dass er das kann. Aber es darf nicht
sein, dass die wirtschaftliche Krise missbraucht wird, um Menschen zu entwurzeln, weil sie in ihrem Heimatland einfach überhaupt keine Perspektive haben.
Der DGB kritisiert zu Recht, dass das keine Strategie gegen den Fachkräftemangel ist, dass es einzig und allein dazu führt, dass die Unternehmen Ausbildungskosten sparen.
Deshalb ist das keine Strategie gegen den Fachkräftemangel. Herr Minister, deshalb verwahre ich mich gegen Ihre Belehrungen des vermeintlichen Internationalismus der FDP. Um was es Ihnen geht, ist, Arbeitskräfte in verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen, gegeneinander in Wettbewerb zu setzen.
Das ist nicht das, wofür wir LINKE stehen. Wir wollen faire Bedingungen, gleiche Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – völlig egal, aus welchem Land sie kommen.
Danke, Frau Wissler. – Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache mit Herrn Schäfer-Gümbel fort, der erneut Redezeit bekommen hat, weil der Minister nach ihm gesprochen hat. Sie haben erneut fünf Minuten, Herr Schäfer-Gümbel.