Protocol of the Session on February 28, 2013

Ich sage Ihnen eines: Wenn wir im Schulterschluss mit dem DGB einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € fordern, dann fordert die LINKE 10 €. Hätten wir 10 € gefordert, hätten Sie 12 € gebrüllt. Meine Damen und Herren, so sieht es aus.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Gut erkannt! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist wie an der Wursttheke, immer ein bisschen mehr! – Weitere Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Ruhe. Herr Decker will verstanden werden.

Ich glaube, die Kollegen verstehen mich. – Wenn wir im Schulterschluss mit dem DGB die Eindämmung der Leiharbeit fordern, dann stellen Sie sich hin und brüllen: „Die Leiharbeit muss abgeschafft werden“. – Was für ein Quatsch – ich sage Ihnen das an dieser Stelle ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wissen Sie etwas? – Bei Ihnen ist das so wie bei der Fertiglasagne. Man weiß nie, welche Überraschung darin ist. Das wollte ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, hart an der 5-%-Hürde ist Ihre panische Sorge um Ihre politische Daseinsberechtigung ganz offensichtlich größer als Ihre tatsächliche Bereitschaft, den betroffenen Menschen aktiv zu helfen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Fangen Sie endlich einmal an, sachlich und realitätsbezogen den notwendigen Reformprozess zu betreiben. Das funktioniert nur, wenn wir die Stellschrauben an den richtigen Stellen fest anziehen.

Deshalb unterstützen wir die aktuelle Initiative der SPDgeführten Länder, z. B. bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes. An dieser Stelle sagen wir ganz klar: Wir fordern und unterstützen klar gesetzliche Regelungen in der Leiharbeit, gegen den Missbrauch von Leiharbeit, gegen Lohndumping durch Scheinselbstständigkeit und auch gegen Werkverträge, die immer öfter Tarifverträge unterlaufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was dem einen sein Populismus ist, das ist dem anderen sein Blockadebeton. Deshalb sage ich in diese Richtung: Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, geben Sie endlich Ihren hartnäckigen Widerstand gegen die überfällige Ord

nung auf dem Arbeitsmarkt auf. Sagen Sie Ihrer Landesregierung, sie soll im Bundesrat dieser vernünftigen Initiative der A-Länder zustimmen.

Und noch eines: Lassen Sie um Gottes willen die Finger von der Lohnuntergrenze. Das Ding taugt in der Wurzel nichts. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Decker. Das war eine Punktlandung. – Als nächsten Redner rufe ich Herrn Dr. Bartelt von der CDU-Fraktion auf und gebe ihm das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Versuchen wir es also ein zweites Mal, die Thematik Amazon, Leiharbeit für ihre Arbeitsplätze, hier in einer differenzierten Betrachtungsweise zu diskutieren. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Wiederholung soll ein Element der Pädagogik sein.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, natürlich fällt es dem einen oder anderen, der sehr stark ideologisch eingeengt ist, schwer, Dinge in verschiedenen Betrachtungsweisen in ihren verschiedenen Facetten hier zu diskutieren.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Erstens, ganz klar: Was dort bei Amazon geschehen ist, ist eine arglistige Täuschung, und das verdient eine entsprechende Äußerung des Parlaments hier. Es ist eine Unverschämtheit, Leute unter der Maßgabe anzuwerben,

(Wolfgang Decker (SPD): Richtig!)

sie würden bei einem Weltunternehmen angestellt – und dann werden sie, zumindest zeitweilig, bei einem anderen Unternehmen angestellt. Da sind wir uns einig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Wenn dort Überwachungen stattfinden, welche die Privatsphäre verletzten, dann ist das verachtenswert und verletzt die Menschenwürde. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir hier einer Meinung sind.

Der zweite Punkt ist aber auch: Sie sagen, da das so ist, soll dieses Unternehmen am besten ganz vom Markt verschwinden, am besten sollte man in diesem bösen Kapitalismus überhaupt keine ausländischen Arbeitnehmer mehr anwerben. – Ja, das kam aus Ihren Äußerungen sehr klar heraus.

(Widerspruch des Abg. Hermann Schaus (DIE LIN- KE))

Dazu sagen wir Ihnen: Ein Unternehmen wie Amazon muss seine Geschäfte in Ordnung bringen. Darauf werden wir achten. Das werden wir kritisch begleiten.

Aber wir wollen diese Arbeitsplätze hier haben. Wir wollen, dass mehr Arbeitsplätze hier in Hessen konzentriert werden und weniger in Bayern, mehr in Deutschland und weniger in Großbritannien.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch das ist unsere Vorstellung.

Weil es um die Anwerbung Arbeitsuchender aus unseren europäischen Partnerländern geht, appellieren wir daran, hier Solidarität zu üben – ein Begriff, den Sie sonst immer sehr beschwören. Diese Generation in Spanien, in Portugal und Griechenland hat nur einen einzigen Gedanken: Wie finden die jungen Leute wieder Arbeit? Was wird aus unseren Kindern? Was wird aus unseren Enkelkindern?

Wenn wir hier Arbeitsplätze anbieten, dann ist das ein Akt der Solidarität und Aufmunterung. Das ist eine Solidarität unserer staatlichen Ideale: der Demokratie, des Rechtsstaats und der Marktwirtschaft.

Dazu sind wir verpflichtet, und hier handeln auch unsere Landes- und unsere Bundesregierung, indem wir Spaniern die Ausbildung zu Fachkräften anbieten oder eine Zusammenarbeit der Handelskammer mit Griechenland zur Implementierung des dualen Ausbildungssystems. Das alles sind Dinge, die wir hier fördern wollen.

Um wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, sage ich auch: Das, was hier bei Amazon geschehen ist, konterkariert diese Anstrengungen. Was sollen die für einen Eindruck von uns bekommen? Dieser schlechte Eindruck muss jetzt wieder verschwinden, indem wir uns hier äußern – das ist das Positive an dieser Debatte – und indem wir fordern, dass diese Firmen ihr Innenverhältnis mit ihren Arbeitnehmern und mit Arbeitsuchenden klären.

Ein letzter Punkt. Es ist ein legitimes Anliegen der Opposition, zu versuchen: Vielleicht können wir dabei auch den Regierungsparteien noch eins vors Schienbein treten. – Das ist erlaubt. Hier aber hat das überhaupt nicht funktioniert. Denn innerhalb weniger Tage haben Bundesregierung und Landesregierung entsprechende Maßnahmen ergriffen. Staatliche Organe haben entsprechende Ermittlungen und Untersuchungen angestellt und werden die erforderlichen Sanktionen einleiten.

Ich bin ganz optimistisch: Da insbesondere der Kundenstamm von Amazon ein sehr kommunikatives und zum Teil jugendliches Publikum ist, wird dies auch seine Auswirkungen haben. Es sollte im Interesse der Firma selbst sein, diese Dinge – ich wiederhole es – in Ordnung zu bringen. Wir Politiker wollen dazu gerne unseren Beitrag leisten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Als nächster Redner hat sich Kollege Lenders von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Berichterstattung des Hessischen Rundfunks hat uns natürlich alle aufgeschreckt. Das hat der Kollege gerade dargestellt. Die Vorwürfe, die gegen Amazon erhoben worden sind, können auf keinste Weise die Zustimmung von CDU und FDP finden.

Wir sind aber gut beraten, die Prüfungen, die jetzt durch das Bundesarbeitsministerium durchgeführt werden, abzuwarten, bevor wir Konsequenzen ziehen und bevor wir hier in Anträgen schon Konsequenzen formulieren. Wir wissen doch noch überhaupt nicht genau, was denn die Sachlage war.

Ich war schon einigermaßen erstaunt darüber, welche Weisheiten Herr Schaus hier schon verkündet hat. Herr Schaus, vielleicht wären auch Sie ganz gut beraten, die Prüfungen einmal abzuwarten.

Meine Damen und Herren, wenn ein Unternehmen tatsächlich mit falschen Zusagen, mit falschen Versprechungen Mitarbeiter angeworben hat und die nachher nicht einhält – erschwerend kommt noch hinzu, dass das Mitarbeiter und Angeworbene waren, die aus europäischen Nachbarstaaten kamen –, dann ist das einfach eine Sauerei. Das ist dann eine Sauerei, und das muss man auch so benennen dürfen, auch in diesem Parlament.

(Beifall des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Meine Damen und Herren, auch die SPD habe ich nicht so verstanden, dass sie jetzt dazu neigt, die Flexibilisierungen, die die Zeitarbeit notwendigerweise in Anbetracht von 5 Millionen Arbeitslosen – – Das muss man immer wieder einmal sagen: Wir kommen von einem Stand von 5 Millionen Arbeitslosen, und die Zeitarbeit hat einen großen Anteil daran, dass wir diese hohe Arbeitslosenquote signifikant gesenkt haben.

Man muss schon genau hinschauen, was die SPD sagt. Ich befürchte aber, die Vorschläge, die Sie unterbreiten, sind am Ende, dass Sie das wieder regulieren wollen, dass Sie die Zeitarbeit auf ein Niveau regulieren wollen, wie das vor Hartz IV war.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Herr Decker, dann kann sie ihre Flexibilität nicht mehr entfalten. Das wird aber zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Das hatten wir in diesem Land doch schon alles.

(Wolfgang Decker (SPD): Das ist doch falsch! Wir wollen den Missbrauch eindämmen!)

Meine Damen und Herren, Amazon und diese Diskussion sind schwierig, und man muss dort sensibel vorgehen. Ich sehe jetzt schon wieder die Parallelen, und da lasse ich Sie auch nicht heraus: Das funktioniert nach dem gleichen Schema wie bei Schlecker. Bei Schlecker hat es mit einem Missbrauch der Zeitarbeit angefangen. Die öffentliche Debatte läuft hier nach dem gleichen Schema ab. Ich kann nur nochmals darauf hinweisen: Als Politik haben wir auch eine Verantwortung, wenn wir über Unternehmen herziehen, wenn wir Unternehmen an den Pranger stellen. Denn bei diesen Unternehmen haben wir auch regulär Beschäftigte, und wir dürfen nicht den gesamten Standort, wir dürfen nicht sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine öffentliche Debatte gefährden, die dann am Ende vollkommen überzogen ist.

Das Gleiche erleben wir doch auch bei der Diskussion um den Pferdefleischskandal oder jetzt bei den Ökoeiern. Würden Sie denn sagen, dass wir jetzt sämtliche Ökobetriebe, die Produkte falsch deklariert oder unter falschen Voraussetzungen produziert haben, an den Pranger stellen?