Protocol of the Session on February 28, 2013

Herr Staatsminister, ich möchte Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.

Das ist richtig. Deswegen komme ich zum Schluss. Wir haben nachher noch einen Setzpunkt. Dann können wir das noch machen.

An dieser Stelle steht die gesamte Liste der Kindertagesstätten, die wegen Fachkräften geschrieben haben – wir reden über Ergotherapeuten, Logopäden, Krankenschwestern, Grundschullehrer mit erstem Staatsexamen. All das war in der Vergangenheit nicht möglich.

(Gerhard Merz (SPD): Das ist doch gar nicht wahr!)

Das ist jetzt möglich. Und das hat Verringerung der Qualität zur Folge, sondern das dient der Teambildung. Das hat etwas mit einem pädagogischen Gesamtkonzept zu tun. Aber davon wollen Sie nichts wissen, weil Sie nur Klamauk wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb sind wir am Ende der Debatte. Die Aktuelle Stunde zum Antrag der Fraktion der FDP betreffend Kinder fördern – Qualität der Betreuung verbessern – informieren statt demonstrieren – neues Kinderförderungsgesetz stellt Kinder in den Mittelpunkt, Drucks. 18/7038, ist abgehalten.

Jetzt stimmen wir noch über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kinderbetreuung neu aufstellen – Entwurf des Kinderförderungsgesetzes zurückziehen – Betreuungsgipfel einberufen, Drucks. 18/7055, ab. Wer möchte diesem Dringlichen Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? – Das sind die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt worden.

Kommen wir zur nächsten Aktuellen Stunde, Tagesordnungspunkt 50:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Amazon zeigt: Hessische Landesregierung und Bundesregierung müssen handeln – Hartz-Gesetze zurücknehmen) – Drucks. 18/7039 –

Im Anschluss wird der Tagesordnungspunkt 41 aufgerufen:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend massive Vorwürfe gegen das Online-Versandhaus Amazon erfordern eine sofortige Prüfung und ein sofortiges Einschreiten durch Landesregierung und Behörden sowie eine Neuausrichtung der Unternehmenspolitik durch Amazon – Drucks. 18/7014 –

Als erster Redner hat sich Kollege Schaus von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege. Fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute um 11 Uhr wurde am Werkstor von Amazon in Bad Hersfeld ein Protest mit mehr als 37.000 Unterschriften an die Geschäftsleitung übergeben. In dieser nach dem Fernsehbericht „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ – er berichtete über die unzumutbaren Arbeitsbedingungen, unter denen die Leiharbeiter aus Spanien und Polen leiden – spontan entstandenen Onlinepetition wird davon gesprochen, dass Leiharbeitnehmer Verträge unterschreiben, die sie aufgrund der Sprache nicht verstehen können, dass sie weniger Lohn erhalten, als sie gedacht haben, und dass sie nur bezahlt würden, wenn sie tatsächlich im Einsatz sind.

Der Bericht über Amazon hat endlich die wichtige öffentliche Debatte über Leiharbeit in Deutschland und die miesen Bedingungen, denen die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeliefert sind, ausgelöst. „Ausgeliefert!“, das ist der passende Titel dieses Fernsehberichts. Sie sind nämlich einem weltweit agierenden Großkonzern mit mehr als 15.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland ausgeliefert, von denen weit mehr als die Hälfte Leiharbeitnehmer oder befristete Beschäftigte sind.

Sie sind einem weltweit agierenden Konzern ausgeliefert, der mit dem europaweit agierenden Leiharbeitsunternehmen Trenkwalder zusammenarbeitet, das 70 Niederlassungen in 19 Ländern hat und dadurch ideal dazu geeignet ist, Menschen dort zu rekrutieren, wo die Arbeitslosigkeit in Europa am größten ist. Die Perspektivlosigkeit dieser Menschen ist so groß, dass sie selbst für wenige Wochen bereit sind, weit über 1.000 km von ihrer Heimat entfernt zu arbeiten. Solchen international agierenden Leiharbeitsunternehmen muss endlich das Handwerk gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer waren einem hessischen Bewachungsunternehmen ausgeliefert, das Mitarbeiter aus der Naziszene hat, die sich als Lagerchefs aufspielten und die intimsten Dinge ausschnüffelten.

Herr Minister, was haben Sie bei dieser dubiosen hessischen Firma eigentlich veranlasst? Dazu haben Sie gestern kein Wort gesagt. Da ist die Landesregierung aber zuständig, ebenso ist sie hinsichtlich der Vorwürfe der Steuerhinterziehung und des Sozialversicherungsbetrugs zuständig.

(Beifall bei der LINKEN)

Als alles öffentlich wurde, hat sich Amazon schnell von zwei dieser Firmen getrennt und behauptet, von alledem nichts gewusst zu haben. Das ist gelogen. Wir wissen, dass Amazon regelmäßig Fotos der Unterkünfte der Leiharbeitnehmer direkt zugesandt wurden. Wir wissen auch, dass Amazon an der Täuschung der spanischen Leiharbeitnehmer durch die Leiharbeitsfirma Trenkwalder aktiv beteiligt war. Von Trenkwalder hat sich Amazon bisher nicht getrennt; das wird es auch nicht tun, denn dieses Konsortium der Ausbeutung läuft schon seit Jahren wie geschmiert.

Ich habe hier einen Vertrag für Leiharbeitnehmer bereits aus dem Jahr 2011 vor mir liegen. Dort heißt es:

Ich bin bereit, für mindestens ein Jahr bei Amazon in Bad Hersfeld zu arbeiten. In den ersten drei Monaten werde ich über Zeitarbeit durch Trenkwalder Personaldienste GmbH an Amazon überlassen und erhalte einen Bruttostundenlohn in Höhe von 7,79 €.

So weit wollte ich aus diesem Vertrag zitieren. Es gibt also 2 € pro Stunde weniger als der betriebliche Lohn. Weil Amazon den Tarifvertrag des Einzelhandels nicht akzeptiert, in dem ein Stundenlohn von 11,69 € die Regel ist, beträgt die Differenz für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter also fast 4 € pro Stunde.

Herr Minister, ich frage an dieser Stelle: Was gedenken Sie in dieser Angelegenheit zu tun?

(Holger Bellino (CDU): Das haben wir doch alles gestern diskutiert!)

Mir liegt auch ein im Dezember 2012 abgeschlossener befristeter Arbeitsvertrag von Amazon, Bad Hersfeld, vor, bei dem die ordentliche Kündigungsfrist einen Tag beträgt. Sie beträgt einen Tag. Herr Minister, was gedenken Sie in dieser Angelegenheit zu tun? Amazon hat zwei Bauernopfer gebracht, damit sich die öffentliche Empörung legt und damit sich die zuständigen Behörden in Bund und Land schnell wieder zurückziehen und sich wie zuvor entweder für unzuständig erklären oder erneut wegschauen.

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Frau Präsidentin, lassen Sie mich Folgendes zum Schluss sagen: Ausgeliefert sein, das ist das wahre Gesicht der Leiharbeit bei Amazon. Das ist kein Einzelfall. Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung: Die Leiharbeit muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Schaus, vielen Dank. Bevor ich Herrn Kollegen Decker das Wort erteile, möchte ich jemanden auf der Besuchertribüne ganz herzlich gemeinsam mit seiner Delegation begrüßen, nämlich den Vizepräsidenten der französischen Partnerregion Aquitaine, Herrn François Maitia. Seien Sie uns im Hessischen Landtag herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Nun erhält Herr Kollege Decker für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vier Dinge haben die Fernsehberichterstattung über Amazon und der von uns entfaltete politische Druck auf jeden Fall bewirkt.

Erstens. Nachdem der Ministerpräsident zunächst einmal festgestellt hat, dass das Land nicht zuständig sei, ist dem Sozialminister gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass der Arbeitsschutz doch Landesaufgabe ist.

(Heiterkeit des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zweitens. Die dann plötzlich ganz rasch eingeleitete Prüfung bei Amazon durch den Arbeitsschutz hat eine ganz lange Latte an Mängeln und Missständen offengelegt, die auch die Geschäftsleitung einräumen musste, die bis heute in der Öffentlichkeit gemauert hat.

Drittens. Das, was da abgelaufen ist, wird sich hoffentlich nicht mehr wiederholen. Denn der Umgang des Unternehmens mit den Mitarbeitern und vor allem mit den Leiharbeitern steht seitdem im Fokus der Öffentlichkeit. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Viertens. Die Vorgänge bei Amazon haben den dringend notwendigen Handlungsbedarf hinsichtlich der Neuordnung des Arbeitsmarktes sehr plastisch unterstrichen. Hier haben wir die Schattenseiten erlebt.

Meine Damen und Herren der CDU und der FDP, es geht nicht darum, die Leiharbeit ungebührlich schlechtzureden. Vielmehr müssen wir die Schattenseiten der Leiharbeit endlich abschaffen. Darum geht es uns.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Beispiel hat uns konkret gezeigt, dass wir klare Regeln gegen den Missbrauch der Leiharbeit brauchen. Unabhängig von dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und der Abschaffung der grundlosen Befristung geht es hier vor allem auch darum, wie man mit Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern im betrieblichen Alltag umgeht.

Es wurde eben schon angesprochen. Uns geht es darum, wie Zeitarbeitsfirmen mit Leiharbeitsplätzen umgehen. Die Zeitarbeitsfirma Trenkwalder hat offensichtlich gezeigt, wie es nicht geht und wie es nicht gehen darf. Amazon hat mit 1.500 € brutto gelockt. Wenn die Berichterstattung einer spanischen Kollegin zutrifft, sind bei der Firma Trenkwalder dann am Ende 1.000 € daraus geworden. Das spricht für sich.

Jetzt möchte ich einmal klare Worte an die antragstellende Fraktion DIE LINKE richten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch einmal ganz langsam und deutlich zum Mitschreiben sagen: Wir werden die Hartz-IVGesetze nicht abschaffen. Wir werden auch die Leiharbeit nicht abschaffen. Aber wir werden sie auf das Maß zurückschrauben, das ursprünglich angedacht war. Es ging darum, Auftragsspitzen abzufedern. Das ist eine ganz klare Aussage von uns.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage es Ihnen noch einmal. Wir haben gestern schon versucht, Ihnen das klarzumachen. Ich sage auch das noch einmal zum Mitschreiben. Die Vorgänge bei Amazon haben mit der Hartz-Gesetzgebung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie haben sie erst möglich gemacht!)

Hören Sie auf, dieses Vehikel für Ihre neuerlichen obskuren politischen Forderungen zu nutzen. Frau Wissler und Herr Kollege Schaus, hören Sie endlich mit diesem unrealistischen und populistischen Geschwätz auf. Es geht uns, mit Verlaub, allmählich auf den Senkel.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das glaube ich Ihnen!)

Ich sage Ihnen eines: Wenn wir im Schulterschluss mit dem DGB einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € fordern, dann fordert die LINKE 10 €. Hätten wir 10 € gefordert, hätten Sie 12 € gebrüllt. Meine Damen und Herren, so sieht es aus.